Spider-Man: No Way Home – Grossartig, trotz (zu) vielen Charakteren
Kritik

Spider-Man: No Way Home – Grossartig, trotz (zu) vielen Charakteren

Luca Fontana
15-12-2021

Aller guten Dinge sind drei: In «Spider-Man: No Way Home» endet die Spider-Man-Trilogie, die im Marvel Cinematic Universe (MCU) spielt. Es ist ein Abschluss, der Fan-Herzen sowas von höher schlagen lässt.

Eines vorweg: In dieser Filmkritik liest du keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Zwei Jahre ist es her, seit Deadline die Bombe platzen liess: Spider-Man, no more. Zumindest nicht im MCU. Zu zerstritten sind die Filmstudios Marvel und Sony, die sich die Spider-Man-Filmrechte eigentlich teilen wollten.

Nicht nur ein Schock für die Fans, auch für Hauptdarsteller Tom Holland. Der damals 23-Jährige schnappte sich ein Telefon und bat direkt den Disney-Chef Bob Iger an den Hörer. Das habe Iger so sehr imponiert, dass er seine Studiobosse anwies, zurück zu Sony an den Verhandlungstisch zu kehren und eine Lösung zu finden. Zum Wohle Millionen trauriger Fans – und deren Portemonnaies.

Spider-Man blieb dem MCU erhalten. Vor allem, weil Sony sich einen noch grösseres Stück des Kuchens abschneiden durfte. Uns Fans kann’s egal sein. Schliesslich kriegen wir den Abschluss einer Trilogie, die 2017 mit einer kleinen «Homecoming»-Geschichte begonnen hat und jetzt mit einer drohenden multiversalen Katastrophe endet.

Darum geht’s

Die Katze ist aus dem Sack: Peter Parker (Tom Holland) ist Spider-Man – und alle Welt weiss es. Schlimmer noch: Sie hält ihn für den Schurken, der in London einen Anschlag verüben wollte. Ihn und nicht Mysterio (Jake Gyllenhaal), der eigentliche böse Drahtzieher.

Peters Leben ist seitdem die reinste Hölle. Darum wendet er sich an Doctor Strange (Benedict Cumberbatch). Der Plan: Ein Zauber soll die ganze Welt vergessen lassen, dass Peter Parker Spider-Man ist. Aber der Zauber geht schief. Das Multiversum bricht auf. Plötzlich werden Menschen von einem Mann mit metallenen Tentakeln angegriffen. Ein Verrückter in einem grünen Goblin-Anzug macht die Stadt unsicher. Und irgendwo materialisiert sich ein Mann aus reiner Elektrizität. Was zum Geier geht da vor sich?

Die auftauchenden Figuren sind Menschen aus anderen Realitäten. Schnell wird klar: Sie zurück dorthin zu befördern, wo sie hergekommen sind, ist das kleinste Problem.

Können die das wirklich?

Mehr kann ich nicht sagen, weil überall Spoiler lauern. Das droht meine Filmbesprechung zu einem wenig inspirierenden «der Film hat einen Anfang, Mitte und Schluss» verkommen zu lassen. Ich versuche es trotzdem.

Reden wir zuerst über Befürchtungen. Zum Beispiel, dass «No Way Home» mehr Fan-Service als Film werde. Das Konzept des Multiversums ist nämlich so spannend wie gefährlich: Alle Figuren können überall vorkommen. Das macht Marvels MCU zwar schon länger. Das Multiversum treibt’s aber auf die Spitze (nein, du hast in den Trailern noch lange nicht alle Figuren gesehen): Was, wenn Dr. Otto Octavius (Alfred Molina) aus Sam Raimis 2002er «Spider-Man» plötzlich als MCU-Gegner auftaucht? Marvel erspart sich so, einen neuen Charakter einführen zu müssen. Mehr Zeit für Action und Bombast. Nostalgie wirkt wie ein Kleber, der das ganze Gefüge zusammenhält. Aber vergisst man dann nicht, auch noch eine Geschichte zu erzählen?

Noch immer treibt der Tentakel-Doktor in «Spider-Man» sein Unwesen.
Noch immer treibt der Tentakel-Doktor in «Spider-Man» sein Unwesen.
Quelle: Sony Pictures

Tatsächlich strauchelt «No Way Home» hie und da. Am Anfang machen die alten neuen Figuren unheimlich viel Spass. Macht Fan-Service immer. Der ist wie eine Treuebelohnung für Comic-Nerds, die sich über jedes noch so kleine Comic-Detail freuen. Dann aber lege ich die Nerd-Brille ab und merke: Die vielen Charaktere aus vergangenen Filmen sind toll. Sie bremsen aber den Fluss der Geschichte. Gerade im Mittelteil. Weniger wäre mehr gewesen. Das hat Sonys «Spider-Man: Into the Spider-Verse» deutlich besser gemacht.

Ja, sie können!

Dennoch: «No Way Home» kriegt die Kurve. Zu gut die Action. Zu zündend der Humor, der nur selten den Marvel’schen Fehler macht, nicht zu wissen, wann er zugunsten eines ernsten Momentes aufhören muss. Und spätestens, wenn Doctor Strange in seinen Spiegel-Dimensionen die Gesetze des scheinbar Möglichen komplett ausser Kraft setzt, schlägt mein Fan-Herz Purzelbäume und rennt in trunkener Euphorie nackig über die Wiese.

Daneben ist Regisseur Jon Watts clever genug, der Versuchung zu widerstehen, zu sehr von der Hauptfigur seiner Geschichte abzulenken. Die ist und bleibt Peter Parker aka Spider-Man. Und Tom Holland spielt ihn richtig gut. Das liegt auch am Drehbuch, das Spider-Man gewaltige Probleme gibt. Probleme, die den Charakter testen, die ihn an den Abgrund führen. So ist es Parker, der die wichtigen Charaktermomente hat, der die bedeutenden Entwicklungen durchmacht.

Und der die Konsequenzen für sein Handeln tragen muss.

Ausser diese eine Sache

Gerade besagte Konsequenzen machen «No Way Home» in seiner Tonalität deutlich erwachsener als noch die beiden MCU-Spider-Man-Filme zuvor. Ich mag das. Gerade, weil da doch ein paar Risiken sind, die Marvel auf sich nimmt – um es so vage wie möglich auszudrücken. Sie geben der Geschichte die benötigte Gravitas, die Marvel-Filmen ab und an fehlt. Das Gefühl, dass nicht bloss gesagt wird, das Schicksal des Universums stehe auf dem Spiel, sondern dass ich das tatsächlich so empfinde.

Endlich prügelt die Welt mal wieder auf Spider-Man ein – so, wie sie’s in den Comics immer schon tat.
Endlich prügelt die Welt mal wieder auf Spider-Man ein – so, wie sie’s in den Comics immer schon tat.
Quelle: Sony Pictures

Auf der anderen Seite bleiben dafür Charakterdarsteller wie Alfred Molina, Willem Dafoe und… darf ich nicht sagen… etwas blass. Trotz digitaler und unfassbar beeindruckender Verjüngungskur. Da hast du Grössen im Film, für die andere Studios töten würden, und trotzdem sind die meisten bloss da, um das Publikum einmal fröhlich jubeln zu lassen. Ausser am Schluss. Am Schluss, da… Ach, da sind wir wieder, beim Thema Spoiler.

Etwas hat mich dann doch gestört. Die Musik. Oder besser: Ihre Zweitrangigkeit. Zu Zeiten Danny Elfmans in Sam Raimis «Spider-Man» und seiner Fortsetzung widmete ich der Filmmusik eine eigene Playlist. James Horners «The Amazing Spider-Man» knüpfte direkt an. Und Michael Giacchinos Musik zu «Homecoming» und «Far From Home» gehört meiner Meinung nach zum Besten, was das MCU musikalisch zu bieten hat.

Giacchinos Musik zu «No Way Home» fällt teilweise völlig flach. Sie will einfach nicht hängen bleiben. Dabei wären die Chancen riesig gewesen. Giacchino hätte in den eigenen, dem Elfman’schen und dem Horner’schen Fundus der vergangenen Filme greifen können. Ja, müssen! Tut er auch laut Abspann. Aber wirklich gehört habe ich das selten. Höchstens als kleine, kurze Andeutung. Sicher, für die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer fällt das weniger ins Gewicht. Für mich als Filmmusik-Afficionado, der 10 Sekunden Filmmusik hört und genau sagen kann, aus welchem Film, welcher Szene und wessen Feder sie stammt, stört sowas gewaltig.

Fazit: Ein wunderbar überfrachteter Abschluss

Was bleibt, ist ein Abschluss mit viel Fan-Service, der es vor allem im Mittelteil etwas gar gut meint. Wo ich aber Schlimmeres befürchtet habe, ist ein Spider-Man-Film rausgekommen, der sich zutraut, viel erwachsener zu sein als seine beiden Vorgänger. Und wenn dann… Mist, ich – darf – nicht – spoilern! Der Film hat also einen Anfang, Mitte und Schluss. Für mehr gehst du halt ins Kino. Am besten schnell.

Das Internet wird sich deutlich weniger zurückhalten als ich.


Zu sehen ist «Spider-Man: No Way Home» ab dem 15. Dezember im Kino. Laufzeit: 148 Minuten.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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