Sony Alpha 9 III
24.60 Mpx, Vollformat
Mit der Alpha 9 III bringt Sony ein neues Flaggschiff für Sportfotografie auf den Markt. In ihm steckt eine technische Revolution, die auch für die Zukunft von günstigeren Kameras relevant ist.
Ich drücke auf den Auslöser – in einer Sekunde landen über 100 RAW-Fotos einer Hürdenläuferin auf dem Zwischenspeicher meiner Kamera. Bei allen liegt die Schärfe genau auf dem Auge der Sportlerin. Das ist nicht meiner inexistenten Sportfotografie-Erfahrung zu verdanken, sondern der Kamera in meinen Händen.
Am Dienstagabend hat Sony die Alpha 9 III präsentiert und die Fotowelt aufhorchen lassen. Ich war am europäischen Launch-Event in der Türkei und konnte die Kamera bereits einige Stunden lang ausprobieren. Es handelte sich dabei um ein Vorserienmodell mit nicht-finaler Firmware.
Während die meisten neuen Kameramodelle relativ kleine Evolutionen sind, gelingt Sony mit der Alpha 9 III endlich mal wieder ein Durchbruch. Sie hat als erste einen Vollformat-CMOS-Sensor mit einem «Global Shutter». Was das genau bedeutet, erkläre ich dir hier:
Ein paar weitere wichtige Spezifikationen im Überblick:
Das Timing der neuen Kamera ist kein Zufall. Nächstes Jahr finden die Olympischen Sommerspiele in Paris statt – und die Alpha 9 ist Sonys Flaggschiff für Sportfotografie. Dank dem neuen Global Shutter ist sie vor allem eines: rasend schnell. Sie schafft 120 Bilder pro Sekunde (FPS). Mit kontinuierlichem Autofokus. Mit kontinuierlicher Nachführung der Belichtung. Im unkomprimierten RAW-Format. Ohne Sucher-Blackout.
Diese Werte übertreffen alles bisher Dagewesene um Längen. Sie sind nur mit einem elektronischen Verschluss möglich. Das führte bis jetzt zu einem Problem bei der Aufnahme von sehr schnellen Bewegungen: Da ein klassischer Sensor das Bild Zeile für Zeile ausliest, kann es verzerren. Ein Golfschläger in vollem Schwung wird zum Beispiel krumm. Mit einem Global Shutter entfällt dieser Nachteil. Alle Pixel werden gleichzeitig ausgelesen, Verzerrungen gibt es keine mehr. Auf einen mechanischen Verschluss kann Sony bei der Alpha 9 III deshalb ganz verzichten.
Auch den Autofokus hat der japanische Hersteller laut eigenen Angaben verbessert. Die KI-gestützte Software erkennt Gliedmassen und Bewegungen. So soll sie berechnen können, wo das Subjekt im nächsten Moment sein wird. Der Autofokus versucht also in die Zukunft zu schauen.
Ich fotografiere während Sonys Event drei Sportarten: Weitsprung, Hürdenlauf und Thaiboxen. Es dämmert bereits, aber die Athletinnen und Athleten werden mit Flutlichtscheinwerfern ausgeleuchtet. Gute Bedingungen für den Autofokus, der sich tatsächlich so gut wie keinen Fehltritt leistet. Selbst wenn eine Sportlerin im vollen Lauf auf mich zukommt, liegt die Schärfe bei jedem Bild zuverlässig auf den Augen. Die Leistung des Autofokus ist beeindruckend – ob die Trefferquote mit dem Vorgängermodell oder einer Alpha 1 schlechter wäre, weiss ich aber nicht.
Ich verwende meist einen einzelnen Fokusbereich, der sich jetzt in verschiedenen Grössen einstellen lässt. Schalte ich gleichzeitig das Augen-Tracking ein, sucht sich die Kamera das Gesicht, das am nächsten an meinem Fokusbereich liegt – und lässt es nicht wieder los, solange ich den Auslöser drücke. Das ist praktisch, wenn mehrere Personen im Bild sind wie beim Thaiboxen.
Die maximale Serienbildgeschwindigkeit von 120 FPS ist für die drei Testsportarten völlig übertrieben. Sie würde meine Speicherkarte im Nu füllen. Stattdessen stelle ich die Kamera auf 30 FPS. Per Knopfdruck auf die neue C5-Taste auf der rechten Vorderseite des Gehäuses kann ich trotzdem kurzzeitig auf 120 FPS wechseln, wenn ich will. Das wäre zum Beispiel sinnvoll, wenn ich einen Tennisball genau in dem Moment erwischen möchte, in dem er vom Schläger zusammengedrückt wird.
Sehr praktisch finde ich die Pre-Capture-Funktion: Ist sie aktiv, speichert die Alpha 9 III kontinuierlich Bilder, bevor ich überhaupt den Auslöser drücke. Die Vorlaufzeit beträgt maximal 1 Sekunde, was in den meisten Fällen viel zu viel ist. Schon mit 0,3 Sekunden verpasse ich in der Regel nichts mehr.
Ein potenzieller Nachteil eines Sensors mit Global Shutter ist eine schlechtere Bildqualität: weniger Auflösung, weniger Dynamikumfang, mehr Bildrauschen.
Die Auflösung der Sony Alpha 9 III ist für heutige Verhältnisse tatsächlich nicht besonders hoch. 24 Megapixel gab es schon beim Vorgängermodell. Kameras wie die Nikon Z 9 oder die Sony Alpha 1 bieten höhere Auflösungen. Das gibt mehr Freiheiten, ein Bild zu beschneiden. Gerade für Wildlife-Fotografie ist das ein grosser Vorteil. In der Sportfotografie treibt eine hohe Auflösung aber die Datenmengen in schwindelerregende Höhen. Ob Sony sie bei der Alpha 9 III bewusst bei 24 Megapixel belässt, oder ob es eine Folge des Global Shutter ist, bleibt deshalb unklar.
Die Basis-Empfindlichkeit des Sensors ist auffällig hoch. Sie liegt bei ISO 250. Es ist die einzige native Empfindlichkeit, während die Vorgängerin ein Dual-Gain-System hatte. Und während Sony bei Präsentationen sonst gerne über den Dynamikumfang spricht, machte der Hersteller diesmal keine konkreten Angaben. Eigene Aussagen sind ebenfalls noch schwierig. Meine Testkamera war nicht final und die RAW-Dateien werden von Konvertern noch nicht unterstützt.
Mein Eindruck aus den JPGs: Bis ISO 1600 ist das Rauschen gut unter Kontrolle. Selbst Bilder mit ISO 6400 dürften für die meisten Anwendungen völlig in Ordnung sein – etwa für die Publikation online oder als Print in einer Zeitung. Ab ISO 12800 wird es schwierig. Wobei sich im RAW-Format mit moderner Rauschreduzierung heutzutage viel retten lässt.
Auch der Dynamikumfang fällt zumindest nicht negativ auf. Die Kompromisse des Global Shutters scheinen klein zu sein. Wie gut die Bildqualität im Vergleich zu anderen Kameras ist, wird aber erst der ausführliche Test eines finalen Exemplars zeigen.
Sony hat den Handgriff der Alpha 9 III im Vergleich zum Vorgängermodell etwas vergrössert, was ich gut finde. Sie liegt bequemer in meinen mittelgrossen Händen – auch über längere Zeit und mit schweren Objektiven. Die Bedienung ist für Sony-User vertraut. Tasten sitzen an den bekannten Orten. Neu ist die zusätzliche C5-Taste auf der rechten Vorderseite. Sie lässt sich individuell belegen, etwa mit dem Serienbild-Boost.
Der elektronische Sucher (EVF) ist auf dem neuesten Stand der Technik. Er hat gleich viele Bildpunkte wie bei der Alpha 1 oder Alpha 7RV: 9,44 Millionen. Im Gegensatz zu diesen Kameras hält der EVF der Alpha 9 III seine Auflösung aber auch mit einer Bildfrequenz von 120 FPS. Damit ist er so gut, dass ich mir selbst für Sportaufnahmen keinen optischen Sucher mehr wünsche.
In der Fotografie mit Blitzlicht kommt ein weiterer Vorteil des Global Shutter zum Tragen: Es gibt kameraseitig kein Limit bei der Synchronisationszeit. Selbst mit 1/80 000 Sekunde wird das Bild gleichmässig belichtet. Eine so kurze Verschlusszeit ist allerdings nicht sinnvoll. Denn auch Blitzgeräte haben einen Flaschenhals: die Abbrennzeit auf voller Leistung ist meist länger als 1/1000 Sekunde. Wird der Sensor kürzer belichtet, nimmt er nicht mehr das ganze Licht der Blitzröhre auf – das Bild wird dunkler, wie wenn du mit Dauerlicht fotografierst.
In Videos sind vor allem die verzerrungsfreien Bilder ein Vorteil. Selbst bei schnellen Kameraschwenks werden gerade Linien nicht krumm. Allerdings muss ich sagen: Schon mit den bisherigen Stacked-Sensoren wie in der Sony Alpha 1 waren Rolling-Shutter-Effekte in Videos kaum mehr ein Problem. Und selbst mit langsameren Sensoren kann ich an einer Hand abzählen, wie oft mir in der Praxis eine Verzerrung aufgefallen ist.
Die Sony Alpha 9 III kann in 4K mit bis zu 120 FPS in 10 bit 4:2:2 filmen. Alles ohne Crop. Bis 60 FPS geschieht das im 6K-Oversampling-Verfahren, darüber im Subsampling-Verfahren. Eine erste Testaufnahme sieht scharf aus, Dynamikumfang und Rauschverhalten kann ich genau wie bei Fotos noch nicht beurteilen.
Die Sony Alpha 9 III ist eine der wichtigsten Kameras der letzten Jahre – auf den Global Shutter hat die Fotowelt schon lange gewartet. Dass der Sensor alle Pixel gleichzeitig aktiviert, beseitigt das Hauptproblem von klassischen Verschlüssen: den Rolling-Shutter-Effekt. In der Fotografie mit Blitzlicht eliminiert der Global Shutter zudem den Flaschenhals der Synchronisationszeit.
Ob es Kompromisse bei der Bildqualität gibt, müssen Tests mit finalen Geräten zeigen. Auf den ersten Blick sind mir keine aufgefallen. Der Global Shutter dürfte in Zukunft Eingang in viele Kameras finden – schliesslich beliefert Sony sämtliche grossen Hersteller ausser Canon mit seinen Sensoren. Bis es die Technologie in günstige Modelle schafft, wird es aber einige Jahre dauern.
Abseits dieser Pionierfunktion macht der Global Shutter die Sony Alpha 9 III vor allem rasend schnell. 120 RAW-Bilder pro Sekunde bei kontinuierlichem Autofokus ohne Sucher-Blackout sind unerhört. Die Schärfenachführung ist ebenfalls beeindruckend zuverlässig, wobei das auch andere Kameras gut können.
In der Praxis können nur professionelle Sportfotografinnen die Geschwindigkeit des neuen Flaggschiffs ansatzweise ausnutzen. Für alle anderen lässt sich der hohe Preis nicht rechtfertigen. Auch Wildlife-Fotografen sind mit anderen Modellen wohl besser bedient. Die Sony Alpha 9 III ist deshalb eine wegweisende, aber hoch spezialisierte Kamera.
Titelbild: Klaus LorbeerMein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.