Produkttest

Olympia-Schreibmaschine: Leider fast wie ein Drucker

David Lee
8-11-2022

Im Jahr 2022 verkaufen wir Schreibmaschinen. Ernsthaft. Ich habe eine ausprobiert und beantworte Fragen.

Ich hasse Drucker. Daher versuche ich, so viel wie möglich elektronisch abzuwickeln. Geht das nicht, drucke ich im Büro. Geht auch das nicht, schreibe ich von Hand. Doch da gibt es noch eine weitere, längst in Vergessenheit geratene Alternative: die Schreibmaschine!

Zum letzten Mal habe ich eine Schreibmaschine vor 25 Jahren benutzt. Es ist wieder mal Zeit. Zu meiner Verblüffung hat Digitec Galaxus gleich mehrere Modelle im Sortiment. Ich schleppe die Olympia Carrera de Luxe nach Hause, mit fünf Kilogramm ein Leichtgewicht unter den Schreibmaschinen.

Ist eine Schreibmaschine besser als ein Drucker oder ein Stift?

Nein. Mit der Schreibmaschine kann ich zwar schöner, regelmässiger und schneller schreiben als mit dem Stift. Sie kommt näher an einen Drucker heran. Das ist aber gleichzeitig das Problem: Ich hasse Drucker. Der Kugelschreiber hat gegenüber dem Drucker viele Vorteile, weil er das Gegenteil eines Druckers ist. Die Schreibmaschine hingegen ist lauter als die meisten Drucker, ähnlich gross, und kein Schmuckstück, auch wenn die geschwungenen Linien der Carrera mit viel Fantasie an einen Sportwagen erinnern. Die Schreibmaschine nervt zwar weniger als ein Drucker und ist zuverlässiger; aber wartungsfrei ist sie nicht. Ab und zu musst du das Farb- oder Korrekturband austauschen. Und da gibt’s, wie könnte es anders sein, verschiedene inkompatible Typen – das hier scheint für mein Modell zu passen.

DruckerKugelschreiberSchreibmaschine
lautsehr leisesehr laut
grosskleingross
hässlichunauffällig bis schönGeschmacksache
fehleranfälligunproblematischunproblematisch
wartungsintensivwartungsfreiwartungsarm
sehr nervignicht nervigein wenig nervig

Wie fühlt es sich an, mit einer Schreibmaschine zu schreiben?

Ich vertippe mich oft und merke es erst einige Zeichen später. Das ist mühsam. Trotzdem macht es Spass. Es ist ein wenig, wie mit Film zu fotografieren. Nicht so unverbindlich wie digital. Es passiert physisch etwas. Es wird Material verbraucht. Man hört und spürt das.

Läuft Crysis darauf?

Nein, aber Midlife-Crisis läuft darauf recht gut.

Hat das Gerät eine Löschtaste?

Ja! Es ist aber nicht die Zurück-Taste oben rechts, wie beim PC. Diese setzt nur die Schreibposition um ein Zeichen zurück. Die Löschtaste befindet sich rechts von der Leertaste. Sie funktioniert perfekt. Ich kann sogar die ganze Zeile löschen, wenn nötig.

Wie die Löschtaste bei einer elektrischen Schreibmaschine funktioniert und was die Unterschiede zu einer mechanischen Schreibmaschine sind, ist in diesem Video sehr gut erklärt.

Gibt es einen Dark Mode?

Nein, aber das macht nichts: Der weisse Hintergrund verbraucht keinen Strom. Er enthält auch kein Blaulicht, das meinen Schlafrhythmus durcheinander bringen könnte. Vor der Schreibmaschine schlafe ich ausgezeichnet.

Hat die Schreibmaschine eine mechanische Tastatur?

Es ist keine mechanische Schreibmaschine, aber sie hat eine mechanische Tastatur. Allerdings eine schreckliche. Bei der kleinsten Berührung klingt es laut und hohl, wie ganz dünner Kunststoff. Unserem Tastatur-Gourmet Kevin zeige ich das besser nicht, sonst bekommt er Albträume.

Ist die Maschine wirklich so laut?

Jup. Vom oben erwähnten Geräusch der Tastenkappen ist im Betrieb nichts mehr zu hören, weil das Rattern der Maschine alles übertönt. Das Geräusch erinnert mich an Maschinengewehrsalven. Ich stelle mir vor, wie ein griesgrämiger Wutbürger gehässige Leserbriefe darauf tippt.

Diesen Leserbrief habe ich übrigens nicht erfunden. Das hat mir jemand so geschrieben. Wenn auch nicht mit einer Schreibmaschine.

Ist die Schreibmaschine auf dem neuesten Stand der Technik?

Gemäss Bedienungsanleitung: ja.

Die erste Seite der Anleitung.
Die erste Seite der Anleitung.

Tatsächlich kann das Ding mehr als alte Schreibmaschinen: Automatisch unterstreichen, mit und ohne Leerzeichen, Fettdruck, verschiedene Zeilen- und Buchstabenabstände. Ich könnte sogar das Typenrad wechseln und somit einen anderen Font verwenden.

Anders als in der Bedienungsanleitung steht, hat das Gerät kein Display. Somit kann ich nicht vor dem Tippen korrigieren. Das ist nur bei der Ausführung Carrera de luxe MD der Fall.

Hat das Gerät USB-C?

Nein. Es hat überhaupt keine Schnittstellen.

Hat die Tastatur einen Zahlenblock? Wie gross ist der Bildschirm? Wie viele Pixel? Hertz? Wie lange reicht der Akku? Wie steht es um das Active Noise Cancelling?

Nein.

Wer braucht denn so etwas?

Für Leute wie mich, die keinen Drucker wollen, ist die Schreibmaschine keine gute Alternative. Denn eine Schreibmaschine hat mit einem Drucker so viel gemeinsam, dass manche von ihnen sogar als Drucker verwendet werden können. Was zwar im ersten Moment cool ist, aber keine praktikable Lösung.

Als Ersatz für einen Computer hingegen ist eine Schreibmaschine empfehlenswert. Perfekt für den Einsatz im Vorlesungssaal. Oder für alle, die keine Lust haben auf fehlerhafte Windows-Updates, Verbindungsprobleme oder eine Autokorrektur, die besser weiss als die Benutzerin, was geschrieben werden soll.

Eine weitere Zielgruppe bilden die Burnout-Gefährdeten. Ich stelle mir meinen Job mit einer Schreibmaschine weniger stressig vor als mit einem Computer. Entspannt würde ich meinen Artikel tippen und per Post – oder ganz modern per Fax – ins Büro senden, wo er von einem armen Jungspund oder einer bemitleidenswerten Praktikantin im System erfasst und publiziert werden müsste. An Teams-Meetings könnte ich ebenso wenig teilnehmen wie an Online-Diskussionen. Für weitere unwichtige Dinge – dazu gehören 99,9 Prozent aller Anliegen – wäre ich gar nicht erreichbar. Ein Traum.

Soll ich mir also diese Schreibmaschine kaufen?

Was soll diese Frage? Du bist wohl komplett übergeschnappt.

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