Drahtloses Laden: Darum ist der Qi2-Standard bisher ein Reinfall
Gross waren die Hoffnungen, gross ist die Enttäuschung: Zwar bringen die Zubehör-Hersteller viele Qi2-Charger auf den Markt. Bisher bringt das aber nur iPhone-Usern etwas, Android-Geräte fehlen nach wie vor.
Endlich haben sich Apple, Google und viele Android-Hersteller für ein gemeinsames Projekt zusammengerauft, nämlich einen neuen Standard fürs drahtlose Laden. Und nun dieser Fail. Zwar bringen Hersteller wie Belkin oder Anker neue Charger auf den Markt, die Qi2 unterstützen. Aber die im Jahr 2024 bisher vorgestellten Android-Smartphones verzichten alle auf Qi2. Die einzigen Qi2-Smartphones stammen von Apple. Was ist da los in der Android-Welt?
Standard für alle, mit Apple-Technik
Darum geht’s: Qi2 (ausgesprochen «tschi tuu») ist ein Standard für drahtloses Laden von Smartphones und Zubehör. Der Vorteil: Mit 15 Watt ist doppelt so schnelles Charging möglich wie bislang mit Qi. Zudem definiert der neue Standard Punkte fürs magnetische Andocken von Ladegerät und Smartphone. Die Technik kommt von Apple, wo sie unter dem Begriff Magsafe schon verbreitet ist. Neu können auch Android-Phones mit Qi2 diese Magnete nutzen.
Die Erwartungen an Qi2 sind unter anderem so hoch, weil es selten ist, dass sich die gesamte Branche ohne äusseren Druck auf einen Standard einigt. Und im Wireless Power Consortium, das Qi2 propagiert, sind wirklich alle mit Rang und Namen dabei: Apple, Google, Samsung, Xiaomi, Huawei, Oppo, Sony – total über 250 Hersteller.
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Wo bleiben die Android-Phones mit Qi2?
Das grosse Problem des Standards: Bis heute ist kein einziges Android-Phone erhältlich, das Qi2 unterstützt. Und dies, obwohl erste Qi2-Charger bereits seit Anfang 2024 erhältlich sind. Das im Januar vorgestellte Samsung Galaxy S24 beispielsweise unterstützt nur den langsamen Qi-Standard. Zwar sind 15 Watt drahtloses Laden möglich – aber nur über Ladegeräte, die den PMA-Standard unterstützen. Magnete fehlen ganz.
Auch die Hoffnung, dass am Mobile World Congress in Barcelona Anfang März die ersten Androiden mit Qi2 angekündigt werden, haben sich zerschlagen. Das Xiaomi 14 bietet zwar sogar 50 Watt drahtloses Laden – aber nur über den eigenen Hyper-Charge-Standard. Das Honor Magic 6 Pro lädt mit 66 Watt drahtlos, aber auch hier in diesem Tempo nur mit einem eigenen Protokoll. Der Qi2-Standard fehlt bei beiden Modellen ganz.
Insider haben mir auf dem Mobile World Congress verraten, dass wohl erst das Google Pixel 9 im Herbst Qi2 unterstützen dürfte. Alle anderen Android-Neuheiten werden bis dann ohne Qi2 auf den Markt kommen.
Verspätung liegt an der Qi2-Verspätung
Doch warum haben Samsung, Xiaomi, Honor und Co. ihre Handys dieses Jahr bisher ohne Qi2 auf den Markt gebracht? Eine offizielle Begründung der Hersteller gibt es nicht. Doch in Gesprächen haben Zubehörhersteller auf dem MWC verraten, was das Problem ist.
So gab es bei der Definition des Standards immer wieder Verzögerungen. Obwohl Qi2 bereits im Januar 2023 angekündigt wurde und dann im Januar 2024 offiziell startete, standen an diesem Termin noch nicht alle Details endgültig fest. Das war vor allem für die Hersteller von Android-Handys ein Problem, die nicht genug Vorlaufzeit für die Homologation der Technik bekommen haben. Diese zu knappe Zeitdauer bestätigt auch das WPC (Wireless Power Consortium).
Für Samsung, Xiaomi, Honor und Co. geht es ja nicht nur um einen neuen Ladestandard, sondern auch um die magnetischen Halterungen, die in der Android-Welt bisher keine Rolle gespielt haben. Diese brauchen technische Anpassungen an der Hardware. Samsung beispielsweise soll ein Problem beim Galaxy S24 Ultra haben, wo der im Gehäuse integrierte Stift mit den magnetischen Andockpunkten ins Gehege kommt.
Die Umstellung braucht also einiges an Vorlaufzeit. Für Apple ist dies einfacher, weil der iPhone-Hersteller die technischen Grundlagen liefert. Die Hardware ist mit Magsafe identisch, es braucht nur noch Anpassungen bei der Software. Darum konnten die iPhone-15-Modelle von Anfang an als Qi2-ready ausgeliefert werden. Und mit einem Software-Update, nämlich iOS 17.2 Update, wurden auch alle iPhones der Generation 13 und 14 mit Qi2 nachgerüstet.
Auch die Zubehörhersteller konnten ihre Halterungen und Charger von Magsafe ziemlich einfach auf Qi2 umrüsten und waren darum zum Start des neuen Standards bereit.
Es bleibt ein ärgerliches Fragezeichen
Wird alles gut, wenn dann die Android-Hersteller mit Verspätung auf den Qi2-Zug aufspringen? Nicht unbedingt. Denn nach wie vor ist völlig unklar, ob die grossen Handy-Hersteller auf Qi2 mit Magneten oder auch ganz ohne setzen. Beides ist nach dem neuen Standard möglich – sinnvoll ist nur Ersteres. Viele Halterungen funktionieren nur mit dem magnetischen System. Das Handy wird dadurch in Position gehalten und lässt sich ganz leicht andocken und loslösen.
Aber auch bei normalen Ladepads machen Magnete Sinn. Denn damit sitzen die Ladespulen immer perfekt. Das ist effizienter bei der drahtlosen Energieversorgung. Und so wird die Gefahr minimiert, dass du das Smartphone zu wenig genau auf den Charger legst und es gar nicht geladen wird.
Ich finde, der Standard hätte einheitlich ausgestaltet werden müssen. Die Qi2-Zertifizierung sollten die Hersteller nur mit der magnetischen Kopplung erhalten. Das wäre auch für die Konsumentinnen und Konsumenten klar und eindeutig. Was für ein Frust, wenn du ein schönes Ladegerät kaufst, aber das Smartphone gar nicht richtig andocken kannst.
Immerhin gibt’s schon heute Case-Hersteller, welche diese Lücken schliessen. Statt im Smartphone hast du die magnetische Halterung einfach in der Smartphone-Hülle.
Unnötige Startschwierigkeiten
Das Problem am momentanen Zustand: Die Konsumentinnen und Konsumenten werden verunsichert. Ein neuer Standard wird angekündigt, doch zum offiziellen Startzeitpunkt sind die Hersteller eigentlich noch gar nicht bereit.
Statt die Qi2-Sause dann einfach zu verschieben, wird die Lancierung durchgedrückt. Wer sich nicht intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, sieht sich nun mit einem Standard konfrontiert, für den es ausser für die iPhones gar keine Geräte gibt. Und wegen der verwirrenden Ausgestaltung von Qi2 mit und ohne Magneten droht weiteres Ungemach. Nämlich frustrierte Kundinnen und Kunden, die sich Charger kaufen, die sie danach gar nicht benutzen können.
Gadgets sind meine Passion – egal ob man sie für Homeoffice, Haushalt, Smart Home, Sport oder Vergnügen braucht. Oder natürlich auch fürs grosse Hobby neben der Familie, nämlich fürs Angeln.