«Ender Magnolia: Bloom in the Mist» ist mein neues Lieblings-Metroidvania
«Ender Magnolia: Bloom in the Mist» hat mich bereits letztes Jahr im Early Access verzaubert. Das fertige Metroidvania überzeugt mich nun vollends und lässt mich glatt vergessen, dass ich immer noch auf «Silksong» warte.
Verwirrt erwacht Lilac in einer defekten Kapsel. Auch ihre Umgebung befindet sich in einem desolaten Zustand. Was ist passiert? Ihr fehlen jegliche Erinnerungen. Sie meint, jemanden vergessen zu haben. Erst noch behäbig steuere ich Lilac durch die vermeintlich verlassenen Räume der Testgeländeruinen, deren heruntergekommene Erscheinung etwas Wunderschönes hat. Groteske Wesen stellen sich mir in den Weg. Da ich keine Möglichkeiten habe, sie auszuschalten, muss ich ihnen ausweichen.
Kurz darauf trifft Lilac auf einen auf dem Boden sitzenden Homunkulus, einer künstlichen Lebensform. Sie sprechen miteinander und verbünden sich. Fortan kämpft der Homunkulus mit dem Namen Nora für Lilac.
Das Setting, die Musik und auch die Charaktere von «Ender Magnolia: Bloom in the Mist» kommen mir in den ersten Spielminuten vertraut und doch fremd vor. Vertraut, weil mich vieles an den genialen Vorgänger «Ender Lilies: Quietus of the Knights» erinnert. Fremd, weil ich wie Lilac nicht weiss, was hier vor sich geht. Das Spiel hat mich gleich am Haken und lässt mich die kommenden 23 Stunden nicht aus seinem Bann. «Ender Magnolia» ist ein mehr als würdiger Nachfolger meines Lieblings-Metroidvanias.
Neues Land, ähnliche Tragödie
«Ender Magnolia» spielt in Rauchland, einer Grossmacht magischer Energie. Dank riesiger Vorkommen unterirdischer Magiereserven florierte das Land einst, das auch für seine Forschungen bekannt war. Höhepunkt der Schöpfungen sind die künstlichen, durch Magie angetriebenen Homunkuli. Unreiner Rauch, der aus dem Untergrund hochstieg, hat sie jedoch in den Wahnsinn getrieben und sie zu zerstörerischen Ungeheuern gemacht.
Das Setting von «Magnolia» gleicht jenem von «Lilies», das ebenfalls in einem Endzeitszenario spielt und doch behandelt die Story andere Themen. Und: Ich treffe neben den Homunkuli auch auf Menschen in Städten. «Lilies» zeichnet eine gebrochene Welt, die sich erst noch erholen muss, die Welt in «Magnolia» steht hingegen an einem Scheideweg.
Sogenannte Stimmer können die Homunkuli wieder zu Verstand bringen. Lilacs Aufgabe ist damit klar: Sich mit möglichst vielen der künstlichen Lebewesen verbinden, um ihre Erinnerungen wiederzufinden und letztendlich Rauchland vom unreinen Rauch zu befreien.
Die Prämisse von «Ender Magnolia» mit der unter Teilamnesie leidenden Lilac ist zwar ausgelutscht, macht aber im Grossen und Ganzen Sinn. Denn die Stärke der Geschichte liegt nicht in ihrer Ausgangslage, sondern in ihrer Erzählweise. Wie üblich für ein Metroidvania wird vieles über die Umgebung erzählt. So ist Rauchland etwa in drei Bevölkerungsschichten aufgeteilt, die sich im unteren, mittleren und oberen Sektor äussern – die Vermögenden leben oben, die Armen unten. Entsprechend sind die Bereiche auf der Karte angeordnet und sehen die Umgebungen aus.
Weiter erfahre ich über diverse NPCs mehr über Lilac und Rauchland. Da ist etwa das abenteuerlustige Mädchen Ruby, das mir an den unterschiedlichsten – meist höchst gefährlichen – Orten über den Weg läuft. Wie sie dahin kommt und vor allem wie sie überlebt, wird zwar nicht erklärt, dafür versorgt sie mich immer wieder mit Artefakten, die weitere Mysterien lüften. Die letzten Details werden mir über Notizen, die ich mal gut und mal weniger gut versteckt finde, näher gebracht. So ergibt sich letztlich eine spannende und vor allem gut erzählte Geschichte, die ich mir aus Fragmenten selbst zusammensetzen muss.
Schauplätze und Soundtrack, die mich erschaudern lassen
Die Welt von Rauchland und ihre musikalische Untermalung zeichnen eine wunderschön schaurige Weltuntergangsstimmung. Der Soundtrack stammt vom Musikprojekt Mili und ist das Einzige, was im Vergleich zum Vorgänger nicht verbessert wurde. Schwierig, denn der Soundtrack ist schon beim ersten Spiel nahe der Perfektion. Daran ändert auch «Magnolia» nichts. Besonders angetan hat es mir etwa «Shackled Beast 02».
Die 2D-Hintergründe sind für sich genommen Kunstwerke. Bereits «Ender Lilies» sah verdammt gut aus, «Ender Magnolia» toppt das nochmals. Von der düsteren Magiestein-Mine, über ein an das feudale Japan erinnernde Anwesen, bis zum prunkvollen oberen Sektor, wo die Gutbetuchten wohnen, bieten die Schauplätze viel Variation.
Dabei sind die einzelnen Bereiche gut aufgebaut und intelligent miteinander verbunden. Überall gibt es etwas zu entdecken. Neue Bereiche erschliessen sich Genre-typisch durch neue Fähigkeiten. Den Klassiker Doppelsprung und einen vernünftigen Dash erhalte ich im Vergleich zum Vorgänger bereits in den ersten Spielminuten. Das Erkunden macht mir Spass, die Steuerung reagiert äusserst präzise und ist eingängig.
Für Genre-Fans und Neulinge geeignet
Bei der Erkundung hilft eine Minimap oder eine grosse Karte im Menü. Habe ich in einem Bereich alles erkundet, verfärbt sich dieser auf der Karte blau. Das ist praktisch für jene, die das Spiel zu 100 Prozent fertig machen wollen. Für Puristen, die lieber alles auf eigene Faust erkunden, lässt sich die Minimap auch ausblenden.
Die Studios Adglobe und Live Wire haben an der Zugänglichkeit des Titels gefeilt. Der Vorgänger war für Genre-Neulinge nicht ganz einfach. Neu lässt sich der Schwierigkeitsgrad nicht nur in «Einfach», «Normal» oder «Schwierig» einstellen, sondern personalisieren und so den eigenen Fähigkeiten anpassen. Ich habe bei meinem ersten Durchspielen auf Normal gezockt, was ich als fordernd empfand. Ich bin immer mal wieder bei der Erkundung gestorben oder musste Bosse mehrmals probieren und meine Strategie entsprechend anpassen.
Die Kämpfe fühlen sich dynamisch an
Kämpfen tut Lilac wie Lily im ersten Teil nicht selbst. Statt mit Geistern verbindet sich Lilac mit den Homunkuli, die fortan als Waffe für sie fungieren. Im Vergleich zu «Lilies» hat es in «Magnolia» deutlich weniger Gefährten. Das ist in meinen Augen nicht schlimm, da ich dafür auch alle mal einsetze – was ich bei «Lilies» nie getan habe. Dafür können sie bis zu drei Skills lernen, die sich wiederum verbessern lassen. Nora kann etwa mit einem Schwert, einer Sense oder einer Axt zuschlagen. Jörwan hingegen ist auf Fernkampf mit seinen Pistolen spezialisiert.
Von all diesen Fähigkeiten kann ich vier gleichzeitig ausrüsten und sie Tasten zuweisen. So kann ich Lilac meinem Spielstil und vor allem jenem der Gegner anpassen. Dieses Taktieren ist auch bitter nötig, denn mit den immer gleichen Moves komme ich vor allem bei den Bossen nicht durch.
Im Gegensatz zum Vorgänger ist das Kämpfen einiges flüssiger. «Ender Lilies» war behäbig, «Ender Magnolia» spielt sich eher wie Genre-Primus «Hollow Knight». Die Gefechte sind schnell und flüssig. Ich habe nie das Gefühl, dass das Spiel für mein virtuelles Ableben schuld ist, sondern ich und mein (Nicht-)Können.
Viele RPG-Elemente
Neben Angreifen kann ich den Gegnern auch ausweichen. Entweder, indem ich von ihnen weglaufe, wegspringe oder dashe. Standardmässig steht mir keine Möglichkeit zum Blocken zur Verfügung. Glücklicherweise habe ich über Ausrüstungsgegenstände darauf Zugriff. Ich kann eine Muschel, zwei Armreife und eine Hilfe ausrüsten. Armreife verbessern meine Statuswerte, Hilfen sorgen für Spezialeffekte wie eine komplette Heilung, wenn meine Lebenspunkte unter 15 Prozent fallen, und die Muscheln erlauben mir zu blocken. Je nach Muschel wird auch gleich ein Konter ausgeführt, wenn dieser gut getimt ist. Auch der Homunkuli mit Namen Kettenbiest erlaubt es mir, zu blocken und zu kontern. Weiter kann ich Relikte ausrüsten, die mir zusätzliche Vorteile verschaffen.
Damit ich diese Modifikationen vornehmen kann, muss ich mich jeweils zu einem Ruheort begeben. An diesen drohen mir keine gegnerischen Angriffe und ich kann speichern. Zudem werden meine drei heilenden Schutzbarrieren wieder aufgefüllt, die einen Teil meiner Lebenspunkte regenerieren. Bereits besiegte Gegner respawnen dabei aber. Nettes Detail: Ich kann mich an den Ruheorten mit meinen Homunkuli unterhalten und dabei mehr über die Welt erfahren.
Levelaufstiege durch das Besiegen von Gegnern, Fortschreiten der Story oder das Finden von Gegenständen runden die Rollenspiel-Elemente ab. Insgesamt bietet das Spiel viel Abwechslung.
«Ender Magnolia: Bloom in the Mist» erscheint am 23. Januar 2025 für PC, Nintendo Switch, PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series und Xbox One. Das Spiel wurde mir von Binary Haze Interactive zu Testzwecken für den PC zur Verfügung gestellt.
Fazit
Ein mehr als würdiger Nachfolger
Ich habe «Ender Lilies: Quietus of the Knights» geliebt und ich liebe «Ender Magnolia: Bloom in the Mist» sogar noch mehr. Das Spiel ist Gameplay-technisch kein revolutionäres Metroidvania, aber ein auf Hochglanz poliertes. Dasselbe gilt für die Präsentation: Der Soundtrack und die 2D-Welt erschaudern und verzücken mich gleichzeitig. Noch selten war die Endzeit so schön.
Auszusetzen habe ich wenig. Etwa, dass «Magnolia» im Vergleich zu «Lilies» wenig neu macht. Oder dass ich gerne noch mehr Zeit mit Lilac und den Homunkuli verbracht hätte. Mit meinen aktuell 23 Stunden Spielzeit habe ich beinahe alles gesehen.
Dennoch: Zockst du gerne Metroidvanias oder wartest immer noch auf «Hollow Knight: Silksong» kann ich dir «Ender Magnolia: Bloom in the Mist» wärmstens empfehlen. Aber auch allen, die sich für ein dunkles Fantasy-Setting begeistern können. Denn dank des variabel einstellbaren Schwierigkeitsgrads eignet sich das Game für Neulinge sowie Hardcore-Zocker.
Pro
- auf Hochglanz poliertes Metroidvania
- dynamisches Kampfsystem
- spassige Erkundung
- viele Möglichkeiten für einen individuellen Spielstil
- wunderschön grässliche Fantasy-Welt
- genialer Soundtrack
Contra
- macht im Vergleich zum Vorgänger wenig neu
- dürfte noch etwas länger sein
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.