Glück kann man streicheln: Von Katzenliebe und Katzenego
25-12-2022
Hunde haben Herrchen und Frauchen. Katzen haben Personal, auch «Dosenöffner» genannt. Hunde halten uns für Götter, Katzen sich selbst. Vielleicht schätzen wir sie deshalb besonders.
Im Jahr 2022 leben gemäß dem «Verband für Heimtiernahrung» rund 1.85 Millionen Katzen als Haustiere in der Schweiz. In beinahe drei von zehn Schweizer Haushalten schnurrt demnach ein Stubentiger – damit sind Katzen die beliebtesten Haustiere der Schweizerinnen und Schweizer. Tendenz? Steigend. So auch in Deutschland: Insgesamt gab es im Jahr 2021 in 26 Prozent der bundesdeutschen Haushalte 16.7 Millionen Samtpfoten. Zum Vergleich: 2020 waren es 15.7 Millionen und 2019 nur 14.7 Millionen Katzen. Und in Österreich wird fast jeder zweite Haushalt mit einem Haustier bereichert – meistens mit einer Katze.
Katzenliebe: Anarchisten und Machos
Aber warum? Immerhin eilt dem Stubentiger ein gewisser Ruf voraus: Eigensinnig sollen sie sein, wenn nicht sogar egoistisch und überhaupt nicht zur Demut geschaffen. Wie heißt es so schön? Eine Gesellschaft, die aus Hunden bestünde, wäre eine Diktatur. Eine Gesellschaft, die aus Katzen bestünde? Anarchie! Ich bin überzeugte Anarchistin, jedenfalls seitdem mir vor 13 Jahren ein aus dem Mistkübel gezupftes, abgemagertes Fellbündel namens Wagner zugeführt wurde, das mir vor lauter Dankbarkeit gerne mit Emphase in Zehen und Knöchel biss; immer wieder abhaute; mir Mäuse in die Handtasche legte. Sein Zweitname: Sekkanto. Weil wir in Wien gerne «sekkieren» dazu sagen, wenn uns jemand ständig nervt.
Und weil feline Fellnasen angeblich nicht gerne allein sind, kam bald Kater Nummer zwei dazu. Und Katze drei. Kater vier war nicht so der Rudel-Typ und setzte sich erst in eine Tierhandlung – kein Witz, wir waren damit sogar in einer Zeitschrift und im Radio – dann zu einer ihm liebevoll untergebenen Nachbarin ab, wo er auch heute noch residiert.
Manchmal besuche ich ihn und grüble über seinen Macho-Hormonhaushalt nach: Eine aktuelle japanische Studie von der «Azabu University» in Kanagawa fand nämlich einen Zusammenhang zwischen Hormonen und Sozialverhalten der Tiere. Katzen mit niedrigen Werten an Testosteron und Cortisol sind demnach toleranter im Umgang mit ihren Artgenossen.
Katzen lieben Menschen – wenn sie Lust darauf haben.
Vielleicht liegt es auch daran, dass meine Katzen stets Freigänger sind, und damit auch verstärkt Freigeister. Sogar meine Katze Flauschi – die gefügigste des Streichelzoos und ein echtes Home-Girl – bockt oft, wenn ich sie rufe. Vielleicht treffe ich ja nicht immer den richtigen Ton: Ein Forschungsteam um die Französin Charlotte de Mouzon untersuchte jüngst, wie Katzen auf die vorab aufgezeichnete Stimme ihres Halters und auf die Stimme eines Fremden reagieren. Beide sagten den Namen der Katze – einmal in einem an die Katze gerichteten Tonfall, und einmal in einem Tonfall, der an einen anderen erwachsenen Menschen gerichtet war. Denn ähnlich wie gegenüber Kleinkindern verändern Erwachsene meist auch ihren Tonfall, wenn sie mit Haustieren sprechen.
Die Forschenden dokumentierten, mit welchen Verhaltensweisen die Katzen auf die unterschiedlichen Sprachaufnahmen reagierten. Das Ergebnis, schwer verkürzt: Die schmeichelnde Stimme des Dosenöffners wird stets der fremden bevorzugt – aber trotzdem pfeifen Katzen manchmal darauf zu reagieren. Grundlos oder begründet, das konnte nicht eruiert werden. Wahrscheinlich haben sie nicht immer Lust nach unserer Pfeife zu tanzen. Und das liebe ich.
Schnurren: Good Vibrations für alle
Doch es ist nicht nur das. Es ist diese Mischung aus Anmut und Wahnsinn, ihr saturiertes, stolzes Gehabe trotz Kindchenschema und Kuschel-Attacken, das mich so begeistert: Sie sind eins mit sich, echte Profis in Sachen Self-Care. Sie schlafen viel und gut. Sie essen gerne. Sie genießen ihr Dasein jede Minute. Sie lieben uns, aber sie lieben sich selbst noch ein bisschen mehr. Vielleicht weil sie wissen, dass wir nur für andere da sein können, wenn wir auch gut auf uns selbst achten.
Katzen sind so viel mehr als bloß die Beherrscher des Internets. Als flauschige Haus-Schamanen geben sie unserem Leben ein Upgrade. Sie helfen uns (im schulmedizinischen wie auch im spirituellen Sinn) dabei, gesund zu werden und zu bleiben. Ihr Schnurren – meiner bescheidenen Meinung nach neben Meeresrauschen das beste Geräusch der Welt – wirkt blutdrucksenkend und entspannend. Und sie helfen damit bei der Knochenheilung. Die ideale Schnurrfrequenz liegt bei 27 und 44 Hertz, das besagt jedenfalls eine Studie des «Fauna Communications Research Institute» in North Carolina. Die Forscherinnen und Forscher kamen zum Schluss, dass Brüche bei Katzen schneller heilen als bei anderen Tieren – und das eben aufgrund dieser fabelhaften Vibrationen.
Selbsterhaltungstrieb und Self Care: Was lernen wir von Katzen?
Sind sie nun Luder oder doch eher göttlich? Magische Wesen oder kleine Zicken? Wahrscheinlich alles. Fix ist nur: Der Mensch weiß noch relativ wenig über sie. Sie verbreiteten sich in Europa über Wikingerschiffe und domestizierten sich selbst und aus freien Stücken, wurden aber viel später als Hunde zu unseren fixen Mitbewohnern.
Hunde wurden ausgewählt, um spezifische Aufgaben (jagen, hüten, etc.) zu verrichten – das war bei Katzen nie der Fall – naja, bis auf die Mäusesache vielleicht. Katzen mussten sich auch keinem genetischen Selektionsprozess unterziehen, weil sie perfekt sind, so wie sie immer waren. Perfekte Jäger, perfekte Kuschler, ausgestattet mit einem enormen Selbsterhaltungstrieb. Sie sind wunderschön, klug und sehr lustig, und es ist eine Freude, sie anzusehen und zu berühren.
Allerdings: Ich war noch nie der Entweder-Oder-Typ. Ich bin eher so der völlig durchgeknallte Typ, der auf der Straße fast jeden Hund persönlich begrüßt. Oder den armen Angeleinten vor dem Supermarkt zuraunt, dass sie sich nicht sorgen müssen, weil Herrli oder Frauli ja eh gleich wiederkommen. Entscheiden könnte ich niemals – und ebenso wenig eine Entscheidungshilfe abgeben. Katzen und Hunde sind nicht umsonst die beliebtesten Haustiere im deutschsprachigen Raum, wobei Letztere klar auf Platz 2 rangieren.
Anarchie oder Diktatur? Nun, in uns allen schlummern zwei Seiten: Eine heitere und eine ernsthafte, eine rebellische und eine angepasste, eine liberale und eine konservative, eine nehmende und eine gebende. Sich nicht immer entscheiden zu müssen, das ist wohl wahre Freiheit und damit sehr katzenhaft. Also nur her mit den Vierbeinern, egal ob sie schnurren oder knurren. Denn Glück kann man streicheln.
Titelbild: Ludemeula Ferna via unsplashJanina Lebiszczak
Autorin von customize mediahouse
Lebe lieber ungewöhnlich: Ob Gesundheit, Sexualität, Sport oder Nachhaltigkeit, jedes Thema will entspannt, aber aufmerksam entdeckt werden. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie und niemals ohne Augenzwinkern.