
Hintergrund
«Inzoi» angespielt: Das Sims auf Steroiden weckt Hoffnung in mir
von Michelle Brändle
Ich habe in «Hollywood Animal» ein Filmstudio übernommen – und gelernt, wie brutal und bitter Hollywood sein kann.
Willkommen in Los Angeles im Jahr 1929. Der Stummfilm stirbt, der Tonfilm erhebt sich – und ich befinde mich mittendrin. Während die Welt in die große Depression taumelt, baue ich mir im Schatten der Hollywood Hills mein eigenes Filmimperium auf. Klingt romantisch? Weit gefehlt. «Hollywood Animal», das neue Spiel im Early-Access von Weappy Studio (bekannt durch «This is the Police») entpuppt sich schnell als düstere Abrechnung mit der Traumfabrik – irgendwo zwischen Strategie- und Aufbauspiel, Narrativ-Simulation und moralischem Drahtseilakt.
Bereits in den ersten Spielstunden wird klar: In «Hollywood Animal» geht es nicht um Visionen, sondern um das nackte Überleben. Ich übernehme ein zuvor pleitegegangenes Filmstudio mit einem halbfertigen Film, ein paar alten Gebäuden und einem kleinen Team, das eher auf Hoffnung als auf Kompetenz baut.
Doch das Spiel gibt mir keine Zeit für Sentimentalitäten. Wer bestehen will, muss funktionieren. Es gilt zu entscheiden, ob ich mich dem Strom anpasse oder dagegen schwimme. Und das in einer Industrie, die ebenso kreativ wie korrupt ist. Dieses Konzept funktioniert am Anfang des Spiels ziemlich gut.
Im Kern ist «Hollywood Animal» ein klassisches Aufbauspiel mit einer Prise Tycoon-Flair. Auf einer stilisierten isometrischen Karte, die mein Studiogelände zeigt, beginnt alles mit wenigen Gebäuden: Verwaltung, Instandhaltung, Vertrieb und der Postproduktion. Nach und nach erweitere ich mein Gelände, errichte Drehbuchabteilung, Requisitenlager, Tonstudios und Technikzentren.
Das Bausystem ist modular aufgebaut und wirkt zunächst vertraut: Ich platziere Gebäude frei innerhalb definierter Einflusszonen, die Abdeckungsbereiche markieren, logistische Abhängigkeiten abbilden und räumliche Planung erfordern. Es gibt keine klassischen Produktionsketten oder Wegesysteme – die Funktionalität eines Gebäudes beginnt ab dem Moment der Fertigstellung des Baus.
Während der Produktionsphasen sorgt «Hollywood Animal» immer wieder für kleinere und größere narrative Eskalationen: Persönliche Krisen, politische Forderungen, Intrigen und Skandale sind keine bloßen Einblendungen. Sie greifen direkt ins Gameplay ein und zwingen mich, Entscheidungen zu treffen.
Wenn der Hauptdarsteller meines Films zur Entziehungskur muss oder ein Set abbrennt, stehen Zeitpläne und Budgets auf dem Spiel. Entscheidungen in diesen Momenten beeinflussen nicht nur den Film, sondern auch meine Reputation und zukünftige Möglichkeiten.
In einem anderen Szenario forderte mich plötzlich mein mit Abstand bester Drehbuchautor dazu auf, bis zu einem bestimmten Datum alle schwarzen Angestellten zu feuern. Ansonsten verlässt er das Unternehmen. Ein großes moralisches Dilemma. Jede Wahl hat ihren Preis, oft jenseits der Komfortzone.
«Hollywood Animal» lebt von seinen Figuren: ob narzisstischer Regisseur, ambitionierte Schauspielerin, ein rassistischer Drehbuchautor oder ein zwielichtiger Geldgeber. Sie wirken oft überzeichnet. Jede Figur hat eine Agenda. Und ich entscheide, wer gefördert, ignoriert oder geopfert wird. Meine Entscheidungen können schwerwiegende Konsequenzen haben, bis hin zu Karrierebrüchen,öffentlichen Skandalen oder sogar Suiziden.
«Hollywood Animal» zeichnet ein Sittenbild jener Ära, das zwischen Satire und Tragödie pendelt. Die Figuren haben Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen, ihre eigenen Ziele und meine Beziehung zu ihnen entscheidet mit über Aufstieg und Fall meines Studios.
Das Spiel schreckt nicht davor zurück, die Abgründe der Branche darzustellen – von toxischer Männlichkeit über Rassismus bis hin zu Ausbeutung. Ohne erhobenen Zeigefinger – aber mit einem präzisen Blick auf die Machtstrukturen hinter dem Glamour. Hier liegt für mich die große Stärke des Spiels.
Die Produktion eines Films in «Hollywood Animal» ist ein mehrstufiger Prozess. Alles beginnt mit dem Drehbuch. Sofern ich eine Geschichten-Werkstatt freigeschaltet und gebaut habe, kann ich komplett neue Stoffe entwickeln. Fehlt sie noch auf meinem Gelände, stehen nur mehrere lose Ideen für meine Drehbuchautoren zur Auswahl.
Letzteres ist besonders reizvoll, weil ich dort eine größere kreative Kontrolle habe und Geschichten maßgeschneidert für mein Studio entwerfen kann – zumindest theoretisch. In der Praxis bleiben die Eingriffs- und Auswahlmöglichkeiten leider oft oberflächlich: Genre, Rollen, einige thematische Akzente und das Finale – tiefergehende dramaturgische Entscheidungen bleiben dem Spiel vorbehalten.
Ist das Drehbuch fertig und freigegeben, geht es in die Vorproduktion: Ich wähle die Crew, den Cast, organisiere Requisiten und technische Ausstattung. Auch hier erlaubt das Spiel eine Reihe von Entscheidungen, von der Anzahl an Statisten bis zu Qualität der Dekorationen. Nach wenigen Filmen nutzt sich das allerdings ab und ich wähle alles automatisch aus.
Währenddessen drehen sich im Hintergrund die Verwaltungsrädchen – Deadlines, Budgets, Stresslevel. Ist alles vorbereitet, geht es an den eigentlichen Dreh. Auch dieser ist nicht immer frei von Zwischenfällen. Wie bereits erwähnt, können externe oder interne Einflüsse jederzeit auftauchen und flexible Reaktionen erfordern.
Der Produktionsprozess endet mit der Postproduktion und schließlich dem Release. Kritiken, Einnahmen und gesellschaftliche Resonanz hängen davon ab, wie klug ich im Vorfeld geplant und welche Personen sowie technischen Mittel ich eingesetzt habe.
Ein zentrales Element in «Hollywood Animal» ist das System der Forschungsbäume. Jedes der Hauptgebäude – von der Drehbuchabteilung über die Vorproduktion bis hin zur Sicherheit – verfügt über einen eigenen Skill-Tree. Das Verwaltungsgebäude hat sogar gleich deren vier: für die Bereiche PR, Personalabteilung, Finanzen und Justiz.
In jedem Skill-Tree kann ich neue Gebäude, Boni oder Features freischalten. Was auf den ersten Blick nach spielerischer Tiefe und Entscheidungsfreiheit klingt, offenbart bei näherer Betrachtung jedoch Schwächen.
Oft habe ich das Gefühl, einen vorgezeichneten Entwicklungsweg abzuarbeiten, statt wirklich zu gestalten. Hier hätte Weapy Studio mehr Tiefe, mehr Zielkonflikte oder gar exklusive Wege schaffen können, um die Entwicklung meines Studios stärker an meinen strategischen Stil anzupassen.
Ein weiterer Wermutstropfen: Einige Optionen im Forschungsbaum sind aktuell noch gesperrt und sollen «in einer späteren Version» verfügbar sein. Das ist nicht ungewöhnlich in einem Early-Acces-Titel, hinterlässt dennoch einen faden Beigeschmack.
Die visuelle Gestaltung unterstreicht den melancholischen Grundton des Spiels. In isometrischer Perspektive entfaltet sich mein Studio wie ein Diorama aus Art-Déco-Architektur, weichen Sepia-Tönen und dezenten Schatten. Autos beleben die Straßen. Die Optik wirkt ansonsten bewusst reduziert – mehr Stil als Spektakel. Das passt.
Der Soundtrack tut sein Übriges: Swing- und Jazzarrangements, orchestrale Zwischentöne und klassische Hollywood-Streicher begleiten das Geschehen unaufdringlich. Musik und Atmosphäre verschmelzen zu einer Zeitreise, bei der die Nostalgie stets mit einem Beigeschmack serviert wird.
«Hollywood Animal» wurde mir von Weappy Studio zur Verfügung gestellt. Das Spiel ist seit dem 10. April im Early-Access für den PC verfügbar.
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