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Streik in Hollywood: Autorinnen und Autoren legen per sofort die Arbeit nieder
von Luca Fontana
Die Screen Actors Guild legt ihre Arbeit nieder. Damit schliesst sie sich der Drehbuch-Autorenschaft an. Das hat nicht nur für Hollywoods Studios schwerwiegende Konsequenzen, sondern für die gesamte Film- und Serienindustrie.
Im Mai haben bereits Autoren und Autorinnen der Writers Guild of America (WGA) ihre Arbeit niedergelegt. Jetzt streiken auch noch die Schauspielerinnen und Schauspieler. Dies, nachdem wochenlange Verhandlungen mit der Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) zu keiner Einigung über verbesserte Arbeitskonditionen führen konnten. Das verkündet die Screen Actors Guild (SAG) auf ihrer offiziellen Homepage.
Damit tritt ein, was Hollywood seit 1960 nicht mehr gesehen hat: ein Doppelstreik der SAG und der WGA. Der Super-Gau. Aber für welche Partei?
Im Kernpunkt der Verhandlungen steht das explodierende Wachstum der Streaming-Dienste. Denn Vergütungspakete, die fürs lineare Fernsehen entworfen wurden, greifen im Streaming-Zeitalter nicht mehr. Die Gewerkschaften fordern darum eine Überarbeitung des Gesamtarbeitsvertrags, insbesondere der Tantiemen-Verordnung.
Ein Beispiel: Wenn Filme oder Serien im linearen Fernsehen wiederholt werden, bekommen Schauspielerinnen und Autoren eine sogenannte Restgage dafür. Diese Einnahmen verschwinden in Zeiten des Streamings zunehmend. Wie die Vergütung beim Streamen derselben Inhalte aussieht, wurde indes nie klar geregelt, weil Netflix und Co. bei der letzten Überarbeitung des Arbeitsvertrags noch in den Kinderschuhen steckten.
Eine andere wichtige Forderung betrifft den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI): Während die Autorenschaft fürchtet, dass diese ihre Schreibarbeit übernimmt, haben Schauspielende Angst um ihr digitales Abbild. Bereits heute werden mittels KI Gesichter von Stars digital kopiert oder verjüngt und teilweise sogar auf Körpern von anderen Menschen gesetzt. Mit der rasanten Entwicklung von Deep Fakes, Sprachgeneratoren und anderen KI-Werkzeugen fürchtet die SAG, dass ihre Mitglieder komplett ersetzt werden. Sie fordert darum eine adäquate Regulierung und eine faire Entschädigung, wenn Film- und Serienproduktionen das digitale Abbild ihrer Stars verwenden.
Die Auswirkungen des Doppelstreiks der SAG und der WGA sind enorm. Manche reden von Milliarden-Verlusten für die gesamte Industrie. Denn bisher wurden wegen des Arbeitsstopps der Writers Guild bereits mehrere kommende Film- und Serienprojekte auf unbestimmte Zeit verschoben. Mit dem Streik der Schauspielerinnen und Schauspieler kommen jetzt auch aktuell laufende Produktionen zum Stillstand.
Und nicht nur.
Der Streik bedeutet nämlich nicht bloss keine Schauspielerei, kein Gesang und keine Stunts. Er bedeutet auch keine Interviews zur Vermarktung von Filmen. Keine Nachdrehs. Keine Neuaufnahme von Dialogen, die bereits im Kasten sind. Keine Synchronisationen für Animationsfilme und -Serien. Kein Performance- und Motion-Capturing. Kein Steuern von Puppen und Animatronics. Und auch keine Auftritte an Conventions wie etwa an der nächsten Comic-Con 2023 in Las Vegas. Daher verliess der gesamte Cast rund um Cillian Murphy und Matt Damon prompt die «Oppenheimer»-Premiere, als der Streik gestern offiziell ausgerufen wurde.
Hollywood steht vorerst still.
Auf beiden Seiten des Verhandlungstisches will man sich bis zuletzt um eine Einigung bemüht haben. Am 30. Juni, als der Gesamtarbeitsvertrag der SAG auslief, entschieden sich die Parteien für eine 12-tägige Fristverlängerung, um einen Streik zu verhindern. Nachdem die Frist in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ohne Einigung verstrichen war, kündigte die SAG den Streik an und machte ihn am frühen Donnerstagabend offiziell.
«Nach mehr als vier Wochen Verhandlungen ist die Alliance of Motion Picture and Television Producers nach wie vor nicht bereit, eine faire Einigung anzubieten», schreibt Gewerkschaftspräsidentin und «The Nanny»-Schauspielerin Fran Drescher in einem offiziellen Statement. Sie nennt die Vorschläge der AMPTP «beleidigend» und «respektlos». Die AMPTP vertritt grosse Studios wie Amazon, Disney, NBC Universal, Netflix, Paramount, Sony und Warner Bros. Diese hätten sich schlichtweg geweigert, sich sinnvoll einzubringen und in gutem Glauben zu verhandeln.
In einer eigenen Erklärung teilte die AMPTP mit, sie sei «zutiefst enttäuscht» über den Ausgang der Verhandlungen. «Dies ist die Entscheidung der Gewerkschaft, nicht unsere. Damit hat sie unser Angebot historischer Gehalts- und Restgagen-Erhöhungen, wesentlich höherer Obergrenzen für Renten- und Krankenversicherungsbeiträge [...] und einen bahnbrechenden KI-Vorschlag, der die digitalen Abbilder der Schauspielenden schützt, abgelehnt», heisst es in der Erklärung weiter. Die Gilde hätte nun ganz Hollywood auf einen Kurs gebracht, welche Tausende in eine finanzielle Not bringen würde, die für ihren Lebensunterhalt auf die Branche angewiesen sind.
Welche Seite zuerst nachgibt, ist schwer vorauszusagen. Zwar beschweren sich Hollywood-Studios schon jetzt über Umsatzeinbrüche. Sicher ist allerdings auch, dass die Kassen der Gewerkschaften die Erwerbsausfälle ihrer Mitglieder nicht unendlich lang decken können. Kommt hinzu, dass Hollywoods Studio-Bosse durchaus gewillt sind, den Doppelstreik stoisch auszusitzen – selbst wenn er sich noch über Monate hinziehen sollte.
Das zumindest sagte ein Studio-Insider gegenüber dem verlässlichen Branchenmagazin Deadline. «Ich glaube, wir haben einen langen Streik vor uns, und sie werden die Streikenden einfach ausbluten lassen», so die Quelle. Eine andere bestätigte: «Das Ziel ist es, die Verhandlungen so lange hinauszuzögern, bis die Gewerkschaftsmitglieder ihre Wohnungen und Häuser verlieren. Ein grausames, aber notwendiges Übel.»
Offenbar haben Hollywoods Studio-Bosse nicht vor, die Gespräche vor Ende Oktober aus eigenem Antrieb wieder aufzunehmen. Das sollen auch weitere Quellen aus Studio- und Streamingdienst-Nähe gegenüber Deadline bestätigt haben. Die Zermürbungstaktik sei nach dem 100-tägigen Autorinnen- und Autorenstreik im Jahr 2007 von langer Hand für den Fall geplant worden, dass es wieder zu einem ähnlichen Streik kommen würde. Zuvor hatte man bereits die ansonsten geschlossene Front zwischen der SAG, der WGA und der DGA – der Directors Guild of America – erfolgreich aufgespalten.
Gut möglich, dass der Druck auf Drehbuchautoren und Schauspielerinnen letztlich zu gross wird. Nicht nur, weil Zuschauerinnen und Zuschauer neue Filme im Kino und neue Staffeln ihrer Lieblingsserien auf Netflix und Co. sehen wollen. Sondern auch, weil die gesamte Unterhaltungsindustrie von Hollywood abhängt. CGI-Künstlerinnen und Szenenbildner zum Beispiel. Oder auch Make-up-Künstlerinnen, Tontechnikerinnen, Assistenten und Kulissenbauer. Selbst Starbucks-Angestellte, die innerhalb der Studios Kaffee verkaufen, bangen um ihre finanzielle Sicherheit. Genauso wie die von der Pandemie noch immer ausgebeuteten Kinobetreiber mitsamt Belegschaft. Der Rattenschwanz ist riesig.
Die SAG hat indes nichts als Durchhalteparolen zu bieten. So schreibt sie in ihrem Statement: «Unsere neunzigjährige Geschichte ist ein Beweis dafür, was durch unsere Überzeugung und Einigkeit erreicht werden kann. Für die Zukunft unseres Berufsstandes stehen wir zusammen.»
Ob das für den Sieg reicht?
Titelbild: Keystone-SDA / Etienne LaurentAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»