Hobbys: Machen glücklich und lassen dich mehr im Jetzt leben
Früher hatte man Hobbys. Heute hat man Social Media, um Zeit totzuschlagen. Aber wäre es nicht schön, einmal wieder richtig in den Flow zu kommen?
«Was ist ein Hobby?», fragte mich letztens meine Tochter, als sie in ihrem neuen Freundesbuch blätterte. Acht Jahre alt, ist sie ein absoluter DIY-Fan und geht in ihrer Freizeit zum Leichtathletiktraining und Klettern. (Und ja, wie Katja Fischer schön beschrieben hat, werden Kinderhobbys bekanntlich auch die Hobbys ihrer Eltern.) Ich stammelte etwas von «Freizeitbeschäftigung» und «Das, was man gerne macht». Doch richtig zufriedengestellt hat mich meine eigene Antwort nicht.
Also nachgeschaut im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. Dieses verweist bei der Wortherkunft auf den englischen Begriff «hobbyhorse», also das Steckenpferd. Daraus wurde im übertragenen Sinne die «Neigung, Liebhaberei» und wird bis heute in der Kurzform Hobby verwendet. Übrigens: Als Hobby ausgeführt, erobert Hobby Horsing derzeit die Freizeitwelt im Galopp.
Beim Hobby geht es um den Flow: Abschalten und die Zeit vergessen
Als nächstes rufe ich eine Expertin an: Coach Verena Sammer, die Menschen bei ihrer Weiterentwicklung begleitet. Sammer selbst ist in ihrer Freizeit sehr aktiv unterwegs: Yoga, Mountainbiking, Skitourengehen, Freeriden, Kitesurfen ... «Hobby und Freizeitbeschäftigung sind keine trennscharfen Begriffe. Sie werden sehr alternierend verwendet», sagt sie. «Ein Hobby wird als erfüllender Freizeitvertreib definiert, dem man freiwillig, regelmäßig und mit persönlichem Interesse nachgeht – und aus intrinsischer Motivation. Neben der Regelmäßigkeit hat ein Hobby ein aktives Element: Das kann sportlich oder kreativ sein.»
Gut, dann ist also ein ärztlich verordnetes Lauf-Training nicht gerade ein Hobby. Oder, Frau Sammer? «Nun, die Essenz beim Hobby ist: Man ist total im Augenblick, der Zeit entrückt. Durch Hobbys erleben wir einen Flow, deshalb sind sie so gut zum Abschalten. Und wir empfinden die Tätigkeit als Belohnung. Wenn Sie nun vom Arzt verordnet bekommen, Laufen zu gehen – nun, dann kann ein so genanntes «runner’s high» entstehen. Muss aber nicht.»
Denn in den Flow kommst du, wenn es eine Herausforderung gibt, die dich fordert, aber nicht zu sehr. Doch eines darf auf keinen Fall geschehen: Langeweile.
Stundenlanges Scrollen im Feed – ist kein Hobby
Täuscht es oder sind digitale Beschäftigungen heute das, was früher Briefmarkensammeln oder Modelleisenbahnen waren? Hatte man früher Hobbys und heute Social Media?
Expertin Sammer winkt ab: Stundenlang durch Social Media-Feeds zu scrollen, sei natürlich kein Hobby. Sondern quasi das Gegenteil davon, denn:
«Ein Hobby bedeutet pure Lust und Freude an etwas zu haben. Das gedankenlose Durchscrollen der Social-Media-Feeds ohne klare Absicht ist häufig eine Gewohnheit, die zur Zerstreuung, Ablenkung und als Zeitvertreib dient.» Und, Obacht, jetzt kommt das Glück ins Spiel: Psychologen der Harvard University haben 2010 untersucht, was Menschen glücklich und zufrieden macht. Ergebnis: Zufriedenheit hängt nicht davon ab, was man tut. Sondern dass man ganz bei der Sache ist.
Ablenkung führt also eher zu Unzufriedenheit. «Und Dinge wie Social Media-Feeds nehmen uns nun einmal den Fokus weg», sagt Expertin Sammer. Das heißt nun nicht, für immer lustigen TikTok-Videos entsagen zu müssen oder nie mehr auf Instagram nach Kochrezepten zu suchen. Denn natürlich lebt die Gesellschaft den «Megatrend Konnektivität», den Social Media und alle digitalen Devices unterstützen. Doch wer nicht ständig seinen Fokus verlieren will, tritt bewusst zurück – und definiert für die Nutzung seines Smartphones persönliche Ziele.
Hobbys sagen etwas über deine Persönlichkeit aus
Forschende haben mit dieser Studie bestätigt: In der digitalen (Nachrichten-)Welt wechseln Themen viel schneller und zugleich sinken Aufmerksamkeitsspanne und Konzentrationsvermögen. «Genau deshalb braucht es für den Flow öfter die Präsenz im Hier und Jetzt», sagt Coach Sammer. «Das lässt sich zum Bespiel mit Meditation trainieren. Aber von ganz allein funktioniert es mit Hobbys.»
Als Kind war ich mir nie so sicher, ob Bücherlesen als Hobby durchgeht – schließlich fanden es viele blöd, weil man es in der Schule auch ständig tun musste. Doch ein Hobby ist nun einmal höchst individuell: «Hobbys sind Teil der Selbstfindung und Identitätsbildung», bestätigt Sammer. «Mit einem Hobby findet man seine Leidenschaften und Talente. Es bietet einen Raum, um sich kreativ auszudrücken.» Dabei, so die Expertin weiter, definiere sich «kreativ» als «Ich erlebe mich abseits vom Alltag». Und dieser kreative Raum gestalte sich bei jedem anders: «Für den einen bedeutet es den Thrill beim Paragliding, für den anderen das kontemplative Aquarellmalen.»
Das passende Hobby finden
Da nun klar ist, dass – eigentlich – jeder ein Hobby bräuchte, folgt die Frage: Wie ein Hobby finden, das zu einem passt? «Als erstes kann man schauen, was einem in der Kindheit gefallen hat – und daran wieder anknüpfen», rät Sammer. Manches, was einem verstaubt vorkommt, ist vielleicht längst wieder en vogue – wie Brotbacken, das während Corona sein altbackenes Image ablegen konnte, oder Stricken, das beispielsweise als Guerilla Knitting seit Jahren den öffentlichen Raum erobert.
«Wer ein Hobby finden will, sollte sich fragen: Was macht mir wirklich Spaß? Wo kann ich meine Stärken einsetzen – oder muss auch einmal über meine Komfortzone hinausgehen? Ist mir die soziale Komponente, der Austausch mit anderen über das Hobby, wichtig? Oder reicht es aus, allein in den Flow zu kommen? Im Ausschlussverfahren kann man dann verschiedene Dinge ausprobieren.»
Und es braucht natürlich das richtige Setting: Das Hobby muss passen zum Zeit- und Finanzbudget. «Aber am wichtigsten ist, dass es Körper, Geist und Herz anspricht.»
Hauptsache, du fängst beim Hobby nicht an, Freizeitstress zu entwickeln: «Klar kann man sich auch beim Hobby Ziele setzen und mit Leidenschaft einen neuen Trick beim Skaten erlernen oder die Bestzeit beim Halbmarathon übertreffen. Aber, wichtiger Unterschied: Dabei geht es um die Weiterentwicklung, die eigene Identität. Und nicht ums Vergleichen.»
Ich hätte auch Lehrerin werden können, doch weil ich lieber lerne als lehre, bringe ich mir mit jedem neuem Artikel eben selbst etwas bei. Besonders gern aus den Themengebieten Gesundheit und Psychologie.