Hintergrund
Fünf Wochen bis zum Halbmarathon: Ich optimiere meine Ernährung
von Siri Schubert
Die Idee steht, aber was jetzt? In einem halben Jahr wollen wir, Oliver Fischer und Claudio Candinas, beim Greifenseelauf einen Halbmarathon schaffen. Um anzufangen, sollten wir wohl unsere körperlichen Voraussetzungen kennenlernen und melden uns für eine Fitness-, Leistungs- und Stoffwechselanalyse an.
Ich liege auf der Couch in meinem Homeoffice aka Gästezimmer aka Entertainment-Room. Unter meiner linken Wade eine Blackroll, mit der ich meine verkrampfte Wadenmuskulatur sanft zu entspannen versuche; am Boden ein Paar Krücken, das ich zu meinem Glück noch von einer viele Jahre zurückliegenden Knie-OP im Keller stehen hatte. Seit einigen Tagen humple ich im Zeitlupentempo und unter konstanten Schmerzen in beiden Waden durch die Wohnung. Den Krampf und die Überlastung habe ich mir hart erarbeitet. Ironischerweise bei einem Fitness-Check. Ich schaffs nicht vom Bürostuhl auf die Couch, nicht vom Barhocker zur Kaffeemaschine und nicht vom Klo zum Lavabo ohne Krücken. Und das, oh welch Ironie, während ich eigentlich anfangen will, mich auf einen Halbmarathon vorzubereiten.
Stopp, ich beginne gerade mitten in der Geschichte. Zurück auf Anfang:
Nein, Insta-Löwen-Motivationssprüche sparen wir uns. Aber «Machen ist wie wollen, nur krasser» soll als Ausnahme die Regel bestätigen und unser Motto sein. Darum haben wir, Claudio Candinas und ich, gemacht. Und zwar eine umfassende Fitness-, Leistungs- und Stoffwechselanalyse, um zum Auftakt unseres halbjährigen Halbmarathon-Projekts wenigstens zu wissen, wie unsere Körper so zusammengesetzt sind, wie wir Energie verbrennen und wie es um unsere muskuläre Basis steht.
Dafür haben wir die Dienste der Fachleute von Medathletik in Anspruch genommen.
Das einzige Mal während der ganzen Aktion, dass Profis uns zumindest ein paar Hinweise darauf geben, wie realistisch unser Plan ist und wo wir ansetzen könnten rsp. sollten. Wir bekommen von ihnen aber weder Ernährungs- noch Trainingspläne und werden sie auch erst ganz zum Schluss nochmal treffen, um zu testen, welche Veränderungen wir in den sechs Monaten geschafft haben.
Konkret haben wir gemacht:
Interessieren dich Leistungsdiagnostik und Ernährung im Zusammenhang mit Sport? Mehr und präzisere Informationen darüber findest du in zwei Artikeln von Siri Schubert, die letztes Jahr ausführlich darüber geschrieben hat:
First things first: Meine Identitätskarte ist eine Lügnerin und meine Waage ein Arschloch. Meine ID behauptet frech, ich sei 173 Zentimeter gross und jubelt mir damit zirka drei Zentimeter extra unter. Wieso das beim Passbüro so durchgewunken wurde? Keine Ahnung.
Übertroffen wird diese Dreistigkeit lediglich von meiner Waage, die mir die harte Realität ins Gesicht, respektive aufs Display klatscht: 82.9 Kilogramm und ein Körperfettanteil von rund 30 Prozent. Was für eine ehrliche, aber unglaublich beleidigende Ansage! Ich bestehe also zu knapp einem Drittel aus Fett. Ich bin quasi ein Mensch-gewordenes Pommes-Chips. Dass ich mit diesem Kampfgewicht einen Halbmarathon durchziehen kann, da hab’ ich so meine Zweifel. Pun intended.
Ich versuche meinen Frust nun aber in Motivation für unser Projekt «Greifensee» umzuwandeln und bin entsprechend gespannt, was meine Stoffwechsel- und Leistungsanalyse für Resultate liefert. Und siehe da, mein Körper bezieht seine Energie zu 47 Prozent aus Fett, also fast zur Hälfte. Klingt ja eigentlich toll, denn ich hätte da noch einiges an Vorräten abzugeben. Nur muss ich nun im richtigen Pulsbereich trainieren, um auch anständig Fett zu verbrennen. Optimalerweise wäre das bei 115 Schlägen pro Minute. Will heissen, dass ich gefühlt einfach mal etwas engagierter spazieren könnte, um anständig Fett zu verbrennen. Klingt irgendwie auch wieder wie eine Beleidigung.
Die Leistungstests bei Medathletik waren alles andere als ein Spaziergang. Ich habe mich gebückt, gestreckt, verrenkt und vor allem in Slowmotion verausgabt. Ja, die Übungen – vor allem jene für die Rumpfmuskulatur – hatten es in sich und ich spüre die Nachwirkungen auch noch drei Tage später. Will aber auch heissen, dass sich was tut in mir. Und das fühlt sich schon mal gut an.
Ich fuchse mich jetzt noch etwas tiefer in alle Resultate der Analysen und versuche, mir einen Trainings- und vor allem Ernährungsplan zusammenzustellen, der sich gut in meinen Alltag integrieren lässt und mir vor allem nicht nach zwei Wochen schon wieder zum Hals raus hängt. Denn wenn sich Oliver und ich etwas versprochen haben, dann, dass wir das gemeinsam durchziehen. Komme was wolle. Ich vermisse meine nächtlichen Ausflüge zum Kühlschrank jetzt schon.
Immerhin habe ich mir zur Motivation im Vorfeld bereits ein Geschenk in Form einer Apple Watch gemacht. Irgendwie muss ich ja meine Bewegung tracken. Und überdies bin ich einfach ein grosser Fan von Gadgets.
Ich bin knapp 1.77 Meter gross und 84 Kilogramm schwer. Mit einem BMI von 26.9 und einem Körperfettanteil von 27.7 Prozent trage ich definitiv ein paar Kilo Bauchfett zu viel mit mir rum – meint auch ziemlich lakonisch Dimi Evangelidis, von Medathletik, der mit uns die Tests macht. Es dürften aber auch für mein Empfinden drei bis vier Kilo weggebrannt werden. Sollte mit regelmässigem Ausdauersport doch eigentlich drin liegen, denke ich.
Bloss, offenbar sieht das mein Stoffwechsel derzeit noch ganz anders. Dessen Analyse ergab nämlich, dass mein Organismus seine Energie offenbar zu zwei Dritteln aus Kohlenhydraten bezieht, Fett macht nur knapp 20 Prozent der genutzten Energie aus. Na super, zuerst muss ich meiner Muskulatur also beibringen, überhaupt mal Energie aus den grosszügig vorhandenen Fettspeichern anzuzapfen.
Immerhin weiss ich dank der Resultate der Spiroergometrie, bei welchem Puls ich Velo fahren oder joggen muss, um die beste Chance auf effiziente Fettverbrennung zu haben. Praktischerweise liegt dieser Wert (142 bpm) auch in dem Range, in dem ich meine aerobe Grundlagenausdauer am effizientesten trainiere (134-150 bpm). Diese Grundlage muss ich, so viel habe ich verstanden, erstmal legen, um dann im September eine Chance zu haben, 21 Kilometer zu rennen.
Win-win also, klingt doch gut.
Theoretisch, denn wie eingangs schon geschrieben, kann ich von Joggen im Moment höchstens träumen. Ich schaffe es nicht mal, ohne Gehhilfe zwei Schritte durchs Homeoffice zu humpeln.
Und daran ist der dritte Test, der FMS, schuld. Oder besser: eine der Übungen. Einbeinig auf einem Stepper stehen und mit der Wadenmuskulatur den Körper hoch und runter drücken, so der Auftrag. Und zwar so lange, bis es nicht mehr geht. Ging lange, vor allem mit links. Ich glaube, das Schmerz-Ermüdungssignal meiner linken Wade ist einfach nicht sauber ins Hirn gelangt. Denn ich konnte die Muskeln offenbar derart massiv überbelasten, dass ich auch Tage später keinen geraden Schritt laufen kann.
Nun kennen wir also mal unsere jeweilige Basis, auf der wir die nächsten Monate aufbauen und Ende September dann 21.1 Kilometer um den Greifensee laufen werden. Abwechselnd werden wir nun alle zwei Wochen über die vergangenen Wochen schreiben und unseren Trainings- und Lernprozess dokumentieren. Nicht nur wenns ums Laufen geht, sondern auch ums Essen und unseren Alltag. In der Hoffnung am Ende dieser sechs Monate nicht nur genug gut vorbereitet zu sein, um einen Halbmarathon halbwegs souverän zu meistern, sondern vor allem unsere Sport- und Ernährungsgewohnheiten nachhaltig verbessert zu haben. Damit wir nicht im März 2025 gleich oder sogar schlechter dastehen als heute.
Stay tuned.
Das Projekt Halbmarathon und wie es dazu kam:
Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.