Teilsohlenabriss bei Pattex – 1:0 für Uhu
Zusammenhalt ist wichtig. Nicht nur im Fussball. Auch für die zerbröselnden Sohlen meiner historischen Nike Tiempo 2002, an denen sich Uhu und Pattex duellieren durften.
Meine Fussballschuhe sind kaputt. Am Ende. Im Grunde ist mir das klar. Trotzdem unternehme ich Wiederbeklebungsversuche, als die Sohlen auseinanderfallen. Zwei Lederkleber sollen retten, was nicht zu retten ist – es hängt halt so viel Geschichte dran. Als ich meine Fussballschuhe gekauft habe, war George W. Bush Präsident der USA, Ronaldo (der echte!) schoss Brasilien zum WM-Titel und in Teilen der EU wurde eine neue Währung namens Euro eingeführt. Man könnte sagen: die Schuhe sind steinalt. Ich sage: gut eingelaufen. Sie haben gehalten, während Ronaldo nach der Karriere aus dem Leim ging und zuschauen musste, wie ein portugiesischer Adonis seinen Namen übernahm.
Meine Schuhe haben gehalten, während die Währungsunion vor der Zerreissprobe stand und Rettungspakete für den Euro geschnürt wurden. Doch dann, irgendwann im Jahr 2020, als sie ihren 18. Geburtstag feiern durften und ihnen die Welt offen stand, fing es an. Die Sohlen lösten sich, flapp, flapp, flapp, von vorne nach hinten ab. Ein Problem. Aber noch nicht das Ende. Obwohl ich weiss, dass nichts auf der Welt krasser klebt als eingetrockneter Milchreis, habe ich mich gegen Klebe-Globuli und für eine konventionelle Behandlung entschieden: Meine Rettungspakete kamen von Uhu und Pattex.
Die Kommentarspalte unter dem Artikel gleicht inzwischen einer Stadiontribüne. Mit skeptischen Beiträgen («Taugen beide nix!»), technischen Hinweisen («Der Trick ist das ganze gründlich anzuschleifen, dann hälts auch!») und Taktik-Experten, die alles über die Vierer- und andere Ketten wissen («PU besteht aus langkettigen Polymerketten, die durch den Einfluss von Feuchtigkeit allmählich aufgespalten werden.») Mit Traditionalisten («Die einzige anerkannte Methode, Fussballschuhe zu kleben, ist mit Panzerband!») und denen, die andere Stars ins Spiel bringen («Shoegoo, alles andere ist pillepalle!»)
Die Klebe-Stars aus der Kommentarspalte
Ein zähes Duell
Danke für die Tipps. Ich habe also noch ein paar Optionen, bevor ich zu Milchreis greife. Die Fachsimpelei ist in vollem Gange, doch manche fiebern auch einfach mit: «Lass uns bitte unbedingt wissen, wie es mit den Schuhen weiter geht. Das würde mich echt interessieren», schreibt Community-Mitglied dinacer. Hätte ich nicht gedacht, dass meine alten Treter noch Karriere machen. Aber: sehr gerne. Es geht zunächst gut weiter. Uhu und Pattex liefern sich ein zähes Duell. Lange Zeit neutralisieren sie sich auf hohem Niveau. Die Polymerketten agieren geschlossen, verschieben auch unter Druck nicht und machen die Mitte dicht. Wochenlang halten beide, was sie versprechen. Das ist abgezockt und ausgereift, aber so unspektakulär, dass sich mein Schuh-Groll vorübergehend auf andere Dinge richtet.
Dann aber erarbeitet sich Pattex langsam Feldvorteile. Zwar zeigen sich bei beiden Kontrahenten kleine Lücken, doch Uhu scheint auf den Aussenbahnen etwas früher den Zugriff zu verlieren. Die geklebten Ränder lösen sich. Ich muss eingreifen und nachlegen: Ein, zwei weitere Tropfen Uhu und Pattex helfen, dann machen Ethylacetat und Kolophonium die Räume wieder dicht. Zur Sicherheit leime ich bei beiden Schuhen nach, denn selbst ein kleiner Spalt wird auf dem Platz schnell zum grossen Problem. Deshalb lautet die Devise: Mehr Kleber für alle. Aus der Tube. Und auf YouTube.
Uhu holt auf
Dann verlebe ich wieder ein paar sorglose Wochen mit meinen Schuhen. Davon war nicht unbedingt auszugehen. Insgesamt läuft es überraschend gut für Uhu. Vor fünf Monaten ging der Altstar als Aussenseiter ins Duell. Er kam in den Kundenbewertungen nicht gut weg. Nun hält er mit und ist auch in der Gunst der Fans gestiegen: Er hat er sich in der Zwischenzeit einen vierten Stern erkämpft. So schnell kann das gehen. Es ist nun mindestens ein Duell auf Tubenhöhe.
Wurde Pattex verpfiffen?
Wie es aussieht, haben sich die Verhältnisse gedreht. Einen klaren Favoriten gibt es nicht mehr, und deshalb entscheidet am Ende wie so häufig eine Kleinigkeit über Sieg und Niederlage. Beide Schuhe halten. Beide Kontrahenten geben sich keine Blösse und warten geduldig auf den einen Fehler, auf die alles entscheidende Chance, die sich irgendwann bieten wird. Diese Chance kommt an einem Donnerstagabend im September.
Vermutlich ist es ein fieser Tritt, der Pattex zu Verhängnis wird. Ein Fuss auf der Ferse, ein verstecktes Foul, ich weiss es nicht. Vielleicht war es sogar mein Uhu-Fuss, der dem Kontrahenten grob unsportlich ins klebrige Bindegewebe gestiegen ist. Ein Videobeweis existiert leider nicht, doch so eine Verletzung entsteht kaum ohne Fremdeinwirkung: Pattex erleidet einen bösen Sohlenteilabriss und muss sich geschlagen geben.
1:0 für Uhu! Im Ergebnis eindeutig, aber das «Wie» wirft Fragen auf. Denn Pattex fällt nicht vorne an der Hauptklebestelle auseinander, sondern die Sohle löst sich vor allem hinten. Das sorgt für Gesprächsstoff.
Du ahnst es: Pattex will's nochmal wissen. Einmal werde ich die Schuhe noch kleben. Alles rausquetschen, was noch in der Tube ist, um dem Unterlegenen eine zweite Chance zu geben. Denn ich weiss nicht, ob Uhu den Sieg wirklich verdient hat. Beide spielen in derselben Liga und liefern gute Klebeleistung zwischen Kunststoff und Leder. Bei den schwierigen Voraussetzungen meines zerfledderten Fussballschuhs gehört definitiv auch etwas Glück dazu.
Und beim nächsten Mal als Vorbericht aufs Rückspiel: Wie ich diese zerfledderte Zunge mit Zahnpasta, Hubba Bubba und Epoxidharz unter Zuhilfenahme von Michelangelos Freskentechnik restauriere.
Sportwissenschaftler, Hochleistungspapi und Homeofficer im Dienste Ihrer Majestät der Schildkröte.