«Prince of Persia» ist wieder da – und wie!
Nach über zehn Jahren feiert «Prince of Persia» mit «The Lost Crown» ein Comeback als Metroidvania. Die Reaktionen nach dem ersten Trailer im Sommer fielen verhalten aus. Zu Unrecht, wie sich zeigt.
«Prince of Persia: The Lost Crown» ist das erste «Prince of Persia»-Spiel seit 2010 (ich klammere den Mobile-Titel «Escape 2» hier aus) und nicht das, was sich Fans wünschen. Protagonist ist nicht der Prinz, es ist keine Fortsetzung der beliebten «Sands of Time»-Reihe aus den Nullerjahren, und die Animationsfilm-Grafik will nicht ins Bild des persischen Prinzen passen, der in seiner Urversion für die realistische Grafik bestaunt wurde. Die Frage war daher nicht ob, sondern wie fest Ubisoft Montpellier «The Lost Crown» verhunzt.
Nach fast 30 Stunden Spielzeit ziehe ich die Krone. Es ist das beste Spiel im Metroidvania-Stil seit «Metroid Dread». Und das war mein Spiel des Jahres 2021.
Wenn der Prophet zum Berg geht
Die Prämisse von «The Lost Crown» ist schnell erzählt: Der Prinz von Persien wird entführt und zum Berg Quaf gebracht. Ich soll ihn aus den Fängen meiner durchgeknallten ehemaligen Mentorin Anahita befreien. Ich spiele als Sargon, ein Elitekämpfer, der gemeinsam mit seiner als «Die Unsterblichen» bekannten Truppe um und auf dem Berg nach dem Prinzen sucht.
Schnell wird klar, dass auf diesem Berg nichts ist, wie es scheint. Die Zeit spielt verrückt, Soldaten, Zombies, Tiere und Geister greifen uns an und unsere Kameraden drehen durch. Immer tiefer erkunde ich die Welt und zweifle selbst immer mehr an der eigenen Wahrnehmung.
Hilfreich ist, dass ich immer neue Kräfte vom mysteriösen Vogel Simurgh erhalte, der sein Nest auf dem Berg hat. Wobei ich mit jeder neu gewonnenen Kraft den Verstand weiter verliere. Zum Glück helfen mir die wenigen Kreaturen, die auf dem Berg Quaf leben. Darunter ein schrulliger Greis, eine wortkarge Schmiedin oder ein freches, ortskundiges Mädchen, das mit dem Verkauf von Karten und Tipps Geld verdient.
Weiter, immer weiter ...
Diese feil gebotenen Karten brauche ich auch dringend. Charakteristisch für Metroidvania-Spiele sind die grossen Levels, welche die Bühne bilden. Der Weg ist das Ziel, das Erkunden des Levels Hauptbestandteil des Spiels. Das funktioniert bei «The Lost Crown» unglaublich gut. Zwischen grünen Wäldern, feuchten Grotten und trockenen Wüsten bewege ich mich zunächst langsam und behäbig. Nach und nach schalte ich neue Kräfte frei, die mir mehr Mobilität verschaffen.
Plötzlich ist etwa die Klippe erreichbar, die zuvor noch hoch über uns thronte, oder ich kann den Lift rufen, der sich zuvor nicht bewegen liess. Das bedeutet auch, dass ich schon besuchte Orte später im Spiel noch einmal abklappern, weil sich neue Wege erschliessen. Ein Feature, das die Navigation in den Levels ungemein erleichtert, ist eine Art Fotoapparat. Ich kann einen Schnappschuss des aktuellen Standorts machen, der dann auf der Karte eingetragen wird. So sehe ich sofort, ob ich mit meinen neuen Kräften am alten Ort etwas bewirken kann. Genial!
In den Levels selbst liegen zwischen dem sicheren Boden und fragilen Plattformen spitzige Spiesse oder kantige Kristalle, die den sicheren Tod bedeuten. Das verlangt geschickte Fingergymnastik am Eingabegerät. Teilweise verlaufen diese Sequenzen nach dem Prinzip «Versuch und Irrtum». Was nicht weiter schlimm ist, da der Tod mich zwar Lebensenergie kostet, nicht aber das Ende des Spiels bedeutet. Sargon wird einfach an den Anfang der Sequenz befördert und ich darf es aufs Neue probieren.
Kämpfen wie Conor McGregor
Zwischen oder während dieser Sequenzen will mir gegnerisches Gesindel auf den Leib rücken. Wüstenschlangen, Waldgnome oder Wildvögel metzle ich mithilfe meiner Säbel, eines Pfeilbogens oder eines Frisbees, der hier Chakram heisst, nieder. Die Kämpfe gleichen einem tödlichen Tanz, bei dem ich gegnerische Angriffe antizipieren, ihnen ausweiche oder diese kontere, um mit voller Wucht zurückzuschlagen. Je geschickter ich dies tue, desto mehr Athra-Energie sammle ich. Diese lässt sich dann in verheerende Spezialangriffe umwandeln.
Besonders hilfreich sind solche Athra-Kräfte während der Boss-Kämpfe, die sich über den ganzen Berg verteilen. Das sind opulent inszenierte Auseinandersetzungen in mehreren Akten, angekündigt durch cartoonhafte Einspieler, die mir alles abverlangen. Stumpfes Draufhauen endet im sicheren Tod. Ich muss geschickt manövrieren, abwarten und im richtigen Moment zuschlagen, um die Oberhand zu behalten. Das Verinnerlichen der gegnerischen Angriffe kann in den höheren Schwierigkeitsgraden zur abendfüllenden Aufgabe werden. Umso grösser die Befriedigung, wenn ich dem Spektakel mit dem letzten Hieb ein Ende setze.
Wer schwer hätten Sie es gerne?
Apropos Schwierigkeitsgrad: Im Gegensatz zu anderen Metroidvania-Titeln lässt sich dieser bei «Prince of Persia» einerseits in Stufen zwischen Anfänger und Unsterblicher verstellen. Zusätzlich darf ich selbst eingreifen und den gegnerischen Schaden, die gegnerische Gesundheit oder den Umgebungsschaden so einstellen, wie es mir passt.
Leichter wird das Kämpfen auch durch das Aufrüsten unserer Waffen bei der Schmiedin oder durch das Umhängen von Amuletten, die meine Waffen verstärken, Schaden vermindern oder gar die Zeit nach erfolgreichen Paraden einfrieren. Allerdings habe ich nur eine beschränkte Anzahl an Plätzen an meiner Halskette, weshalb ich mich für ein paar wenige Amulette entscheiden muss.
Zusätzlich gibt es in den Optionen die Möglichkeit, auf der Karte das nächste Ziel anzeigen zu lassen, um schneller vorwärtszukommen. Diese Option entpuppte sich bei mir als trügerisch, da zwar das Ziel angezeigt wird, der Weg dorthin aber verborgen bleibt.
Sprachausgabe auf Persisch
Technisch beeindruckt das neue «Prince of Persia» auf ganzer Linie: Eine konstante Framerate von 144 FPS auf dem PC sorgt für butterweiches Gameplay. Auf PS5 und Xbox Series X sind bis zu 120 FPS möglich. Bugs hatte ich keine. Einzig festgesteckt bin ich einmal, ich bin aber nicht sicher, ob ich einfach den Ausweg nicht gefunden habe. Alles ist mit so viel Liebe zum Detail gestaltet, dass ich immer wieder ins Staunen komme.
So habe ich zum Beispiel erst im Abspann entdeckt, dass es sogar eine Sprachausgabe in Farsi, der persischen Sprache, gibt. Wie geil ist das denn bitteschön? Apropos Audio: Zu erwähnen ist der Soundtrack, der irgendwo zwischen Rockgitarre und Ethno-Jazz einzuordnen ist und von lauen Atmosphären bis zur progressiven Symphonie immer wieder überrascht, ohne je aufdringlich zu wirken.
Fazit: Der Prinz ist tot, lang lebe der Prinz!
Wer hätte das gedacht? «Prince of Persia» ist zurück und wie! Die Metroidvania-Kur hat dem in die Jahre gekommenen Infanten gutgetan. Das Rad wurde zwar nicht neu erfunden, dafür spielen die Entwickler von Ubisoft Montpellier die 2D-Klaviatur meisterlich. Eine Welt voller Geheimnisse, epische Bosskämpfe, knifflige Plattforming-Sequenzen und bezaubernde Animationen sorgen für die erste grosse Überraschung des Game-Jahres 2024.
Toll ist der Minimalismus. Das Erlebnis wird nicht durch hunderte neuer Waffen und Skills verwässert. Es gibt keine Mikrotransaktionen für bessere Waffen. Nie werde ich abgelenkt und konzentriere mich daher voll auf meine Aufgaben in der Spielwelt. Einzig der Hauptcharakter Sargon und die Story hätten meines Erachtens etwas mehr Tiefgang verdient. Dem Spielspass tut das keinen Abbruch.
«Prince of Persia» hat sich beinahe aus dem Nichts zum Thronanwärter für die Auszeichnung «Metroidvania des Jahres» gemacht.
Enchanté, eure Exzellenz!
«Prince of Persia: The Lost Crown» ist ab dem 18. Januar erhältlich für PC, PS5, PS4, Xbox Series X/S, Xbox One und Switch. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Ubisoft zur Verfügung gestellt.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.