Was soll der Wilde Westen bei Smartwatch-Akkus?
Seit bald zehn Jahren trage ich praktisch jeden Tag eine smarte Uhr an meinem Handgelenk. Eines ist in der langen Zeit leider gleich geblieben: Ich muss meine Smartwatch fast jeden Tag aufs Ladegerät legen. Und das, obwohl es durchaus Modelle gibt, die locker über eine Woche Akkulaufzeit liefern. Warum schaffen das Apple, Samsung und Co. nicht?
Ich bin wirklich davon überzeugt, wenn ich sage: Die Smartwatch ist das beste Accessoire zum Smartphone. Die einen brauchen sie zum Aufzeichnen von Schlaf, die anderen fürs Training und wieder andere als moderner MP3-Player für unterwegs. Die ausgeklügelten Features sind alle schön und gut; aber das sind in meinen Augen eher Spielereien.
Benachrichtigungen. Das ist der singuläre Grund, warum ich die smarte Uhr praktisch jeden Tag an meinem Handgelenk trage. Mein Handy ist seit bald zehn Jahren lautlos, die Vibration deaktiviert. Jede WhatsApp-Nachricht, jeden Anruf und jeden Reminder empfange ich an meinem Handgelenk. In meinen Augen ist die Smartwatch die dezenteste Art, immer auf dem Laufenden zu bleiben. Immerhin kann ich auf meiner Uhr nicht versehentlich damit beginnen, auf Instagram oder Tiktok rumzuscrollen, wenn ich eigentlich nur kurz eine Benachrichtigung lesen wollte. In gewisser Weise eine Art digital Detox.
Die Smartwatch als ständiger Begleiter – theoretisch
Eine Smartwatch gehört für mich einfach dazu – derzeit die Google Pixel Watch 2. Dennoch muss ich jede intelligente Uhr so gut wie jeden Tag ablegen, um sie aufzuladen. Die aktuelle Google Pixel Watch liefert beispielsweise 24 Stunden Akkulaufzeit. Bei Samsung und Apple sieht es zwar ein wenig besser aus, aber eben auch nicht allzu gut.
Die grossen Hersteller bewerben ihre Uhren nämlich mit tagelanger Akkulaufzeit. Unglaublich, oder? Die Samsung Galaxy Watch 5 Pro verspricht für rund 240 Franken etwa 80 Stunden. In der Praxis sind es mit allen Features und Always On Display (AOD) aber eher 2-3 Tage. Und das AOD ist für mich unabdingbar bei einer Smartwatch.
Noch fast schlimmer steht es um Apples Uhren. Die über 700 Franken teure Apple Watch Ultra 2 verspricht im Alltagsgebrauch gerade mal 36 Stunden. Wenn du also bloss übers Wochenende wegfahren – geschweige denn in die Ferien – willst, denkst du besser daran, dein Smartwatch-Ladegerät mitzubringen. Ansonsten wird deine gescheite Uhr schnell zum teuren Armband.
Oder du kaufst dir eine andere Smartwatch.
Hier gibt es die richtig lange Akkulaufzeit
Man muss nicht allzu weit über den Tellerrand hinausschauen, um Smartwatches mit ordentlicher Ausdauer zu finden. Da wären beispielsweise etliche Fitnesstracker wie die Oppo Watch Free, die Huawei Fit 2 oder das Xiaomi Smart Band 7 Pro, welche allesamt ein bis zwei Wochen (!) Laufzeit liefern.
Gut, das sind Fitnesstracker mit reduziertem Funktionsumfang. Features wie NFC, LTE oder ein durchdachtes Betriebssystem wie Wear OS fehlen bei diesen Produkten meistens.
Aber es gibt auch vollwertige Smartwatches mit vergleichbarer Ausdauer. Ganz vorn mit dabei sind die Modelle aus dem Hause Huawei, die in der Regel auch noch sehr schöne Uhren sind. Gerade die GT-Reihe schafft schon lange ein bis zwei Wochen Laufzeit mit aktiviertem AOD und Rundum-Tracking. Ich habe schon seit einigen Jahren die Huawei Watch GT 3 Pro, welche mich die längste Zeit tagein, tagaus begleitet hat.
Es müssen aber auch nicht unbedingt grosse Markennamen sein. Kollege Lorenz hat kürzlich die Pace 3 von Coros ausprobiert, welche laut seinem Test auch «locker zwei Wochen» mit 24-Stunden-Tracking macht.
Weiter gibt es da natürlich noch Sportuhren aus dem Hause Garmin oder Hybrid-Modelle wie jene von Withings. Diese möchte ich hier aber gerne ausklammern, da diese Modelle einen anderen Fokus haben.
Warum die Unterschiede bei der Laufzeit?
Eine definitive, abschliessende Antwort, warum Huawei ein bis zwei Wochen schafft, Samsung und Apple aber nur ein bis zwei Tage, gibt es leider nicht. Zumindest können wir aber die Hardware-Unterschiede praktisch komplett ausschliessen. Akkukapazität, Display-Grösse und Auflösung, Prozessor und Taktfrequenz sind bei praktisch allen Flaggschiff-Modellen der gängigen Namen vergleichbar.
(Ausser im Fall der erwähnten Coros-Uhr, wo tatsächlich ein viel weniger moderneres LCD-Panel mit einer tieferen Auflösung verbaut ist.)
Wenn es also nicht die Hardware ist, dann muss es ja folgerichtig die Software sein.
Während praktisch alle Samsung-Uhren auf Googles Wear OS setzen, kommen die neueren Huawei-Modelle mit dem hauseigenen HarmonyOS daher. Dieses basiert zwar auch auf Wear OS, wurde aber von Huawei auf die eigene Hardware abgestimmt. Hier finden wir also wohl auch den Hauptgrund für die unterschiedlichen Laufzeiten.
Wenn der Entwickler nicht nur die Hardware, sondern auch die Software auf dem Gerät unter Kontrolle hat, lässt sich sowohl die Leistung als auch die Ausdauer viel besser optimieren. Beobachten lässt sich das in der Regel auch bei Apple, wo MacBooks oder iPhones regelmässig starke Leistungen liefern.
Warum die Apple Watch oder Googles Pixel Watch, welche beide mit einem hauseigenen Betriebssystem kommen, ebenfalls unter der schlechten Akkulaufzeit leiden, bleibt damit weiterhin ungeklärt.
Was ist denn wirklich nötig?
Womöglich sind es also doch auch die Features, die einen Unterschied machen. So gibt es zum Beispiel bei der aktuellen Huawei Watch GT4 keine EKG-Messung oder NFC-Zahlung – wenn auch beides Funktionen sind, welche ohnehin nicht im Dauerbetrieb und somit nicht wirklich belastend für den Akku sind Die restlichen gängigen Features, wie Puls-, Schlaf- und Sporttracking gibt es auch bei Huawei.
Features und Hardware hin oder her – Fakt ist, Huaweis Uhren liefern praktisch durchs Band eine längere Akkulaufzeit. Wenn es keine konkrete Antwort gibt, bleibt uns noch die Spekulation. Höchstwahrscheinlich hat Huawei schlicht eine strengere Herangehensweise, wenn es ums Akku-Management geht. Prozesse und Sensoren, die nicht zwingend gebraucht werden, werden schneller mal abgewürgt als bei Apple, Samsung und Google.
Die drei grossen Brands lassen demnach wohl ihre Sensoren öfter mal im Dauerbetrieb und betreiben eventuell sogar ein genaueres Tracking. Gerade bei Gesundheitsfeatures und Unfallerkennung kann das natürlich ein wichtiger Punkt sein. Möglicherweise ist es also eine Entscheidungsfrage: Willst du den vollen Funktionsumfang, oder reicht dir das Nötigste?
Wie bereits erwähnt: Das Einzige, was ich wirklich von meiner Uhr brauche, sind die Benachrichtigungen. Die Nutzererfahrung bei Huaweis Uhren finde ich diesbezüglich mehr als ausreichend. Alles andere ist in meinen Augen zweitrangig. So zweitrangig sogar, dass ich gerne darauf verzichte, um eine zehnfache Akkulaufzeit zu bekommen.
Praktisch seit ich denken kann fasziniert mich alles, was Tasten, Displays und Lautsprecher hat. Als Journalist mit Fokus auf Technik und Gesellschaft schaffe ich Ordnung im Dschungel aus Tech-Jargon und unübersichtlichen Spec-Sheets.