«Skull and Bones» angespielt: zwischen Piratenfest und Fleissarbeit
Kritik

«Skull and Bones» angespielt: zwischen Piratenfest und Fleissarbeit

«Skull and Bones» schwankt wie ein betrunkener Pirat zwischen Abenteuern in traumhaften Ferienlandschaften und monotonem Abarbeiten repetitiver Aufträge.

Nach über zehn Jahren und zahlreichen Verschiebungen ist das Piraten-Abenteuer «Skull and Bones» endlich da. Die turbulente Entwicklungszeit ist dem Spiel deutlich anzumerken. Schiffbruch erleidet das Spiel deswegen nicht. Aber dass es in vielerlei Hinsicht weniger Freiheiten bietet als «Assassin’s Creed Black Flag», spricht Bände. «Skull and Bones» war ursprünglich als Erweiterung für das sechste Meuchelmörder-Spiel gedacht, welches 2013 auf den Markt kam.

Nun hat sich daraus ein eigenständiges Spiel entwickelt, das Ubisoft zum Vollpreis anbietet. Die Begründung dafür liefert CEO Yves Guillemot gleich selbst: «Es ist ein sehr grosses Spiel, und wir glauben, dass die Leute wirklich sehen werden, wie umfangreich und vollständig das Spiel ist. Es ist ein wirklich vollwertiges, Tripple A... Quadrouple-A-Spiel, das auf lange Sicht überzeugen wird.» Wer derart grosse Töne spuckt, liefert besser ab. Denn so viel kann ich schon mal verraten. Nach rund 15 Stunden würde ich dem Spiel definitiv ein paar As abziehen.

Fast zehn Jahre war «Skull and Bones» in Entwicklung.
Fast zehn Jahre war «Skull and Bones» in Entwicklung.
Quelle: Screenshot: Philipp Rüegg

Lustig ist das Piratenleben

In «Skull and Bones» mausere ich mich vom Süsswasserpiraten zum gefürchteten Kapitän der sieben Weltmeere oder zumindest des Indischen Ozeans. Denn dort ist das Spiel angesiedelt. Nach einer gescheiterten Konfrontation mit der britischen Flotte wird mein Schiff versenkt und ich muss mich mit einer kümmerlichen Dau abfinden. Damit segele ich zuerst in einem kleinen Tutorial-Gewässer herum, bis mir schliesslich die ganze Karte offensteht. Die ist Ubisoft-typisch ziemlich gross und bietet von malerischen Buchten über die stürmische Hochsee alles, was das Piratenherz begehrt. Nur eine packende Story suche ich vergeblich.

Das kristallblaue Meer teile ich mit Händlern, Militärschiffen und anderen Freibeutern. Letztere sind meist menschliche Spielerinnen. Bis zu 20 Personen bevölkern einen Server. Ich kann mich spontan mit anderen zusammenschliessen oder alleine auf die Reise gehen.

Ich kann mich mit anderen Piraten zusammenschliessen.
Ich kann mich mit anderen Piraten zusammenschliessen.
Quelle: Screenshot: Ubisoft

Der Spielablauf in «Skull and Bones» besteht aus dem Erledigen von Missionen, Ressourcen sammeln und Crafting. Missionen gibt es an jeder Ecke. Innert kürzester Zeit ist mein Logbuch voller als die grölenden Piraten in der Hafenkneipe. Spielerisch sind die Missionen nicht sehr abwechslungsreich. Mal begleite ich einen verirrten Händler und schütze ihn vor feindlichen Schiffen. Mal muss ich bestimmte Ressourcen besorgen. Oder ich mache Jagd auf Piraten-Kapitäne. Alles läuft aufs Selbe hinaus: Segeln und Kämpfen.

Im Gegensatz zu «Sea of Thieves», in welchem ich vorzugsweise als Team ein Schiff steuere, ist die Steuerung in «Skull and Bones» äusserst simpel. Selbst grosse Schiffe sind fast so wendig wie Rennboote. Auf Knopfdruck hisse oder raffe ich die Segel. Geschossen wird wie in einem Ego-Shooter. Je nachdem, welche Kanonen ich ausrüste, schiessen sie weiter oder streuen mehr. Jede Kanonengruppe lädt separat nach, sodass ich am Bug bereits wieder feuern kann, während im Heck noch das Schwarzpulver nachgefüllt wird. Zusätzlich gibt es Musketen und Feuerbomben für den Nahkampf und Mörser für grosse Distanzen. Oder Raketenwerfer, die riesige Zerstörung anrichten, dafür langsam nachladen.

Zielen und Schiessen. Viel mehr gehört nicht zum Kampfsystem.
Zielen und Schiessen. Viel mehr gehört nicht zum Kampfsystem.
Quelle: Screenshot: Philipp Rüegg

Viel Taktik erfordern die Kämpfe nicht. Rote Stellen sind besonders empfindlich und das war’s dann schon mit der Komplexität. Es gibt weder ein detailliertes Schadensmodell, noch kann ich gezielt das Ruder beschädigen. Immerhin gibt es Kettenkugeln, um die Beweglichkeit zu beeinträchtigen. Und die Schiffe fliegen mit spektakulären Explosionen in die Luft. Das freut den Pyromanen in mir.

Weniger Freiheiten als in «Black Flag»

«Skull and Bones» ist ein sehr ansehnliches Spiel. Es kann zwar nicht mit Platzhirschen wie «Cyberpunk 2077» oder «Horizon Forbidden West» mithalten. Aber die Inselwelten des Indischen Ozeans sind stimmungsvoll gestaltet, überall gibt es gestrandete Schiffe zu bestaunen und das Wasser lädt zum Baden ein. Dumm nur, geht das nicht. Anders als in «Black Flag» ist meine Spielfigur Nichtschwimmer. Dabei habe ich extra eine mit Schwimmringen gestaltet. Wirklich eine Schande. Unterwasserwelten sind etwas vom Schönsten und ebenfalls etwas, das im 11 Jahre alten «Black Flag» existiert hat.

Wozu hat mein Pirat Schwimmringe, wenn er sie gar nicht braucht?
Wozu hat mein Pirat Schwimmringe, wenn er sie gar nicht braucht?
Quelle: Screenshot: Philipp Rüegg

Auch die Beine vertreten kann ich mir nur an bestimmten Aussenposten. Die Steuerung als Landratte ist dabei so grauenhaft schwammig, als wäre ich wirklich Monate auf hoher See gewesen. Es ist offensichtlich, dass dieses Feature erst spät im Entwicklungsprozess implementiert wurde. Auf meinem Schiff kann ich nicht herumlaufen. Nicht mal im Kampf, um zusammen mit meiner Mannschaft ein feindliches Schiff zu entern. Ich kann lediglich auf Knopfdruck das Enterkommando erteilen und wenn es klappt, sehe ich eine Animation, wie meine Mannschaft das Schiff heranzieht. Das war’s.

Das Piratenleben ruft, aber ganz leise

«Skull and Bones» ist ein Wechselbad der Gefühle. Ich mag das Herumkurven in tropischen Gewässern. Schiffsgefechte sind kurzweilig und immer warten neue Upgrades und Schiffe darauf, freigeschaltet zu werden. Die unzähligen Ressourcen kann ich an grösseren Häfen zu Baumaterial umwandeln und damit Kanonen, Panzerungen oder ganze Schiffe bauen lassen. Ressourcen gibt es bei Plünderungen von Schiffen und Siedlungen, durchs Aufsammeln von Treibgut oder beim Abbauen von Minen direkt vom Schiff aus. Dabei kommt ein kleines Minispiel zum Einsatz, bei dem ich im richtigen Moment eine Taste drücken muss.

Die meisten Ressourcen werden direkt vom Schiff gesammelt mittels kleiner Minispiele.
Die meisten Ressourcen werden direkt vom Schiff gesammelt mittels kleiner Minispiele.
Quelle: Screenshot: Philipp Rüegg

Beim Customizing bleiben kaum Wünsche offen. Vom Segel über die Mastdekoration bis hin zu den Kleidern der Besatzung kann ich alles anpassen. Mich selbst kann ich ebenfalls bunter schmücken als Jack Sparrow. Das meiste bezahle ich mit Silber, das ich beim Spielen verdiene. Einiges auch mit Gold, das mit Echtgeld gekauft werden muss. Bisher sind mir diese Liveservice-Elemente nicht negativ aufgefallen.

An Dekoration mangelt es nicht.
An Dekoration mangelt es nicht.
Quelle: Screenshot: Philipp Rüegg

Ermüdendes Menümanagement

Weniger berauschend sind die eigentlichen Missionen. Es gibt keine praktische Übersicht, damit ich im Blick habe, welche Ziele ich verfolge. Die zahlreichen Symbole auf der Karte verwirrend mehr, als sie der Orientierung dienen. Abwechslung bieten die Missionen kaum. Meistens geht es ums Sammeln oder Zerstören. Gelegentlich darf ich mit Schatzkarte bewaffnet einen Schatz suchen. Meiner Beutegier bläst aber ein steifer Wind entgegen, weil mein Frachtraum ständig aus allen Nähten platzt. Immerhin kann ich an einigen Häfen auf mein universelles Lagerhaus zugreifen und dort Ballast abwerfen. Dennoch verkommen viele Missionen zum Mikromanagement, welches Material wo und wann wohin muss. Selbst das Annehmen und Abliefern von Missionen ist teilweise verwirrend, weil im Menü neue und erledigte Missionen praktisch gleich aussehen.

Eine breite Auswahl an Kanonen wartet darauf, «Schiffe versenken» zu spielen.
Eine breite Auswahl an Kanonen wartet darauf, «Schiffe versenken» zu spielen.
Quelle: Screenshot: Ubisoft

Das Upgradesystem ist ebenfalls unnötig kompliziert. Bei Handwerkern kann ich Kanonen, Werkzeuge und Schiffe herstellen lassen. Das Angebot kann ich zwar anschauen, aber will ich etwas bauen lassen, brauche ich die entsprechende Blaupause. Den Ort, wo es sie zu kaufen gibt, kann ich mir anzeigen lassen – nur wozu? Wenn der Handwerker die Kanone im Sortiment hat, wieso braucht er dann von mir einen Bauplan? Ich dachte, ich habe mich als Pirat eingeschrieben und nicht für die Besorgung des Passierscheins A38.

Viel besser wird es auch nicht, wenn ich mit Freunden in See steche. «Skull and Bones» geht einen komplett anderen Weg als das kürzlich erschienene «Helldivers 2», das durch Koop erst richtig aufflammt. Müssen wir Ressourcen für eine Quest sammeln, machen wir das separat. Friendly Fire existiert nicht. Ich muss im Kampf keine Rücksicht auf meine Mitpiraten nehmen. Das geht ja noch. Ein Witz ist hingegen, dass ich andere Spielerinnen nicht angreifen kann. Ubisoft hat immerhin angedeutet, dass PvP nachgeliefert werden soll. Stand jetzt ist der Koop-Modus äusserst rudimentär. Aber Feinde in die Zange zu nehmen und sie mit vollen Breitseiten eindecken, macht schon Laune. Etwas mehr Fokus auf Teamplay wünsche ich mir dennoch.

Die Spielwelt lädt zum Entdecken ein, aber viel Tiefgang findet sich darin nicht.
Die Spielwelt lädt zum Entdecken ein, aber viel Tiefgang findet sich darin nicht.
Quelle: Screenshot: Ubisoft

Fazit: Da wäre mehr drin gelegen

«Skull and Bones» ist nicht der komplette Reinfall, wie es im Vorfeld den Eindruck machte. Der grosse Wurf, den sich Ubisoft erhofft haben wird, ist es aber genauso wenig. Dafür besitzt das Spiel zu wenig Tiefgang und die Missionen sind zu sehr auf dem Niveau eines Free-to-Play-Mobile-Games. Für ein 60 bis 70 Franken/Euro teures Tripple-A-, entschuldige, Quadruple-A-Spiel ist das schlicht zu wenig. Da erwarte ich mehr. Wobei, das stimmt nicht ganz: Nach dem harzigen Entwicklungsverlauf habe ich ziemlich genau dieses Spiel erwartet.

Ubisoft schifft den Kahn knapp an den Klippen vorbei. «Skull and Bones» macht durchaus Spass. Genau wie bei psychologisch perfektionierten Free-to-Play-Mobile-Games lösen die konstanten Upgrades, Levelaufstiege und Belohnungen kleine Endorphin-Schübe in mir aus. An Inhalt und Beschäftigungen mangelt es definitiv nicht. Die neuen Schiffe, grössere und bessere Kanonen motivieren mich zum Weiterspielen. Bereits spüre ich wieder das Verlangen, in See zu stechen, die Frage ist nur, wie lange noch? Aber ich bin nun mal ein Sucker für Piratenspiele mit Schiffskämpfen.

Die Inselwelt des Indischen Ozeans weckt Ferienstimmung und lädt zum Erkunden ein. Leider fühlt sie sich trotz anderer Mitspieler nicht sehr lebendig an. Das liegt auch daran, dass es kaum Interaktion mit anderen Piraten gibt. Mal sehen, ob das PvP-Upgrade Besserung bringt.

Wenn du Bock auf Schiffskämpfe und den typischen Upgrade-Loop hast, kann sich ein Blick auf «Skull and Bones» lohnen. Statt zu kaufen, empfehle ich aber, ein einmonatiges Ubisoft-Plus-Abo zu lösen oder auf eine Preissenkung zu warten. Alternativ kann ich «Sea of Thieves» empfehlen, das ja möglicherweise sogar bald für die PS5 erscheint.

«Skull and Bones» ist ab dem 16. Februar für PC, PS5 und Xbox Series erhältlich. Ich habe die PC-Version getestet, die mir Ubisoft zur Verfügung gestellt hat.

Ubisoft Skull and Bones (PS5, Multilingual)
Game

Ubisoft Skull and Bones

PS5, Multilingual

Ubisoft Skull and Bones (PC, Multilingual)
Game

Ubisoft Skull and Bones

PC, Multilingual

Ubisoft Skull and Bones Premium Edition (XBOX, Multilingual)
Game
EUR33,90

Ubisoft Skull and Bones Premium Edition

XBOX, Multilingual

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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