Produkttest

Um den Arm gewickelt: Polar Verity Sense im Sporttest

Messgeräte für den Puls können je nach Sportart nerven. Der optische Pulssensor Polar Verity Sense wird bequem um den Arm getragen – und soll so genau sein wie ein Brustgurt mit EKG. Das habe ich auf Herz und Schweiss geprüft.

Vor Jahren habe ich mir zur Messung meiner sportlichen Leistung einen Brustgurt angelegt. Er war mühsam und unbequem. Auch mit einer zusätzlichen Sportuhr war ich unglücklich. Ich kann sie nicht bei allen Sportarten tragen. Der Armgurt von Polar löst hoffentlich alle diese Probleme.

Der Polar Verity Sense soll mit optischem Sensor Konkurrenz für den Brustgurt mit Herzfrequenzmessung sein. Das will ich natürlich genau wissen. Ich lasse den H10 Brustgurt und den Verity Sense in diversen Sportarten gegeneinander antreten. Möge der Bessere gewinnen!

Die beiden Gurte werden auf Herz und Schweiss geprüft.
Die beiden Gurte werden auf Herz und Schweiss geprüft.
Quelle: Michelle Brändle

EKG versus OHR: zwei verschiedene Messtechniken

Während der H10-Brustgurt mit Elektrokardiogramm (EKG) funktioniert, hat der Polar Verity Sense einen optischen Sensor (OHR) verbaut. Doch was ist der Unterschied?

Ein EKG stellt die elektrischen Signale, die vom Herzen ausgehen, visuell dar. Bei jedem deiner Herzschläge werden elektrische Signale im Körper weitergeleitet. Elektroden können diese Veränderungen messen. Die beste Stelle ist dabei die Brust, weil sie dem Herzen am nächsten ist.

Bei der OHR-Messung werden LEDs und eine sogenannte Fotodiode angewendet, um die Veränderungen der Grösse deiner Blutgefässe unter der Haut zu messen. Diese Lösung funktioniert gut am Handgelenk, wie mit einer Sportuhr, oder eben auch als Armgurt.

Das EKG soll für hochintensives Training und extreme Bewegungen genaue Messungen vollziehen. Zudem reagiert es weniger empfindlich auf Temperaturunterschiede und Schweiss. Dafür bietet ein OHR in einer Sportuhr die Möglichkeit, rund um die Uhr deine Daten zu überwachen und einzusehen.

Ohne den Anspruch auf eine Lösung für den Extremsport, scheint das für mich eine geeignete Variante zu sein. Die beiden Geräte, die ich teste, haben aber beide ihre Stärken und Schwächen.

Geheimer Favorit: der Polar Verity Sense

Schlank und athletisch kommt er daher. Der Polar Verity Sense ist ein flexibler Gurt, den ich mir einfach über den Arm streife. Bei Bedarf auch über ein Bein. Mit dabei ist der optische Pulssensor mit einem Knopf. Er lässt sich in das dafür vorgesehene Gehäuse am Gurt einklicken und los geht es. Mit dem Knopf wechsle ich zwischen drei Modi: normales Messen über App oder Uhr, eigenständiges Messen – mit automatischer Speicherung von etwa 500 Trainingsstunden (16 Megabyte Speicher) – und ein Schwimmmodus.

Hinzu kommt ein USB-Gehäuse, in das ich den Pulssensor einklicken und mit dem PC verbinde. Über ein Programm von Polar sehe ich meine Daten ein. Das ist die erste Möglichkeit, um die Trainings-Dateien auszuwerten. Die zweite ist über Bluetooth am Smartphone (iOS und Android) direkt mit der kostenlosen Polar-Flow App. Für beide Varianten ist ein Konto notwendig. Computer- und Mobilversion synchronisieren sich dafür anschliessend automatisch.

Der Polar Verity Sense kommt ohne App und Uhr aus. Dafür mit Zubehör fürs Schwimmen.
Der Polar Verity Sense kommt ohne App und Uhr aus. Dafür mit Zubehör fürs Schwimmen.
Quelle: Michelle Brändle

Die Stärken des Polar Verity Sense

Die grössten Pluspunkte sind das schnelle Anziehen über den Arm, und dass ich keine Uhr benötige. Ich kann mit nur einem Knopf zwischen den drei Modi wechseln und als Schwimmerin auch meine Längen im Wasser messen, indem ich den Sensor an meiner Schwimmbrille befestige. Dazu gibt es eine beigelegte Halterung. Der Pulssensor ist bis 50 Meter wasserdicht.

Die Schwachstellen des Sensors

Alles in allem hält der kleine 45-mAh-Akku bis zu 30 Stunden Training durch, bevor er zur Neige geht. Das ist im Vergleich zum Brustgurt mit 400 Stunden Laufzeit wesentlich kürzer. Immerhin kannst du ihn über den Akku aufladen und musst keine Batterien wechseln. Dafür brauchst du aber zusätzlich ein Netzteil mit USB-A-Anschluss. Je nach Netzteil dauert das Laden etwa eine Stunde. Für eine spontane Session lädst du den Akku aber auch nur 10 Minuten für zwei Stunden Laufzeit.

Der Verity Sense braucht ein zusätzliches Netzteil zum Aufladen.
Der Verity Sense braucht ein zusätzliches Netzteil zum Aufladen.
Quelle: Michelle Brändle

Dem optischen Pulssensor wird weniger Genauigkeit in intensiven Sportarten oder ruckartigen Bewegungen zugeschrieben. Polar meint aber, wenig Differenz festzustellen. Dieser Aussage habe ich auf den Zahn gefühlt und weiter unten meine Erkenntnisse in Zahlen und Fakten festgehalten.

Beliebter Gegner: der Polar H10

Laut Polar vertrauen medizinische Forscherinnen und Spitzensportler aus aller Welt auf den Herzfrequenzsensor dank seiner Präzision. Auch können beispielsweise ganze Sportteams je einen tragen, damit deren Trainer alle gleichzeitig überwachen kann. Als Hobbysportlerin benötige ich solche Funktionen nicht, trotzdem bietet der H10 Vorteile.

Der Polar H10 ist stark in Sachen Genauigkeit.
Der Polar H10 ist stark in Sachen Genauigkeit.
Quelle: Michelle Brändle

Mit bis zu 400 Stunden Akkulaufzeit hält der H10 wesentlich länger durch als der Verity Sense. Durch die Silikonpunkte an der Innenseite des Gurtes rutscht er nicht so schnell runter. Das genaue Messen ist die grösste Stärke des H10.

Dank Silikonpunkten ist der H10 rutschfest.
Dank Silikonpunkten ist der H10 rutschfest.
Quelle: Michelle Brändle

Die Schwachpunkte des Sensors

Der H10 sollte möglichst guten Kontakt mit der Haut haben. Deshalb musst du ihn vor dem Tragen mit etwas Wasser anfeuchten. Auch sollte er recht eng sitzen, damit er trotz Silikonnoppen nicht runterrutscht. Nach dem Tragen musst du den Sensor vom Gurt trennen, damit sich die Batterie nicht weiter entleert. Und nicht zuletzt ist ein Smartphone mit App oder eine Sportuhr notwendig. Von alleine kannst du den Gurt nicht starten.

Spielregeln: Diverse Sportarten im Messvergleich

Alle Vor- und Nachteile der beiden Gurte im Hinterkopf, beginne ich mit dem Testen. Ich habe mich in verschiedenen Sportarten ausgetobt und jeweils beide Gurte getragen. So konnte ich parallel Messungen vornehmen und vergleichen. Von ruhig bis hyperaktiv war alles dabei: Yoga, Joggen, Kraftsport und Boxen. Um allfällige Messfehler zu vermeiden, habe ich die Sportarten mehrmals aufgezeichnet und die besten Ergebnisse genommen.

Erfahrungen bei der Nutzung

Der Polar Verity Sense lässt sich rasch anziehen und starten. Auch rutscht er weder beim Joggen noch beim Boxen von der Stelle. Dass ich keine App oder Uhr brauche, finde ich angenehm. Bei der Synchronisierung zu einem späteren Zeitpunkt fällt mir allerdings auf, dass der Sensor die Sportart nicht erkennt oder differenziert. Es steht immer «sonstige Indoor Sportart» in meinem Verlauf. Falls dich das stört, musst du die App nutzen und dort die Sportart auswählen.

Verbinde ich den Sensor einmalig über Bluetooth mit der Smartphone App, synchronisiert sie automatisch mit meinem hinterlegten Profil. Möchte ich keine App nutzen, stecke ich den Sensor im USB-Gehäuse an den Computer und die Daten werden automatisch in mein Polar-Profil gezogen.

Mit der App kann ich die Sportart vorab definieren.
Mit der App kann ich die Sportart vorab definieren.
Quelle: Michelle Brändle

Beim Brustgurt habe ich mehr Gefummel beim Anziehen und auch wenn ich ihn relativ eng anziehe, rutscht er mir ab und zu beim Springen und Rennen runter. Das liegt wohl daran, dass ich mit dem BH nicht viel Spielraum habe, ihn hochzuziehen und ziemlich darunter schwitze. Für manche Kraftübungen und die Yoga-Sessions finde ich ihn bei liegenden Übungen und Figuren störend. Der Sensor drückt mir dann vorne gegen die Brust.

Zum Starten der Aufzeichnungen muss ich mein Smartphone bereithalten. Dafür läuft die Aufzeichnung problemlos ab – auch wenn ich im Fitness in der hintersten Ecke weg vom Smartphone trainiere. Die gewünschten Sportarten suche ich in der App aus. Zudem kann ich in der App eine Assistentin einschalten, die mich über die Kopfhörer informiert, ob ich im Fitness- oder Fettverbrennungsbereich trainiere. Wenn ich im Fitnesscenter an den Ausdauergeräten trainiere, wird vom H10 der Puls direkt auf das Gerät übertragen und angezeigt. Das klappt mit dem Polar Verity Sense leider nicht.

Der HR10 liegt etwas ungünstig direkt unter dem Sport-BH.
Der HR10 liegt etwas ungünstig direkt unter dem Sport-BH.
Quelle: Michelle Brändle

Messungen

Bei den verschiedenen Sportarten habe ich beide Gurte getragen und Vor- und Nachteile in meinen Messergebnissen festgemacht.

Yoga war entgegen meiner Erwartungen die schwierigste Sportart für den Vergleich. Beide Gurte sitzen bei den langsamen Übungen zwar fest, es gibt aber extreme Hochs und Tiefs bei den Herzschlägen. Die Aufnahmen der beiden Gurte sind leicht versetzt, was sich aber nicht auf das Ergebnis auswirkt. Auch durch die vielen Peaks des Brustgurtes, die der Armgurt nicht gemessen hat, wird das Ergebnis nicht beeinflusst.

Die Differenzen machen also im Schnitt kaum einen Unterschied. Mein Pulsschlag liegt beim Armgurt bei 100 und beim Brustgurt bei 99 Schlägen pro Minute. Den höchsten Herzschlag hat der Brustgurt bei 140 gemessen und der Armgurt bei 137. Kilokalorien habe ich laut Verity Sense 234 verbrannt und laut H10 mit 207 sogar etwas weniger.

Beim Boxen war ich gespannt, ob die ruckartigen Bewegungen die Gurte verrutschen lassen und das Ergebnis verfälschen. Der Armgurt sass perfekt. Der Brustgurt hat sich manchmal etwas verschoben. Einmal ist er mir ganz heruntergerutscht. Die Peaks werden vom EKG am Brustgurt detaillierter dargestellt. Der optische Sensor am Arm hat offenbar etwas Mühe und bedient sich einem Mittelweg.

Interessant ist auch hier die Zusammenfassung. Mein Herz machte laut beiden Sensoren im Schnitt 159 Schläge in der Minute. Auch die Bereiche sind ähnlich. Beim Armgurt zwischen 72 und 196 Schläge und beim Brustgurt waren es zwischen 69 und 196 Schläge. Mit dem Armgurt habe ich 541 Kilokalorien verbrannt und mit dem Brustgurt 608. Mit zweiterem würde also noch ein grosser Cappuccino nach dem Training drin liegen.

Das Krafttraining zeigt ähnliche Probleme auf. Einen grossen Unterschied sehe ich nach Minute 10. Beim Brustgurt gibt es einen grossen Peak, der beim optischen Pulssensor fehlt. Ansonsten sind weitere kleinere Ausreisser zu sehen, gesamthaft decken sich die Linien aber gut.

Auch hier habe ich den gleichen Schnitt beim Herzschlag: 128 Schläge in der Minute. Optisch reicht der Puls von 83 bis 178 Schlägen und mit EKG von 82 bis 180. Mit 238 Kilokalorien beim Armgurt habe ich wiederum etwas weniger verbrannt als mit den 246 Kilokalorien des Brustgurtes – eine geringe Differenz.

Joggen beinhaltet als Ausdauertraining weniger extreme Hochs und Tiefs. Meine tiefen Punkte stammen hauptsächlich vom Warten an den vielen Ampeln in der Stadt. Ganz am Anfang sind noch ein paar Unterschiede zu erkennen, ansonsten decken sie sich sehr gut. Ein eher gleichmässiger Puls wird also von beiden Geräten gut gemessen. Auch hier ist der Mittelwert meiner Herzfrequenz bei beiden Sensoren gleich und die Kalorien liegen beim optischen Sensor wieder leicht unter dem EKG-Sensor.

Am Ende zählt der Durchschnitt – und Spass

Beim optischen Pulssensor ergeben sich öfters Durchschnittswerte, während das EKG Ausreisser besser erkennt. Im Schnitt und Endergebnis komme ich allerdings auf ähnliche Resultate.
Allerdings muss ich nicht punktgenau alles wissen. Mir reicht die Visualisierung von generellen Verbesserungen, wie lange meine Einheit war und wie intensiv das Training als Ganzes war. Dafür ist der Polar Verity Sense bestens geeignet.

Während ich zwar bei beiden keine Uhr benötige, muss ich beim Brustgurt auf jeden Fall ein Smartphone dabei haben, um die Messung zu starten. Die Batterielaufzeit ist beim H10 deutlich länger. Das Aufladen beim Verity Sense dauert knapp eine Stunde, für eine längere Trainingssession reichen auch 10 Minuten Laden aus.

Die Messungen sind bei beiden Gurten zuverlässig.
Die Messungen sind bei beiden Gurten zuverlässig.
Quelle: Michelle Brändle

Gesamthaft zählt für mich neben den Messwerten auch der Tragekomfort. Habe ich keine Lust, das Messgerät beim Sport zu tragen, ist alles umsonst. Da punktet der Polar Verity Sense, wie ich bereits zu Beginn gehofft hatte. Er ist schnell angezogen und sitzt bequem bei allen Sportarten. Der H10 stört mich bei der einen oder anderen Übung und ist mir bei schweisstreibenden Einheiten auch mal heruntergerutscht.

Preislich liegen die Geräte recht nahe beieinander. Den Polar Verity Sense erhältst du für 97.20 Franken oder 88 Euro und den H10 für 79 Franken oder Euro. Für genaue Messergebnisse bei extremen, langen Sporteinheiten ist der H10 dein Begleiter. Dann brauchst du noch ein Smartphone oder eine Watch und kannst loslegen. Für den Ausdauer- und Hobbysport ist der Polar Verity Sense bestens geeignet. Er ist bequem, sattelfest und kommt ohne jegliches Zubehör aus. Ich habe damit auf jeden Fall meine Freude beim Boxen und werde beim Yoga nicht in meinem Flow gestört.

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