Weshalb es linkshändige Kinder heute an der Schule einfacher haben
Linkshänder-Kinder werden in der Regel nicht mehr auf rechts umgeschult. Doch wie werden angehende Lehrpersonen auf die Bedürfnisse linkshändiger Schülerinnen und Schüler vorbereitet. Und: Wo können sich Lehrpersonen überhaupt mit Werkzeugen und Utensilien für linkshändige Kinder eindecken?
Rund zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung sind Linkshänderinnen und Linkshänder. Laut Barbara Sattler dürften es sogar eher noch mehr sein. Im kürzlichen Interview erklärt die Linkshänder-Expertin, weshalb linkshändige Kinder auf keinen Fall auf Rechtshändigkeit umgeschult werden sollten: «Das kommt einem Eingriff ins Gehirn gleich.»
Stellt sich also die Frage, inwiefern an Schweizer Schulen dem Thema Linkshändigkeit Rechnung getragen wird. Beim Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) heisst es dazu auf Anfrage lediglich: «Von Seiten LCH gilt die Grundhaltung der integrativen Schule, dass die individuellen Bedürfnisse jeder Schülerin und jedes Schülers berücksichtigt werden.» Schön und gut, davon darf man ausgehen.
Ich will es genauer wissen und kontaktiere Susanne Steiger. Sie ist als Sportlehrerin und Psychomotoriktherapeutin ausgebildet, an der Pädagogischen Hochschule Zürich im Fachbereich Bewegung und Sport tätig und unterrichtet angehende Lehrpersonen unter anderem in den Bereichen Grafomotorik und Schreibdidaktik. Die Expertin sagt: «Weil die Händigkeit im Idealfall bis zum Eintritt in die 1. Klasse feststehen sollte, sensibilisieren wir vor allem angehende Kindergarten- und Unterstufenlehrpersonen für das Thema Linkshändigkeit.» Dabei gehe es nicht nur um die ersten Schreibversuche, sondern um alle feinmotorischen Tätigkeiten wie etwa Schneiden oder Basteln.
«Grundsätzlich soll jedes Kind für sich entscheiden, ob es rechts- oder linkshändig ist. Auf gar keinen Fall darf von einer Kindergartenlehrperson darauf Einfluss genommen werden, weil das einem Eingriff in die Persönlichkeit gleichkommt», betont Steiger. Vielmehr gehe es darum, das Kindergartenkind aufmerksam zu beobachten und bei Anzeichen auf Schwierigkeiten mit der Händigkeit das Gespräch mit den Eltern zu suchen und Fachpersonen wie etwa eine Psychomotoriktherapeutin oder einen Ergotherapeuten beizuziehen.
«Die Bewegungsabläufe des Schreibens sind für ein linkshändiges Kind viel anspruchsvoller, da die Striche gestossen und nicht gezogen werden. Wenn das Umfeld aber auf ein linkshändiges Kind eingeht, dann sollte dieses in der Schule keinen Nachteil erfahren», erklärt Steiger. Eine rechtshändige Lehrperson müsse also wissen, wie ein linkshändiges Kind einen Stift oder eine Schere richtig hält. «Umgekehrt muss natürlich auch eine linkshändige Lehrperson einem rechtshändigen Kind gewisse Dinge wie Schreiben oder Schneiden vorzeigen können.»
Erste Schreib-Lehrmittel für links- und rechtshändige Kinder
Oft seien es schon kleine Dinge, die einem linkshändigen Kind helfen würden. «Zum Beispiel wenn es links aussen am Pult sitzt oder neben einem weiteren linkshändigen Kind, damit sie sich beim Arbeiten nicht in die Quere kommen», sagt Steiger. Ganz wichtig sei es einerseits, die Eltern in den Prozess miteinzubeziehen. Andererseits aber auch Spezialisten, falls es Schwierigkeiten mit der Händigkeit gibt. Ob Linkshändigkeit oder nicht: Letztlich gehe es darum, auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden Kindes einzugehen. «Da hat die Schule grundsätzlich einen grossen Wandel durchgemacht, wenn man etwa an die Schnürlischrift denkt, die durch die Deutschschweizer Basisschrift abgelöst wurde. Letztere lässt Kindern viel mehr Freiheiten, ihre persönliche Schrift zu entwickeln.»
Im neuen Lehrmittel «Deutsch» werden im Kapitel des Schreibenlernens die Bedürfnisse von rechts- und linkshändigen Kindern berücksichtigt. «Darin sind die abzuschreibenden Buchstaben und Sätze auch auf der rechten Seite abgebildet, damit sie nicht von der linken Hand abgedeckt werden.» Für Susanne Steiger ist klar, dass in jedem Klassenzimmer ein Grundstock an Linkshänder-Materialien wie Linkshänder-Stifte, -lineal, -spitzer oder -scheren vorhanden sein sollte.
Linkshänder-Produkte auf Galaxus und im ersten Schweizer Linkshänder-Shop
Das Gleiche gilt natürlich auch für zu Hause. Solltest du merken, dass dein Kind zur Linkshändigkeit tendiert und sich dieser Verdacht nach einer Konsultation einer Fachperson erhärten, macht es Sinn, die wichtigsten Linkshänder-Werkzeuge zu beschaffen. Bei uns im Shop findest du eine grosse Auswahl an Stiften, Scheren oder Spitzern für Linkshänderinnen und Linkshänder.
Doch die Tücken des Alltags gehen für Linkshänderinnen und Linkshänder oft weit über das Schreiben und Basteln hinaus. Viele Tätigkeiten, die man als Rechtshänderin problemlos ausübt, stellen linkshändige Menschen vor eine Herausforderung. Ein Klassiker ist das Öffnen einer Dose mit einem Dosenöffner.
Weil es zum Teil gar nichts so einfach ist, Linkshänder-Werkzeuge zu finden, hat das Ehepaar André und Sabine Nisple vor vier Jahren den ersten reinen Online-Linkshändershop eröffnet. «Meine Frau ist Linkshänderin. Als wir vor rund 30 Jahren auf unserer Hochzeitsreise in San Francisco den ersten Linkshänder-Shop aufgesucht haben, gab es da gerade einmal drei bis vier Produkte. Das war eine riesige Enttäuschung», sagt André Nisple. Bei den hiesigen grossen Detailhändlern gebe es zwar an die 30 verschiedene Scheren, aber eben nur sehr wenige für linkshändige Menschen. «Die Produkte-Palette ist viel zu klein.»
Stolz erwähnt Nisple etwa den Dosenöffner, den Bumerang oder die Handsense, die sie im Sortiment führen. Angefangen haben sie mit 150 Produkten, heute sind es schon über 600. Sie beziehen sie weltweit von ebenfalls spezialisierten Händlern. Doch weil auch diese nicht alle gefragten Produkte anbieten können, hat das Ehepaar inzwischen begonnen, eigene zu produzieren. Eine Zackenschere zum Beispiel. Nisple: «Immer wieder erreichen uns bestimmte Anfragen. So hat sich neulich jemand nach einem Handfächer für Linkshänder erkundigt.» Das Beispiel zeige, dass es in Sachen Alltagsgegenstände für linkshändige Menschen noch viel Luft nach oben gebe.
Bild: ShutterstockZweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.