Kennst du noch? «Skies of Arcadia»
«Skies of Arcadia» war im Jahr 2000 anders als die damaligen JRPGs. Die leichtherzige Geschichte sorgte für frischen Wind im sonst schwermütigen Genre. Auch heute ist das Spiel noch einen Blick wert.
«Skies of Arcadia» ist kein Spiel, das mir wegen der Geschichte in Erinnerung geblieben ist. Es handelt sich um eine klassische Rette-die-Welt-Erzählung. Dennoch überzeugt die Art und Weise, wie die Story präsentiert wird. Auch die Charaktere sind plakativ. Entweder sind sie gut oder böse, wobei die bösen häufig albern und inkompetent wirken. «Skies of Arcadia» ist dadurch leichtherzig, was das Spiel von anderen Genrevertreter um die Jahrtausendwende abhebt. Das macht seinen Charme aus.
In Erinnerung geblieben ist mir das Spiel hauptsächlich aufgrund des originellen Settings – und weil es für Segas letzte Konsole, die Dreamcast, erschienen ist.
Tolle Welt, liebenswerte Charaktere
Du spielst den Sohn eines Piraten namens Vyse. Wobei «Pirat» irreführend ist: Vyse ist der prototypische Robin Hood, der von den Reichen stiehlt und den Armen gibt. Auch segelt er nicht auf dem Wasser, sondern im Himmel. In der Welt von «Skies of Arcadia» leben die Menschen auf grossen Inseln, die in der Luft schweben. Was sich weiter unten befindet, ist für sie genauso mysteriös, wie für uns das, was auf dem Meeresgrund liegt.
Eines Nachts überfallen Vyse und Crew ein Schiff des mächtigen Valuan-Imperiums. Sie erbeuten nicht nur Schätze, sondern retten auch Fina. Die geheimnisvolle junge Frau wurde vom Imperium gefangen genommen. Es folgt eine abenteuerliche Geschichte, in der Vyse und seine Freunde durch die Lüfte segeln, Menschen aus zahlreichen fremden Kulturen treffen und längst vergessene Geheimnisse aufdecken, die die ganze Welt bedrohen.
Die Hauptcharaktere sind sympathisch und etwas naiv. Sie freuen sich darauf, alles zu entdecken, was die Welt zu bieten hat. Zu vielen Objekten in der Welt hat Vyse etwa einen Kommentar übrig, wenn du in ihrer Nähe die Aktionstaste drückst. Das ist nicht nur fürs Worldbuilding toll, sondern zeigt auch die neugierige und abenteuerliche Seite des Protagonisten. Die Geschichte selbst bietet zudem viel Situationskomik. Die ergibt sich aus den quirligen Charakteren und den teils dümmlich wirkenden Admirälen des Imperiums.
Wieso die Welt von Skies of Arcadia so beschaffen ist, wie sie ist, wird nicht erklärt. Aber das ist egal, denn sie ist wunderbar. Es gibt überall etwas zu entdecken. Wenn du mit bestimmten Orten der Spielwelt interagierst, kannst du Entdeckungen machen. Du findest etwa Ruinen vergangener Zivilisationen, geologische Phänomene oder neue Tierarten. Als Lohn erhältst du ein paar Textzeilen, welche dir die Welt näher erklären. Diese Informationen kannst du dann an die Seefahrergilde verkaufen.
Nach heutigen Standards ist die Map nichts Aussergewöhnliches, für Jahr-2000-Verhältnisse war sie jedoch riesig. Du segelst mit deinem Schiff durch die Lüfte und erschliesst nach und nach neue Bereiche, indem du dein Schiff verbesserst. An diversen Orten kannst du anlegen und die Welt dann zu Fuss erkunden.
Die Schiffskämpfe als Highlight
Bist du zu Fuss unterwegs, triffst du JRPG-typisch auf Gegner, die du in rundenbasierten Kämpfen niedermetzelst. Das nicht zu knapp: Die Häufigkeit der Kämpfe ist verdammt hoch. Dies ist besonders nervig, wenn du mit der Umgebung interagieren willst, aber nicht sofort den Auslösepunkt findest. So kann es vorkommen, dass du vier, fünf Kämpfe absolvieren musst, bevor du die gewünschte Aktion ausführen kannst. Die hohe Encounter Rate wurde dann bei der Wiederveröffentlichung des Spiels für den Nintendo Gamecube gesenkt, ist aber auch dort noch hoch.
Neben den traditionellen Kämpfen gibt es auch Schiffskämpfe. Diese laufen in Zügen ab, die wiederum in drei bis vier Aktionen aufgeteilt sind – je nachdem, wie viele Mitglieder du in der Gruppe hast. Das Ganze wird auf einem Raster dargestellt, wobei jede Spalte eine Runde und jede Zeile ein Mitglied der Gruppe darstellt. Die Charaktere beanspruchen eine Zeile, um eine Aktion auszuführen. Dazu zählen etwa eine Kanone abfeuern, einen Gegenstand benutzen oder ein Verteidigungsmanöver ausführen. Was du vom gegnerischen Schiff zu erwarten hast, zeigen dir entsprechende Markierungen in der ersten Zeile. So kannst du deine Aktionen planen. Bestimmte Schiffskämpfe zwingen dich auch zu strategischen Entscheidungen. Etwa, welche Seite des gegnerischen Schiffs du angreifst oder wie du die Geschwindigkeit änderst, um den Gegner zu überraschen.
Später im Spiel kannst du dein Schiff verbessern, indem du neue Crewmitglieder rekrutierst. Aus heutiger Sicht sind die Schiffskämpfe nicht sonderlich komplex. Damals aber hat mich die Spielmechanik voll gepackt und ich konnte nicht genug davon bekommen.
Coole Virtual-Memory-Unit-Integration
Die Dreamcast-Version hatte ein originelles Merkmal für sich: das Minispiel «Pinta’s Quest» für die Visual Memory Unit (VMU). Die VMU ist nicht nur Speicherkarte, sondern auch zusätzliches Display im Gamepad – oder eigenständiger Handheld. Das Minispiel kannst du erst zocken, wenn du im Hauptspiel mit dem Charakter Pinta gesprochen hast. In «Pinta’s Quest» bereist du die Welt mit Pintas Schiff und sammelst Gegenstände, Gold und Erfahrungspunkte. Die Gegenstände und das Gold kannst du ins Hauptspiel integrieren. Welche Teile der Karte du mit Pintas Schiff erreichst, hängt von deinem Fortschritt in «Skies of Arcadia» ab.
Das Minispiel ist witzig, aber für den Verlauf des Hauptspiels unwichtig – bei der Gamecube-Version wurde es gar ersatzlos gestrichen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich meine VMU überall mitgenommen habe, um mich im Hauptspiel finanziell über Wasser zu halten.
Eine Fortsetzung wird es wohl nie geben
Die fantasievolle Welt von «Skies of Arcadia», die liebenswerten Charaktere und die lebensfrohe Erzählweise machen das Spiel zu einem grossartigen Abenteuer. Leider gibt es bis heute kein HD-Remake, geschweige denn eine Fortsetzung. Diese müsste auch ohne die Produzentin des Originals, Rieko Kodama, auskommen. Sie verstarb 2022 unerwartet. So bleibt nur das Original, das auch heute noch ein erstklassiges Spiel ist.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.