Im Alter verlierst du Muskeln – aber nur wenn du nichts dagegen tust
23-2-2024
Mit jeder Sekunde altern wir. Während du das liest, bist du bereits 5 Sekunden älter geworden. Mit zunehmendem Alter verlieren wir unweigerlich an Kraft und Muskelmasse. Aber ist wirklich der Alterungsprozess an dieser Abnahme schuld?
Ab der 5. Lebensdekade verlieren wir an Muskelmasse [1] und nehmen rund um den Bauch an Fettgewebe zu [2]. Dies ist sehr nachteilig für unsere Gesundheit, da dies zu Sarkopenie, dem altersassoziierten Muskelschwund, Gebrechlichkeit, Stürzen und metabolisch verursachten Krankheiten führen kann.
Ist es aber wirklich nur das Alter, das uns an Kraft und Muskelmasse verlieren lässt? Verlieren auch Personen, die ihr Leben lang Sport machen an Kraft und Muskelmasse und falls ja wieviel? Wie ändert sich deren Körperzusammensetzung im Verlaufe der Zeit? Das sind Fragen, denen sich ein Forschungsteam in Finnland und China annahm [3]. Sie untersuchten junge (20 – 39 Jahre, n = 109) und alte (70 – 89 Jahre, n = 147) männliche Wettkampf-Athleten und 147 gesunde gleichaltrige Kontrollpersonen (jung = 53, älter = 94 Männer).
Sie teilten die Athleten in unterschiedliche Gruppen ein, die drei unterschiedlichen trainierte Disziplinen entsprachen. Eine Kraftgruppe, die aus Gewichthebern und Powerliftern bestand, eine Sprintgruppe, in die die Sprinter und Weitspringer eingeteilt wurden, und eine Ausdauersportgruppe, bestehend aus Langstreckenläufern und Skilangläufern. Die Körperzusammensetzung wurde mittels dualer Röntgenabsorptiometrie (engl. dual x-ray absorptiometry, DXA) gemessen. Dabei mass das Wissenschaftsteam die fettfreie Masse aller Gliedmassen und kombinierte diese. Weiter wurden die Messungen gegen die klinisch etablierten Grenzwerte für niedrige Muskelmasse, Fettleibigkeit und Sarkopenie-Fettleibigkeit verglichen, um damit das Auftreten in jeder Gruppe zu analysieren.
Regelmässiger Sport schützt die Muskelmasse
Die DXA-Messergebnisse zeigten folgendes: Junge Kraftsportler weisen in Armen und Beinen signifikant mehr Muskelmasse auf als Gleichaltrige in der Kontrollgruppe (P < 0.001). Dies trifft auch auf den Vergleich von jungen Sprintathleten mit ihren gleichaltrigen Kollegen in der Kontrollgruppe zu (P < 0.001). Bei jungen Ausdauerathleten unterschied sich die Muskelmasse im Vergleich zu den Gleichaltrigen in der Kontrollgruppe nicht. Junge Sprintathleten wiesen ebenfalls mehr Muskelmasse auf als junge Ausdauerathleten (P < 0.001).
In älteren Personen zeigte sich, dass auch ältere Sprintathleten mehr Muskelmasse aufwiesen als die Gleichaltrigen in der Kontrollgruppe (P < 0.001). Im Gegensatz zu jungen Ausdauerathleten haben ältere Ausdauerathleten jedoch signifikant mehr Muskelmasse im Vergleich mit ihren Alterskollegen in der Kontrollgruppe (P < 0.05). Ältere Kraftsportler besassen deutlich mehr Muskelmasse im Vergleich sowohl mit ihren Altersgenossen in der Kontrollgruppe (P < 0.001), als auch im Vergleich mit gleichaltrigen Ausdauerathleten (P < 0.05). Zwischen älteren Sprintathleten und Kraftsportler bestand kein signifikanter Unterschied an Muskelmasse (P > 0.05).
Die Personen, bei denen die Muskelmasse in den Extremitäten unter dem Grenzwert von 20 kg [4] lagen, stammten hauptsächlich aus dem Teil der älteren Kontrollgruppe und machten 16% aus. In den Athletengruppen waren nur zwei ältere Ausdauerathleten (3%) und ein Kraftsportler (2%) unterhalb dieses Grenzwertes.
Fettmasse
Sprint- und Ausdauerathleten wiesen weniger Fettmasse im Vergleich zu ihren Kontrollgruppen auf (P < 0.001). Dies unabhängig vom Alter. Ebenfalls hatten diese Athleten eine geringere Fettmasse im Vergleich zur Kraftgruppe (P < 0.001). Gemäss der Amerikanischen Gesellschaft der Ärzte für Bariatrie [5], liegt der Grenzwert für Fettleibigkeit bei einem Fettanteil von > 25%. 19 Personen aus der jungen und 68 Personen aus der älteren Kontrollgruppe überschritten diesen Wert. Bei den Kraftsportlern waren es lediglich 7 in der jungen Altersgruppe und 24 in der älteren Altersgruppe. Bei den Sprint- und Ausdauerathleten waren es eine Person in der jungen und 3 in der älteren Altersgruppe.
Sarkopenische Fettleibigkeit
Von der Gesamtheit der jungen Gruppen wies nur eine einzige Person – aus der Kontrollgruppe – weniger als 20 kg Muskelmasse und mehr als 25% Fettmasse auf. In der älteren Gruppe war dies bei 2 Ausdauerathleten, einem Kraftsportler und 18 Kontrollpersonen der Fall.
Kraftsportler haben im Gegensatz zu Ausdauersportlern und der Kontrollgruppe mehr Muskelmasse, während die Fettmasse im Vergleich zur Kontrollgruppe bei den Kraftsportlern nicht signifikant unterschiedlich war (P > 0.05). Ausdauer- und Sprintathleten hatten jedoch eine geringere Fettmasse als die Kontrollgruppe (P < 0.05). In der älteren Kontrollgruppe war das Vorkommen von geringer Muskelmasse, die den Grenzwert unterschreitet, Fettleibigkeit und sarkopenische Fettleibigkeit am höchsten.
Nicht das Alter ist schuld
Eine weitere Studie einer internationalen Forschungsgruppe hat die Zusammensetzung der Muskulatur bei Sprintathleten untersucht [6]. Dabei haben sie Muskelbiopsien im Jahr 2002 mit Muskelbiopsien derselben Sprinter 10 Jahre später verglichen. Im Jahr 2002 betrug die durchschnittliche Trainingszeit pro Woche 6.8 ± 3.1 h und sank leicht auf 4.4 ± 2.4 h 10 Jahre später. Das Alter hatte auch einen Einfluss auf die 60-m Sprintzeit, welche 2012 knappe 12% höher war. Zwar führte das Alter zu etwa 1 cm Verlust an Körpergrösse, aber die Muskulatur zeigte keine signifikanten Veränderungen. Es wurde keine Muskelatrophie festgestellt. Dies obschon sich die durchschnittliche Trainingszeit verringerte.
Sport und/oder Krafttraining schützt und erhält die Muskulatur. Es ist also nicht das Alter, per se, sondern die mit dem Alter verbundene Trägheit und Inaktivität, die hauptsächlich zum Verlust an Muskelmasse und Kraft beitragen. Es lohnt sich also, der Muskulatur Sorge zu tragen. Sie ist es, die dich mit deiner Umwelt interagieren lässt und dich die Dinge tun lässt, die du liebst. Sei es Joggen, Kraftsport, Skifahren, Klettern, Mountainbiken, etc.
Ich nenne dies Zeitspanne in Anlehnung an die Gesundheitsspanne, die Performancespanne. Es ist die Zeit, die man aktiv mit denjenigen Tätigkeiten verbringen kann, die man liebt. Hierzu ist es wichtig, dass Sport und vor allem Krafttraining zum Alltag gehören, wie das Zähneputzen. Es ist nie zu spät damit anzufangen und es ist nie verkehrt, Zeit in etwas zu investieren, das sich mit zunehmendem Alter auszahlt.
Referenzen
- Mitchell WK, Williams J, Atherton P, Larvin M, Lund J, Narici M. Sarcopenia, dynapenia, and the impact of advancing age on human skeletal muscle size and strength; a quantitative review. Front Physiol. Frontiers; 2012;3 JUL: 260. doi:10.3389/FPHYS.2012.00260/BIBTEX
- Tchkonia T, Morbeck DE, Von Zglinicki T, Van Deursen J, Lustgarten J, Scrable H, et al. Fat tissue, aging, and cellular senescence. Aging Cell. John Wiley & Sons, Ltd; 2010;9: 667–684. doi:10.1111/J.1474-9726.2010.00608.X
- Walker S, von Bonsdorff M, Cheng S, Häkkinen K, Bondarev D, Heinonen A, et al. Body composition in male lifelong trained strength, sprint and endurance athletes and healthy age-matched controls. Front Sport Act Living. Frontiers; 2023;5: 1295906. doi:10.3389/FSPOR.2023.1295906
- Cruz-Jentoft AJ, Bahat G, Bauer J, Boirie Y, Bruyère O, Cederholm T, et al. Sarcopenia: Revised European consensus on definition and diagnosis [Internet]. Age and Ageing. Oxford University Press; 2019. pp. 16–31. doi:10.1093/ageing/afy169
- Shah NR, Braverman ER. Measuring Adiposity in Patients: The Utility of Body Mass Index (BMI), Percent Body Fat, and Leptin. PLoS One. Public Library of Science; 2012;7: e33308. doi:10.1371/JOURNAL.PONE.0033308
- Messa GAM, Korhonen MT, Degens H. No ageing-related increase in fibre type grouping in sprint-trained masters runners: A 10-year follow-up study. J Cachexia Sarcopenia Muscle. Springer Nature; 2024; doi:10.1002/JCSM.13416
Titelbild: shutterstock
Claudio Viecelli
Biologe
Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.