Die Dreamcast erschien vor 25 Jahren in Europa
Segas letzte Spielkonsole erschien heute vor 25 Jahren in Europa. Die Dreamcast wurde gerade mal zweieinhalb Jahre lang produziert. Heute hat sie dennoch Kultstatus.
Jahre vor der Wii Remote konntest du in «Virtua Tennis» die Schläger mit Motion Sensorik schwingen. Zwar war der Fishing Rod Controller nicht gerade das beste Racket – schliesslich wurde der Angel-Controller für «Sega Bass Fishing» entwickelt. Aber es funktionierte.
Ebenfalls skurril waren 1999 die Maraca-Controller für «Samba de Amigo». Oder Segas-Experiment mit der Visual Memory Unit. Die Speicherkarte mit Bildschirm, auf der du gleichzeitig einfache Games zocken konntest. Die Dreamcast bot eine Vielzahl schräger Hardware- und Spielideen. Wohl auch deshalb erfreut sie sich bei Fans wie mir noch heute grosser Beliebtheit.
Konsole der letzten Chance
Im Spätherbst 1998 veröffentlicht Sega die Dreamcast in Japan. Sie ist damals technologisch ihrer Zeit voraus und bietet sogar ein Modem für Onlinegaming. Die 128-Bit-Konsole verfügt über eine 200 MHz schnelle Hitachi-CPU, 16 Megabyte Arbeitsspeicher und einen von Video Logic entwickelten, 100 MHz schnellen 3D-Grafikchip. Das eigens entwickelte optische Speichermedium GD-ROM bietet 1,2 Gigabyte Speicherplatz. Mit der Konsole scheint der damals bereits kriselnde Spielegigant für den Wettkampf mit der kommenden Playstation 2 gerüstet.
Ich freue mich damals riesig auf die Konsole. Ich bin zwar ein Playstation-Junge, aber die Dreamcast sieht einfach zu cool aus. Die Möglichkeit, auf der Virtual Memory Unit ebenfalls zu zocken, ist für mich als Game-Verrückten toll. Auch die angekündigte Spiele, allen voran «Shenmue», überzeugen mich in Dreamcast-Lager zu wechseln.
In den Neunzigern tobt der Konsolenkrieg zwischen Sony, Nintendo und Sega. Erstere zwei dominieren, der Sonic-Konzern liegt abgeschlagen auf dem dritten Platz. Dabei hätte es gar nie so weit kommen müssen. Denn Jahre zuvor sucht Sony nach Partnern, um in den Konsolenmarkt einzusteigen. Jedoch lehnen Sega wie auch Nintendo ab. Sony entwickelt deshalb auf eigene Faust die Playstation und hängt den Saturn, Segas PS1-Konkurrent, gnadenlos ab. Die Dreamcast ist deshalb so etwas wie die letzte Chance für den Konsolenhersteller.
Rund läuft’s nie wirklich
Die Konsole steht jedoch von Beginn weg unter einem schlechten Stern. Zum Japan-Launch stehen nur 150 000 Einheiten zur Verfügung – zu wenig. Damit vergrault Sega potenzielle Kundschaft. Zumal das Spiele-Lineup zum Start mit gerade mal vier Spielen bescheiden ist. Der Anreiz, die Konsole sofort zu kaufen, ist deshalb gering. So reduziert Sega den Preis nach wenigen Monaten bereits um rund 30 Prozent. Gewinn erzielt der Hersteller so kaum mehr.
Mit dem günstigeren Preis steigt Sega schliesslich in den USA und in Europa ins Geschäft ein – und kann damit punkten. Die Konsole verkauft sich gut. Dies auch dank deutlich mehr Spielen als noch zum Japan-Start. «Soul Calibur» und «Sonic Adventure» sind gewichtige Argumente. Mit «Resident Evil: Code Veronica» holt sich Sega auch einen Hammer-Exklusivtitel. Experimentellen Spielen wie «Crazy Taxi» oder «Jet Set Radio» kommen ebenfalls gut an.
Ich hole mir die Konsole gleich zu Release bei uns. Vor Ladenöffnung anstehen muss ich zum Glück nicht. Bei einem Händler reserviere ich mir ein Exemplar. Ich erinnere mich noch gut ans Auspacken und wie erstaunt ich bin, wie klein und leicht die Dreamcast ist. Mein erstes Spiel ist «Sonic Adventure». Es macht mir zwar Spass, aber meine Vorfreude auf andere Titel ist schlicht zu gross, als dass ich lange mit dem Spiel verbringen könnte. Es braucht denn auch einige Monate, bis ich wirklich warm mit meiner Dreamcast werde.
Vordergründig scheint bei Sega alles gut zu laufen. Hinter den Kulissen brodelt es jedoch. So veröffentlicht etwa das vor allem für Japan wichtige Squaresoft (heute: Square) keine Spiele für die Konsole. Electronic Arts will bei Sportspielen keine Konkurrenz auf den Konsolen. Als Sega ankündigt, selbst Sportspiele zu produzieren, stellt sich EA quer und meidet die Dreamcast.
Die Playstation 2 versetzt der Dreamcast den Todesstoss
Das viel grössere Problem für Sega ist jedoch Sony. Noch vor dem US- und Europa-Start der Dreamcast wird im März 1999 die Playstation 2 angekündigt. Die ist nicht nur leistungsfähiger als die Sega-Konsole, sondern bietet mit dem verbauten DVD-Laufwerk einen Vorteil gegenüber den GD-ROMs. Darauf lassen sich nämlich auch DVD-Filme abspielen, was zu jener Zeit ein Novum ist. Da der DVD-Markt danach explodiert, profitiert die Playstation 2.
Als die Playstation 2 erscheint, hebt die Dreamcast für mich erst richtig ab. Rund ein Jahr nachdem ich mir mein Exemplar geholt habe, hat es endlich reichlich Spiele für mich. Der Hit «Shenmue» steht kurz vor dem Release. Ein paar Monate später erscheinen die erstklassigen JRPGs «Skies of Arcadia» und «Grandia II». Dennoch liebäugle ich mit einer Playstation 2. Das DVD-Laufwerk ist für mich als Filmfreak einfach zu verführerisch. Da ich meiner Dreamcast gegenüber ein schlechtes Gewissen habe, lasse ich die PS2 vorerst links liegen.
Aber weder mein Ignorieren noch die Online-Offensive mit dem Spiel «Phantasy Star Online» und dem Dienst SegaNet können die Dreamcast retten. Nur ein Jahr nach dem Japan-Release der Playstation 2 stellt Sega die Produktion ein und zieht sich aus dem Konsolengeschäft zurück. Immerhin bleibt das Unternehmen erhalten: Es entwickelt Spiele für die ehemalige Konkurrenz.
Ganz tot ist die Dreamcast aber auch heute nicht. Fans entwickeln unter der Bezeichnung «Dreamcast homebrew» immer noch neue Spiele.
Für immer bei mir
Persönlich ist mir die Dreamcast in sehr guter Erinnerung. Sie war die letzte Spielekonsole, die ich während ihres gesamten Lebenszyklus begleitet habe. Danach habe ich zwar noch viele Konsolen besessen, aber immer nur ganz am Anfang oder Ende ihrer Lebensspanne. Deshalb wird sie immer einen besonderen Platz in meinem Herz haben.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.