

Kernseife kostet fast nichts und kann fast alles

Es gibt kaum einen Fleck, der nicht vor günstiger Kernseife kapituliert. Der altmodische Klotz ersetzt ein halbes Putzregal – und ist auch sonst sehr nützlich.
Kernseife. Allein der Begriff scheint aus der Zeit gefallen. Verdrängt von bunt verpackten und massiv beworbenen Wundermitteln aus den Laboren von Procter & Gamble, Henkel oder Unilever. Für jede Lösung wird ein neues Problem erfunden, bis der Putzschrank überquillt. Gewaschen wird mit Giga- oder Megapearls, an die Hände kommt nur duftender Schaum und in der Dusche stehen reihenweise Gels.
Erfolgreiche Gehirnwäsche
Mir zumindest ist der grobe Klotz namens Kernseife als Erwachsener aus dem Gedächtnis geflutscht. Oder anders formuliert: Die Gehirnwäsche der Werbung hat gewirkt. Wir wurden zur Generation Flüssigseife erzogen. Dabei kam in meiner Kindheit Kernseife immer dann zum Einsatz, wenn es für «normale» Handseife mit ihren Duft-, Farb- und Pflegestoffen zu schmutzig oder speziell wurde.
Sie half bei dreckstarrenden Händen ebenso wie bei geschundenen Füssen oder Grasflecken. Und natürlich tut sie das immer noch. Es geht nur vergessen. Auch weil feste Seife längst ein Revival als hochpreisiges Lifestyle-Produkt feiert. Da wird reingemischt, was sonst noch alles angesagt ist. Kaffee und Whiskey zum Beispiel.

Brauchen wir das? Natürlich nicht. Kaufen wir das? Natürlich! Jede und jeder die Produkte, mit denen sie oder er sich am wohlsten fühlt. Doch wenn es nicht um ein Lebensgefühl, sondern um die Funktion geht, bleibt Kernseife unschlagbar. Höchste Zeit, das Scheinwerferlicht auf dieses blasse Original und seine Qualitäten zu richten.
1. Flecken entfernen
Bei mir im Schrank gibt es Pülverchen und Flüssigwaschmittel für Ketchup, Kuli, Rasen, Rost, Kaffee und womöglich auch sieben verschiedene Kuchensorten. So genau weiss ich das nicht. Denn ich schiebe sie in der Regel alle beiseite und greife nach der Kernseife, wenn ich die Fett- und Schmutzflecken auf den Kleidern meiner Kinder bekämpfen will.
Ich habe regelrecht Gefallen daran gefunden, die Flecken kurz mit dem groben Klotz einzureiben und mit einer weichen Bürste zu bearbeiten. Bei Matsch- und Grasflecken stelle ich zufrieden fest, wie sich das Wasser langsam dunkel färbt. Das Resultat kann sich sehen lassen und die Seife verschwindet in der Waschmaschine spurlos, auch wenn ich farbige Teile damit bearbeitet habe. Bislang wurde ich nie enttäuscht.

In einem schwachen Moment habe ich mir trotzdem noch die Fleckenseife von bluu gekauft, weil ich die Waschstreifen der Marke verwende. Die erledigt den Job zwar auch, aber nicht besser. Nur teurer und «mit Seifenkraut aus den Alpen».
Als es die bluu-Fleckenseife noch nicht gab, lautete der Rat der bluu-Gründer im Interview: «Für hartnäckige Flecken empfehlen wir, diese vor der Wäsche mit Kernseife einzureiben, dann lösen sie sich.» Na also.

2. Fussbäder
Kernseife ist hart und löst sich im Wasser nur langsam auf. Ich erinnere mich daran, dass manche Stücke ewig im warmen Wasser liegen konnten, bis dieses langsam seifig wurde. Denn eines habe ich früher oft und dann sehr lange nicht mehr gemacht: Das klassische Fussbad mit Kernseife. Es tötet Keime und wirkt entzündungshemmend, wenn zum Beispiel das Nagelbett betroffen ist. Dazu löst die Seife Hornhaut und hilft, wenn Splitter oder Hühneraugen entfernt werden müssen.
Neu war mir, dass sie auch als Hausmittel gegen Wadenkrämpfe und das Restless-Legs-Syndrom gilt. Dafür gibt es zwar keine wissenschaftliche Erklärung, aber der eine oder die andere berichtet auch bei Galaxus in den Kommentaren, dass es hilft, die Seife mit ins Bett zu nehmen. Mir geht das einen Schritt zu weit.

3. Reisewasch- und Spülmittel
Hier gehe ich dafür wieder gerne mit: Auf Reisen ist Kernseife eine gute Option. Bislang hatte ich immer Flüssigwaschmittel für unterwegs dabei. Das werde ich mir künftig sparen. Es ist wieder nur eine Tube mehr im Schrank, die ich selten brauche.
Was mit einzelnen Flecken funktioniert, klappt schliesslich auch mit ganzen Wäschestücken: Kernseife macht sauber. Selbst Geschirr bekommt damit sein Fett weg. Mit Wasser und zusätzlich etwas Natron erledigt die Seife ihren Job auch bei Tellern und Pfannen, ohne Schlieren zu hinterlassen. Kernseife ist übrigens auch als Natronseife bekannt. Und Natron als pulvriges Wundermittel im Haushalt, das ich bevorzugt als Geruchskiller in Schuhe streue.
4. Flüssigseife herstellen
Dafür bin ich zu faul, aber der Gedanke gefällt mir: Einfach mal was selber machen. Flüssigseife zum Beispiel. Bei aller Kernseifenliebe – die flüssige Variante bevorzuge ich zum Händewaschen dann doch. Neben geraspelter Seife braucht es eigentlich nur noch heisses Wasser, um diese darin aufzulösen. Da Kernseife die Haut austrocknet, kannst du das zum Beispiel mit etwas Kokosöl ausgleichen. Wer mag, fügt Duftöl hinzu. DIY fürs gute Gefühl.
5. Holz bearbeiten
Zu den Kernkompetenzen der Kernseife gehört mehr, als ich anfangs dachte: «Genial auch das Schmieren antiker Schubladenmöbel», schreibt ein Community-Mitglied als Rezension.
Was mich überrascht, scheint unter Holzfachleuten eine gängige Methode zu sein, damit Schubfächer wieder ordentlich gleiten. Auch auf Oberflächen kann sie Wachs oder Öl ersetzen. Diese «skandinavische Methode» hellt das Holz auf. Es wirkt anschliessend nicht seifig, sondern seidig.

6. Pinsel reinigen
Noch ein Thema, von dem ich keine Ahnung habe: Bei Make-up-Pinseln setzt meine Kollegin Natalie Hemengül ebenfalls auf Kernseife, um sie zu reinigen. Auch bei Farben, die an die Wand statt ins Gesicht geschmiert werden, kann das Hausmittel eine gute Lösung sein.
7. Zähne putzen
Den Mund mit Seife auswaschen? Diese Redewendung hat für mich einen unangenehmen Beigeschmack. Doch es gibt tatsächlich Leute, die auch bei der Zahnhygiene auf Kernseife setzen. Die Zahnbürste mit etwas Wasser über die Seife reiben und anschliessend tun, was getan werden muss. Angeblich schmeckt sie mild und reinigt sanft.
Mir egal. Spätestens hier bin ich raus. Und trotzdem fasziniert, wie vielseitig der unscheinbare Klotz ist. Kernseife pflegt vielleicht nicht das Ego. Ansonsten kann sie fast alles.


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.