Produkttest

Noctua NH-P1 im Test: So geht passive Kühlung

Kevin Hofer
3-9-2021

Die passive Kühlung eines PCs erfordert viel technologisches Know-how. Mit dem NH-P1 wagt sich Noctua daran. Wie der Test zeigt, kann der Kühler in gewissen Einsatzgebieten überzeugen und erreicht auch ausserhalb seiner Komfortzone gute Resultate.

Was war ich an der Computex 2019 begeistert, als ich Noctuas passiven Kühler-Prototypen gesehen habe. Das Teil hat doch tatsächlich Intels damaliges Flaggschiff, den i9-9900K, relativ kühl gehalten.

Jetzt, 2021, ist es endlich soweit und der Noctua NH-P1 ist offiziell erhältlich. Der Kühlkörper hat seit seiner Vorstellung an der Computex einige Änderungen erfahren. Die Offensichtlichste: Statt 12 hat das definitive Produkt 13 Kühlfinnen.

Passive Kühlung

Wieso solltest du dein System passiv kühlen? Passive Kühlung ist definitiv nicht für alle. Willst du viel Leistung, ist der NH-P1 nichts für dich. Er kann nicht genug Wärme abführen für CPUs jenseits von 100 Watt. Das soll er auch nicht. Der Kühler ist für CPUs mit weniger als 100 Watt Leistungsaufnahme gedacht, die leise sein sollen, im Dauereinsatz sind oder in staubigen Umgebungen genutzt werden. Oder auch all das zusammen.

Im Gegensatz zu Kühlkörpern bei aktiver Kühlung, müssen passive Kühlkörper weiter auseinander liegende Kühlfinnen haben. Luft zirkuliert immer irgendwie – auch ohne Lüfter – und bei passiver Kühlung braucht sie mehr Raum, weil sie weniger effizient abgeführt wird. Zudem muss die Hitze passiv an die Umgebung abgegeben werden können und nicht an die nächstgelegene Kühlfinne.

Die Kälteplatte mit den sechs Wärmerohren, die zu den Kühlfinnen führen.
Die Kälteplatte mit den sechs Wärmerohren, die zu den Kühlfinnen führen.

Beim NH-P1 führen sechs 6 Millimeter dicke Wärmerohre die Hitze von der CPU über die Kälteplatte an die Kühlfinnen ab. Insgesamt ist der P1 von der Kälteplatte bis zu den Kühlfinnen rund 15 Zentimeter hoch und 16 Zentimeter breit. Die Höhe macht den Kühler für gewisse Gehäuse unbrauchbar. Noctua listet auf der Website jedoch kompatible Gehäuse auf.

Die 13 Kühlfinnen verfügen über Aussparungen, um Wärme effizienter abzuführen.
Die 13 Kühlfinnen verfügen über Aussparungen, um Wärme effizienter abzuführen.

Jede der 13 Kühlplatten des NH-P1 ist 1,5 Millimeter dick. Nebst den 33 rechteckigen Aussparungen, die auch der Hitzeabführung dienen, befinden sich sechs Löcher in den äussersten Platten. An diesen lässt sich optional ein Lüfter anbringen. Noctua empfiehlt den NF-A12x25 LS-PWM. Dabei handelt es sich um eine spezielle Version des NF-A12x25, die weniger schnell dreht und deshalb auch mit maximaler Drehzahl kaum hörbar ist. Der Lüfter kann entweder oben montiert werden, sodass er Luft gegen die CPU bläst oder seitlich. Dies jedoch nicht auf der üblichen Seite: Normalerweise werden CPU-Lüfter so montiert, dass sie Luft von vorne im Gehäuse nach hinten durch den Kühlkörper blasen. Beim P1 sind sie von vorne gesehen auf oder unter dem Kühlkörper.

Von vorne gesehen ist der oben platzierte Lüfter vorne.
Von vorne gesehen ist der oben platzierte Lüfter vorne.
Von vorne gesehen ist der seitlich platzierte Lüfter oben.
Von vorne gesehen ist der seitlich platzierte Lüfter oben.

Je nach Gehäuse und Komponenten lässt sich der Lüfter nur in einer Position montieren – nämlich seitlich, von vorne gesehen oben. Aber auch das kann problematisch sein, wie bei meinem Testgehäuse.

Der Einbau

Ich teste den P1 auf meinem AMD-Testsystem. Üblicherweise sind da folgende Komponenten drauf:

ASUS ROG Crosshair VIII Formula (AM4, AMD X570, ATX)
Mainboard

ASUS ROG Crosshair VIII Formula

AM4, AMD X570, ATX

Corsair Dominator Platinum RGB (2 x 8GB, 3200 MHz, DDR4-RAM, DIMM)
RAM
EUR101,66

Corsair Dominator Platinum RGB

2 x 8GB, 3200 MHz, DDR4-RAM, DIMM

Corsair MP600 (1000 GB, M.2 2280)
SSD

Corsair MP600

1000 GB, M.2 2280

AMD Ryzen 9 3900X (AM4, 3.80 GHz, 12 -Core)
Prozessor
EUR249,–

AMD Ryzen 9 3900X

AM4, 3.80 GHz, 12 -Core

Da der NH-P1 aber nicht für CPUs wie die Ryzen 3900X mit ihren 105 W TDP gemacht ist, montiere ich für den Test die Ryzen 5600G mit 65 W TDP auf das Mainboard. Die Lüftersteuerung lasse ich im BIOS auf Standard. Auch sonst ist dort alles auf Standard. Bis auf die Aktivierung des XMP-Profils. Selbstverständlich lasse ich es mir nicht nehmen, dennoch einen Test mit dem 3900X durchzuführen.

AMD Ryzen 5 5600G (AM4, 3.90 GHz, 6 -Core)
Prozessor
EUR151,86

AMD Ryzen 5 5600G

AM4, 3.90 GHz, 6 -Core

Das System verbaue ich im Torrent von Fractal. Das Review zum Gehäuse folgt demnächst. Da es derzeit aufgrund eines fehlerhaften Fan-Hubs nicht bestellbar ist, habe ich den Artikel vorerst auf Eis gelegt. Aber nur so viel: Das Gehäuse ist echt geil!

Fractal Torrent RGB Black TG Light (ATX, E-ATX, mATX, ITX, SSI EEB, SSI CEB)
PC Gehäuse
−21%
EUR225,77 statt EUR287,51

Fractal Torrent RGB Black TG Light

ATX, E-ATX, mATX, ITX, SSI EEB, SSI CEB

Den NH-P1 zu montieren, funktioniert ähnlich wie bei anderen Noctua-Lüftern. Bei meinem AMD-System verwende ich die Standard-Backplate und montiere die Halterung darauf. Bei Intel-Systemen liefert Noctua alles Nötige gleich mit. Danach muss ich nur noch den P1 mit der Halterung verschrauben und schon ist der Kühlkörper einsatzbereit.

Der P1 lässt sich in zwei Richtungen montieren: Entweder zeigen die Wärmerohre gegen das RAM oder gegen die I/O-Abdeckung. In meinem Fall ist nur die Montage in Richtung I/O-Abdeckung möglich. Mein RAM ist zu hoch, als dass die Kühlfinnen darüber Platz hätten. Du hast rund 4 Zentimeter Platz unterhalb der Finnen.

Nachdem ich das Testsystem verbaut habe, kann ich schauen, wo ich den optionalen Lüfter anbringen könnte. Wie erwähnt kann ich diesen gegen unten Richtung CPU blasen lassen oder von den Seiten. Entscheide ich mich für die erste Variante, wird der Kühler höher. Ich brauche also gegen das Seiten-Panel mehr Platz. Im Torrent reicht dieser knapp. Wenn ich das Seiten-Panel anbringe, hat es jedoch nur noch wenige Millimeter Raum zwischen dem Lüfter und dem Panel. Der Lüfter wird also etwas vom Panel bedeckt und kann deshalb nicht so effizient Luft anziehen.

Bei der Lüfterplatzierung oben, ist es gegen das Seiten-Panel sehr eng.
Bei der Lüfterplatzierung oben, ist es gegen das Seiten-Panel sehr eng.

Will ich den Lüfter an der Seite anbringen, geht das von vorne gesehen nur oben. Unten ist die Grafikkarte im Weg. Beim Torrent habe ich aber den speziellen Fall, dass das Netzteil oben angebracht wird. Oberhalb des Lüfters befindet sich auch jener des Netzteils. Die zwei Lüfter konkurrieren also um Luft, einer zieht sie gegen oben, der andere gegen unten. Von den zwei möglichen Lüfter-Platzierungen im Torrent sind also beide nicht optimal. Ich teste nebst dem passiven Betrieb aber dennoch beide.

Bei der Lüfterplatzierung seitlich kämpft der CPU-Lüfter mit dem Netzteil-Lüfter um Luft.
Bei der Lüfterplatzierung seitlich kämpft der CPU-Lüfter mit dem Netzteil-Lüfter um Luft.

Die Tests

Für den Test lasse ich den Stresstest AIDA64 für die CPU, RAM und die SSD sowie den GPU-Benchmark FurMark während zwanzig Minuten gleichzeitig laufen. Die Temperaturen überwache ich mit HWiNFO64.

Ich teste die Kühlleistung des NH-P1 gesamthaft in sechs Konfigurationen:

  1. Ganz passiv ohne CPU- und Gehäuse-Lüfter
  2. Passiv ohne CPU-, mit Gehäuse-Lüfter
  3. Aktiv mit CPU-Lüfter oben und Gehäuse-Lüfter
  4. Aktiv mit CPU-Lüfter seitlich und Gehäuse-Lüfter
  5. Aktiv mit CPU-Lüfter oben, ohne Gehäuse-Lüfter
  6. Aktiv mit CPU-Lüfter seitlich, ohne Gehäuse-Lüfter

Hier die Resultate meiner Messungen, die Zahlen entsprechen den oben aufgezählten Konfigurationen:

Hier die Grafik in gross.

Falls du die genauen Zahlen einsehen willst, findest du sie in dieser Tabelle:

Zeit123456
00:00:0066,952,653,343,461,260
00:02:0081,672,472,565,178,377,5
00:04:0086,17374,167,580,679,9
00:06:0089,173,874,968,983,781,9
00:08:0090,573,974,868,884,383,4
00:10:0093,174,575,67084,885,3
00:12:0094,974,575,17085,184,5
00:14:009574,175,371,185,684
00:16:0095,173,974,669,685,984
00:18:0095,674,17570,186,183,5
00:20:0095,97475,170,486,484,1

Wie zu erwarten, erreicht die CPU mit der komplett passiven Konfiguration die höchste Temperatur. Nach zwanzig Minuten läuft sie am thermischen Limit. Erstaunlich ist dennoch, dass die CPU während der Testdauer durchschnittlich mit 4,1 GHz taktet. Im besten Fall, der Konfiguration mit Gehäuse-Lüftern und CPU-Lüfter seitlich, taktet die CPU durchschnittlich nur 200 MHz schneller. Die Drosselung der Ryzen 5600G hält sich also in Grenzen. Und wenn ich bedenke, dass die CPU erst nach zwölf Minuten an das thermische Limit gelangt, ist das genial. Ohnehin ist das Ergebnis gut: Die CPU wurde in meinem Review, in dem es in einem Mini-ITX-Gehäuse aktiv gekühlt wurde, maximal knapp 80 Grad Celsius warm. Der Test dort lief aber nur zehn Minuten. Und nach zehn Minuten passiver Kühlung mit dem P1 hatte ich nur 13 Grad Celsius mehr.

Erstaunlich ist ebenfalls, dass der CPU-Lüfter wenig bringt. Im Test-Setup im Torrent platziere ich den Lüfter am besten seitlich, also von vorne gesehen oben. So bringt er im Vergleich zur Positionierung oben, also von vorne gesehen vorne – kompliziert, ich weiss – vier Grad Celsius weniger auf der CPU. Das liegt wohl daran, dass der Lüfter im Torrent zu nahe am Seitenpanel liegt und deshalb nicht effizient genug Luft anziehen kann. In dieser Konfiguration ist die CPU-Kühlung gar ineffizienter als nur mit den Gehäuse-Lüftern.

Mit CPU-Lüfter, ohne Gehäuse-Lüfter, bringe ich die Temperatur rund 10 Grad Celsius tiefer als komplett passiv. Die Gehäuse-Lüfter alleine, ohne CPU-Lüfter, bringen mit 20 Grad Celsius weniger als passiv viel mehr. Zugegebenermassen hat das Torrent auch viele davon: Zwei 180-Millimeter- und drei 140-Millimeter-Lüfter sind im Gehäuse verbaut. Ein Case wie das Torrent scheint mir denn auch der optimale Partner für den P1, wenn es nicht ganz lüfterlos sein soll. Im Normalfall wird die CPU nie so ausgelastet wie bei meinem Test. Ich würde deshalb die Gehäuse-Lüfter auf eine sehr niedrige Drehzahl einstellen und so damit arbeiten. Damit würde sich der Lärmpegel in Grenzen halten. Auf der niedrigsten Drehzahl messe ich beim Torrent aus 30 Zentimeter Entfernung 29 dB, das ist flüsterleise. Diese Kombination ist in meinen Augen sinnvoller, als einen Lüfter auf einen passiven Kühler zu packen. So profitieren nämlich auch die übrigen Komponenten wie Grafikkarte, RAM, SSD und Co. vom Luftzug.

Der CPU-Lüfter mag in einem Server-PC seine Berechtigung haben, in welchem die CPU nur in Ausnahmefällen unter starke Last gerät. Sozusagen als Notnagel: Du stellst ihn so ein, dass er sich erst ab einer gewissen Temperatur einschaltet.

Was ist mit 105 W?

Da ich die Grenzen der Technologie gerne auslote, habe ich auch den Ryzen 9 3900X mit einer TDP von 105 Watt unter den P1 gepackt. Ich habe die zwei extremen Tests, ganz passiv und mit Gehäuse- sowie CPU-Lüfter in seitlicher Positionierung, mit diesem Prozessor durchgeführt. Der P1 ist in der passiven Konfiguration chancenlos, macht seine Aufgabe mit Lüftern aber dennoch erstaunlich gut.

Hier die Grafik in gross.

Bei der passiven Konfiguration gerät der Ryzen 9 3900X bereits nach Kurzem an sein thermisches Limit von 95 Grad Celsius. Die CPU taktet darum auch nur mit durchschnittlich 3,5 GHz. Bei der aktiven Konfiguration ist die Temperatur zwar hoch, bleibt mit maximal knapp 89 Grad Celsius innerhalb des thermischen Limits. Die CPU taktet denn auch durchschnittlich mit 4,0 GHz. Die Lüfter dröhnen so aber mit über 48 dB. Das ist alles andere als leise und genau auf diesen Betrieb ist der P1 nicht ausgelegt. Dennoch krass zu sehen, wozu der Kühler in der Lage ist.

Fazit: Der Kühler für ein passives System

Beim NH-P1 musst du deine Erwartungen an die Kühlleistung zurückschrauben. Ein passiver Lüfter ist eben auf das passive Kühlen einer CPU ausgelegt. Da kannst du keine Wunder erwarten, denn das Teil ist den Gesetzen der Thermodynamik unterworfen. Passiv zu kühlen ist schlicht ineffizient. Und eine CPU mit über 100 Watt Leistung damit zu kühlen, bleibt ein Wunsch.

Der NH-P1 ist aber in dieser Ineffizienz äusserst effizient. Im Test beweist er, dass er einen Ryzen 5 5600G komplett passiv während 12 Minuten innerhalb des thermischen Limits halten kann. Das ist in meinen Augen ein geniales Ergebnis.

Der P1 ist nicht für alle. Für ein Gaming-System ist er nicht geeignet. Sein Einsatzzweck dürfte dort sein, wo es flüsterleise sein muss, wo ein System auf Dauereinsatz ausgelegt sein soll oder es sehr staubig ist. Hinzu kommt, dass der passive Kühler mit 116 Franken (Stand: 2. September 2021) einen stolzen Preis hat. In seiner Nische hat der NH-P1 aber definitiv seine Existenzberechtigung und erledigt dort seinen Job exzellent.

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