«Halbmarathon plus» mit Höhenmetern – warum Trailrunning der Hit ist
Hintergrund

«Halbmarathon plus» mit Höhenmetern – warum Trailrunning der Hit ist

Siri Schubert
16-4-2024

Weg von der Strasse und ab in den Wald, auf Hügel und Berge. Der Trend, der sich beim Radfahren durchs Mountainbiken schon seit Jahren etabliert hat, setzt sich jetzt beim Joggen fort. Trailrunning bietet tolle Naturerlebnisse – einen Fitness-Boost gibt’s gratis dazu.

Geplant hatte ich es anders: In diesem Jahr wollte ich mein erstes 50-Kilometer-Rennen laufen, im Jura. Doch eine verletzungsbedingte, knapp zweimonatige Trainingspause machte mir einen Strich durch die Rechnung. 50 Kilometer waren nicht drin. Also wechselte ich auf eine kürzere Distanz. Doch würde ich 23,5 Kilometer mit mehr als 850 Höhenmetern schaffen?

Meine Vorbereitung war minimal gewesen. Meine Lust, mich mal wieder richtig auszutoben, dagegen umso grösser. Als ich am Samstagmorgen an der Startlinie stand, mischten sich Vorfreude und Nervosität. Schliesslich ist der Name des Rennens Les Courses du Mont Terrible.

Obwohl der «schreckliche Berg» mich reizte, flösste er mir auch etwas Angst ein. Denn die Veranstalter hatten angekündigt, dass es sich «um eine anspruchsvolle und technische Strecke» handele, die nach dem Winter ein entsprechendes Training erfordere.

Bei den vielen Aufs und Abs kommt garantiert keine Langeweile auf.
Bei den vielen Aufs und Abs kommt garantiert keine Langeweile auf.
Quelle: Les Courses du Mont-Terrible

Die 23-Kilometer-Strecke «La Terrible» ist nur eine von vielen bei der Trailrunning-Veranstaltung im Jura. Mehr als 1600 Läuferinnen und Läufer hatten sich für das Wochenende angemeldet, um Strecken zwischen neun und 106 Kilometer rennend, joggend oder gehend zurückzulegen.

Schon Wochen im Voraus war das Rennen ausverkauft, Startplätze waren nicht mehr zu haben. Dass die Organisatoren nicht nur viel Erfahrung, sondern auch Leidenschaft für den Sport mitbrachten, war von der ersten Minute an spürbar. Eine perfekt markierte Strecke, ausreichend Parkplätze und viele Freiwillige, die an jeder Ecke und bei jeder Frage halfen, erlaubten es den Teilnehmenden gut gelaunt und so relaxt, wie es eben bei einem solchen Lauf möglich ist, an der Startlinie zu erscheinen.

Kaum erklang das Startsignal, war meine Aufregung wie weggeblasen. Stattdessen machte sich pure Lauffreude breit, als ich mich gemeinsam mit rund 300 Läuferinnen und Läufern in Bewegung setzte. Nach einem kleinen Stück auf Asphalt ging es erst auf breite Forstwirtschaftswege und dann auf verschlungene Single-Trails.

My happy place: Beim Laufen auf den Trails spüre ich die Glückshormone.
My happy place: Beim Laufen auf den Trails spüre ich die Glückshormone.
Quelle: Stefan Munsch

Hier ging der Spass dann richtig los. Denn der Weg führte über schmale Pfade zunächst an einem Bächlein mit Holzbrücken entlang. Dann ging es in fast ununterbrochenem Anstieg auf den Gipfel des Mont-Terri, wie er auch genannt wird. Durch die Dunstschicht hindurch waren die Berner Alpen zu sehen.

Der erste kürzere Abstieg forderte mich. Zwischen Wurzeln und Steinen und Matsch versuchte ich, vorsichtig zu laufen, ohne zu rutschen oder umzuknicken. Glücklicherweise hatte ich Trailrunning-Schuhe von Icebug mit gutem Profil und rutschfester Sohle an meinen Füssen. Dann hörte ich, wie sich eine Läufergruppe von hinten näherte, die technisch offensichtlich versierter war als ich. Ich trat zur Seite, schliesslich wollte ich nicht als Hindernis den Weg versperren.

Als es wieder bergauf ging, hatte ich die Gruppe schnell wieder ein- und bald auch überholt. Da ich wie ein Dieselmotor langsam anlaufe, dann aber lange und stetig die Geschwindigkeit halten kann, wurde ich immer lockerer. Schon beim nächsten Abstieg hüpfte ich spielerisch zwischen Steinen und Wurzeln umher. Mit jedem zurückgelegten Kilometer stieg meine Laune und ich fühlte mich zunehmend frischer und fitter. Nicht zuletzt durch den Spass am Rennen in der Natur konnte ich in der zweiten Hälfte des Rennens noch mehr als zehn Plätze gut machen.

Das Geheimnis des Trailrunning-Booms

Trailrunning ist viel mehr als Laufen. Es ist ein intensives Naturerlebnis, das Konzentration und Entspannung gleichermassen erfordert. Nur wer locker ist, kann die engen Pfade effizient meistern und nur wer sich auf die Umgebung fokussiert, kommt ohne Stolpern und Verletzungen ans Ziel. Deshalb hat es für mich etwas Meditatives und ist anregend für Körper und Geist.

Das gilt nicht nur für mich: Inzwischen wirft auch die Wissenschaft einen Blick aufs Phänomen Trailrunning. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Laufen durch Wälder, Wiesen und steinige Bergpanoramen Vorteile für die mentale Gesundheit bringt. Es soll das Wohlbefinden sowie die verfügbare Energie steigern und den Schlaf verbessern, fasst ein Artikel im Magazin Trailrunner die Vorteile zusammen.

Tatsächlich erfordert das Trailrunning, sich ganz auf das Gelände und die eigene Verfassung einzulassen. Lange Strecken entlang einer Strasse oder auf Feldwegen zu joggen wirkt auf mich oft monoton. Dagegen ist es auf den Trails nie langweilig, weil sich die Umgebung ständig ändert und anstrengende Aufstiege oft mit atemberaubenden Ausblicken belohnt werden. Das war auch beim La-Terrible-Race der Fall: Ich vergass die Distanz und erfreute mich an der Natur. Der ganze Lauf kam mir wesentlich kürzer als 23,5 Kilometer vor. Natürlich spielten da auch die perfekten Bedingungen mit Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen eine Rolle. Nur auf dem letzten, geraden Stück auf Asphalt dem Ziel entgegen spürte ich meinen Durst, die Hitze und Müdigkeit in den Beinen.

Den Fitness-Boost gibt es gratis

Als ich vor einiger Zeit in Vorbereitung auf einen Halbmarathon versuchte, einem Trainingsplan fürs Joggen zu folgen, kam es mir wie eine Pflichtübung vor. Die langen Läufe im gleichen, langsamen Tempo langweilten mich. Statt «ich darf laufen» dachte ich immer öfter, «ich muss noch joggen». Klar, dass solche Gedanken nicht nachhaltig motivierend sind.

Beim Trailrunning ist es anders. Jedes Training ist ein Mikroabenteuer. Statt Monotonie erlebe ich Überraschungen. Durch die Abwechslung von Anspannung beim Bergauflaufen und Entspannung, wenn es wieder abwärts geht, ist das Fitness-steigernde Intervalltraining quasi inbegriffen.

Das Laufen auf unebenem Terrain erfordert auch einiges an Balance. Vor allem beim Bergablaufen ist die Rumpfmuskulatur gefragt. Deshalb sehe ich Trailrunning immer auch als Ganzkörpertraining, das ich durch Stretchen, Körperkraft- und Gleichgewichtsübungen ergänze.

Trailrunning kann die Fitness auf vielfältige Weise steigern, ohne dass es sich wie Training anfühlt. Und: Nicht immer muss der Puls im roten Bereich sein. An lockeren Trainingstagen ist auch ein zügiger Spaziergang auf den nächsten Hügel ausreichend.

Für Anfänger empfehle ich einen Trailrunning-Kurs, der Lauftechnik und Ausrüstung umfassend erklärt. Ich habe einige Kurse und Workshops bei Up2Peak in der Zentralschweiz belegt. Dank der vielen Techniktipps und den Trainings auf dem Luzerner Hausberg Pilatus kamen mir die technischen Stellen des Mont Terrible gar nicht so schrecklich vor, wie befürchtet.

Über die Ziellinie mit neuen Zielen im Kopf

Inzwischen war der Zielbogen in Sichtweite. Was für ein tolles Gefühl. Für mich ist ein Rennen immer dann Erfolg, wenn ich Spass hatte und mich beim Zieleinlauf gut fühle. Das heisst nicht, dass ich mich nicht anstrenge, aber vor allem will ich den Lauf geniessen. Mit einer Top-Ten-Platzierung bei den Ü40-Damen bin ich auf jeden Fall mehr als zufrieden.

War das ein Spass: Wenn ich beim Zieleinlauf gute Laune habe, war das Rennen ein Erfolg.
War das ein Spass: Wenn ich beim Zieleinlauf gute Laune habe, war das Rennen ein Erfolg.
Quelle: Stefan Munsch

Geflutet von vielen positiven Emotionen setzte ich mich gleich an den Computer und schaute nach weiteren Trail-Events. Auch nach solchen, die länger als die grosszügige Halbmarathon-Distanz sind. Denn meinen Traum, ein 50-Kilometer-Rennen zu laufen, habe ich noch nicht aufgegeben. In diesem Fall bin ich jedenfalls froh, dass ich nicht ganz auf das Event verzichten musste, sondern auf einer kürzeren Strecke schöne Trails geniessen konnte.

Titelbild: Kuva

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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.


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