Kritik
«Twisters»: Endlich wieder ein mitreissender Katastrophenfilm
von Luca Fontana
Wer «Skeleton Crew» das Etikett von «Goonies im Weltall» aufdrückt, lügt nicht. Aber wer sagt, dass das was Schlechtes sein muss?
Eines vorweg: Die folgende Serienkritik basiert auf den ersten drei Folgen und enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist.
Jaja, Kinderserie haben sie spöttisch gesagt. In der Kommentarspalte des offiziellen Trailers lese ich sogar, dass Disney bloss sein eigenes «Goonies» im Weltall haben wollte, es deshalb schamlos kopiert, lieblos die «Star Wars»-Lizenz drüber geknallt habe und sich nun selbstgefällig auf die Schulter klopfe. So weit sei das Franchise schon gesunken.
Nun, was auch immer «Skeleton Crew» sein mag: «Lieblos» könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Denn die neue «Star Wars»-Serie ist eine gigantische, aufwändig produzierte Hommage an eine Zeit, in der wir selbst von grossen Abenteuern, riesigen Schätzen und einer Welt voller Wunder geträumt haben.
Wenn etwas die Vorstellungskraft des jungen Wim (Ravi Cabot-Conyers) beflügelt, dann die fantastischen Geschichten über die heldenhaften Jedi, Hüterinnen und Hüter des Friedens in der Galaxis – und die nobelsten aller Kriegerinnen und Krieger der Galaktischen Republik. Wäre Wims Leben doch nur genauso aufregend!
Schön wär’s. Wim lebt auf dem wohl langweiligsten Planeten, den es gibt: At Attin. Hier machen Kinder brav ihre Hausaufgaben, während die Erwachsenen den ganzen Tag einem administrativen Job nachgehen. Das grösste Abenteuer, das man hier erleben kann, ist zu spät zur Schule zu kommen. Zumindest, bis Wim ausgerechnet dieses Missgeschick zufällig auf ein altes, verlassenes Raumschiff stossen lässt.
Als Wim und seine Freunde Neel (Robert Timothy Smith), Fern (Ryan Kiera Armstrong) und KB (Kyriana Kratter) das Raumschiff erforschen, setzen sie es zufällig in Gang – und landen einen Hyperraumsprung später mitten im Nirgendwo des Weltalls. Nur gut, stehen ihnen schon bald neue Weggefährten zur Seite, die ihnen helfen, zurück nach Hause zu finden. Es sei denn, sie verfolgen in Wahrheit ganz andere Ziele …
Dass mir «Skeleton Crew» gefallen würde, wusste ich schon seit dem ersten Trailer. Der Grund? Das «Kids on Bikes»-Genre. Jep, den Begriff gibt's wirklich – kein Witz. Er beschreibt Filme und Serien, in denen Vorstadtkids in den 80ern auf Fahrrädern grosse Abenteuer erleben, oft mit übernatürlichen Begegnungen. Klassiker eben wie «Goonies», «Stranger Things» oder «E.T.».
Warum mich das Genre so fasziniert? Weil es mich direkt in meine Kindheit katapultiert – unbeschwert, einfach und voller Abenteuer und kindlicher Entdeckungsfreude. Genau diese Magie packt auch viele der talentiertesten Regisseure von heute.
John Watts und Chris Ford zum Beispiel, die kreativen Köpfe hinter «Skeleton Crew».
Die Idee zu «Goonies im Weltall» schwirrte Jon Watts wohl schon lange im Kopf herum. Wirklich zu Papier brachte er sie aber erst während der Dreharbeiten zu «Spider-Man: No Way Home», als er zusammen mit Jon Favreau Szenen drehte. Favreau, der im Marvel-Universum nicht nur als Tony Starks Bodyguard Happy Hogan vor der Kamera steht, ist auch der kreative Kopf hinter «The Mandalorian», der ersten Live-Action-Serie im «Star Wars»-Universum.
«Was soll ich für dich tun, ‹Skeleton Crew› produzieren?», fragte Favreau.
«Jep, Jon, genau das», antwortete Watts.
Watts holte darauf seinen Kindheitsfreund Chris Ford an Bord, Favreau niemand Geringeren als «Star Wars»-Mastermind Dave Filoni. Watts führte bei der ersten und letzten Folge gleich selbst Regie, während für die restlichen Episoden eine beeindruckende Regieriege verpflichtet wurde: Bryce Dallas Howard, die bereits eine der besten «The Mandalorian»-Folgen inszenierte, und David Lowery, bekannt für «The Green Knight». Dazu kamen die frischgekrönten Oscar-Gewinner Daniel Kwan und Daniel Scheinert («Everything Everywhere All at Once») sowie Lee Isaac Chung, gefeiert für «Minari» – und von mir für «Twisters».
Bei so viel geballtem Talent kann eigentlich nichts schiefgehen. Und «Skeleton Crew» beweist das eindrucksvoll.
So spielt «Skeleton Crew» zwar in einer weit, weit entfernten Galaxis und mindestens fünf Jahre nach «Star Wars: Episode VI – Return of the Jedi». Aber gerade das anfängliche Setting, At Attin, könnte kaum vorstädtischer sein. So, wie’s sich fürs «Kids on Bikes»-Genre gehört. Selbst die Fahrräder sind eine Mischung aus Retro-BMX und futuristischem Speeder. Das passe so gar nicht zu «Star Wars», habe ich schon hier und da gelesen, und erst recht nicht zur Star-Wars-typischen «verbrauchten Zukunft», wie George Lucas einst seinen Stil beschrieben hat.
Ich liebe ihn trotzdem, den irdischen 1980er-Jahre-Vibe. Vor allem, wenn sich das Abenteuer von der anfänglich monotonen Vorstadt auf fantastische, neue und fremde Planeten oder Raumstationen verschiebt. Wenn ich sehe, wie Wim und Co. Abenteuer erleben, erkenne ich mich und meine Freunde als Knirpse wieder. Ich sehe uns, wie wir mit unseren klapprigen Fahrrädern durch die Felder rasen, geheime Botschaften in Baumrinde ritzen und uns Geschichten erzählen, die wilder und fantastischer sind als jeder Film. Damals brauchten wir keine Handys, um miteinander verbunden zu sein. Stattdessen hatten wir unsere Träume und unsere Fantasie – genau wie Wim.
Und wenn die Abendsonne langsam hinter den Bäumen versank und die ersten Sterne am Himmel aufleuchteten, wussten wir, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen. Nicht ein digitaler Alarm oder ein WhatsApp unserer Eltern, sondern das sanfte Klicken der sich einschaltenden Strassenlaternen rief uns in die Zivilisation zurück. «Skeleton Crew» lässt mich diese Emotionen erneut erleben.
Hach …
Sicher: «Skeleton Crew» richtet sich klar an Fans des «Kids on Bikes»-Genres. Disney und Jon Watts machen auch keinen Hehl daraus, dass die Serie – unabhängig vom Alter der Zuschauenden – genau diese eine Zielgruppe ansprechen soll. Das wurde auch kürzlich in einem interessanten Roundtable-Gespräch mit den Macherinnen und Machern der Serie deutlich:
«Jeder Tag am Set war wie der grossartigste Tag der Welt, weil die Kinder von allem, was passierte, so begeistert waren. Das war der beste Moral-Booster», erklärt Jon Watts während des Roundtables. Das glaube ich ihm aufs Wort. Selbst ich spüre die naiv-charmante Entdeckungsfreude in jeder Szene. Mehr noch: «Skeleton Crew» erinnert mich stark an «Treasure Planet», einen der meistunterschätzten Zeichentrickfilme von Disney.
Erstens dreht sich in beiden Geschichten alles um einen grossen Schatz – für die einen rein metaphorisch, für die anderen äusserst real und physisch, vergraben auf einem längst vergessenen Planeten.
Zweitens spielen Piraten in beiden Geschichten eine grosse Rolle. «Aaarrr, Käpt'n!», grollt der von Nick Frost gesprochene Droide SM 33 immer wieder mit starkem West Country Akzent, bei dem jedes «R» ausgiebig gerollt wird. Mit gebückter Haltung und quietschenden Gelenken schlurft er in Richtung Kombüse, als ob ein Droide tatsächlich ein Holzbein haben könnte, während eine ausserirdische Ratte mit funkelnden Augen hinter seiner Augenklappe hervorlugt.
Und drittens liebe ich, wie «Skeleton Crew» und «Treasure Planet» klassische Piratengeschichten in ein modernes, futuristisches Gewand kleiden. Jon Watts erzählt im Video oben sogar, dass ihn alte Piratenfilme aus den 1920ern und 1930ern inspiriert haben. Etwa, wenn eine auf ledrigem Pergament gezeichnete Sternenkarte studiert wird, als ob es sich um eine alte Seefahrtskarte handelt.
Herrlich!
Stimmt, für «Star Wars» ist das ungewohnt. Aber gerade diese Mischung macht die Serie so frisch und unverbraucht.
Doch was mich besonders begeistert, sind die Sets und Kostüme von «Skeleton Crew». Manchmal fühle ich mich gar entfernt an Steven Spielbergs «Hook» erinnert. Besonders in der zweiten Folge, wenn die Kinder auf einer von Piraten bevölkerten Raumstation landen.
Die Kulisse dort ist riesig, das Set quirlig, voller exzentrischer Details und geradezu vor Gesindel und Verderbtheit strotzend. Dazu Kostüme und Requisiten, die die Szenerie perfekt abrunden: abgenutzt, schmutzig, aber voller Kreativität und Charakter. Es ist, als wäre die Piratenwelt für eine futuristische Welt neu erfunden worden.
Diese Vorliebe für grosse, handgemachte Kulissen, die mehr als blosse Hintergründe sind, zeichnete auch schon «Hook» aus. Etwa das schräge Piratendorf oder das bunte Versteck der verlorenen Jungs. In «Skeleton Crew» knüpfen die Sets genau daran an – mit einem einzigartigen Mix aus futuristischer Technik und klassischem Piraten-Flair. Dass die Produktion von «Skeleton Crew» auch darum viel kostete und die Serie zur drittteuersten des gesamten Franchises macht, überrascht mich kein bisschen.
Dazu passt Mick Giacchinos Musik, so voller Abenteuerlust und Aufregung. Der Sohn des legendären Michael Giacchino, der bereits den epischen Score zu «Rogue One»: A Star Wars Story» schrieb, liefert einen Soundtrack, der die Spannung und Magie von «Skeleton Crew» perfekt einfängt. Mal verspielt und verträumt. Mal bedrohlich und dramatisch, wenn’s die Handlung verlangt. Und natürlich stets inspiriert von den grossen Amblin-Filmen der 1980er, wie ein Bindeglied zwischen nostalgischer Abenteuerlust und der frischen, modernen Energie der Serie.
Ach, ich komme ja gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.
«Skeleton Crew» ist nicht nur ein Abenteuer, das Nostalgie mit frischem Wind verbindet. Oder eben «Goonies im Weltall»: Die Serie schafft es, klassische Elemente des «Kids on Bikes»-Genres wie Freundschaft, Abenteuerlust und eine Prise Chaos ins «Star Wars»-Universum zu übertragen. Dabei glänzt sie mit liebevollen Details, atemberaubenden Kulissen und einem Soundtrack, der gleichzeitig nach vorne treibt und das Herz berührt – danke, Mick Giacchino!
Jon Watts und sein Team haben damit nicht einfach eine weitere «Star Wars»-Serie geschaffen, sondern eine Hommage an die kindliche Fantasie, die uns alle verbindet. Für mich ist «Skeleton Crew» ein warmes, herzliches «Willkommen zurück» in eine weit, weit entfernte Galaxis, die immer noch unendlich viel zu bieten hat. Zumindest in den ersten drei Episoden, die ich vorab schon sehen durfte. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, wird mit einer Reise voller Abenteuer, Witz und Emotionen belohnt.
Versprochen.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»