«Wir produzieren keinen Bullshit»
2-6-2021
«No Bullshit» verspricht der Schweizer Sportnahrungshersteller Nutriathletic. Ein Gespräch mit Firmengründer und CEO Piero Fontana über wissenschaftliche Methoden, pralle Muskeln und die Wichtigkeit von Networking.
Nutriathletic ist ein Schweizer Unternehmen, das seine Wurzeln in der akademischen, naturwissenschaftlichen Forschung hat. Sämtliche Produkte werden in der Schweiz entwickelt und produziert. Ich treffe Piero Fontana, Doktor der Naturwissenschaften ETH, in Zürich zum Gespräch. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Nutriathletic.
Piero, euer Claim lautet «No Bullshit». Das provoziert und wirft Fragen auf: Heisst das im Umkehrschluss, alle anderen verkaufen mir Bullshit?
Piero Fontana: Grundsätzlich beziehen wir das natürlich nicht auf andere Unternehmen, sondern nur auf uns. Unser Claim klingt zwar sehr nach purem Marketing, wir meinen das aber ernst. Wir verkaufen keinen Bullshit. Wir arbeiten nach rein wissenschaftlichen Methoden und produzieren Sport-Nutrition ohne Bullshit für sportliche Menschen. Sowohl für Spitzen- als auch Breitensportler*innen.
Das machen doch alle, zumindest in der Schweiz. Ich denke da zum Beispiel an den Marktführer Sponser. Die mischen ja auch nicht einfach auf gut Glück irgendwelche Pülverchen und verkaufen die dann. Was unterscheidet Nutriathletic?
Ich glaube, dass wir einen einzigartigen Zugang zum Thema Sportnahrung haben. Ich habe beispielsweise zuerst Biologie studiert, im Anschluss Bewegungswissenschaften mit Schwerpunkt Physiologie an der ETH Zürich. Dieses tiefe Verständnis für die Abläufe im Körper steckt in der Firma. Das ist die DNA unserer Produkte, wenn du so willst. Meine Frau Verena, die unser Entwicklungsteam leitet, ist studierte Biochemikerin und arbeitete in der klinischen Forschung. Dieses Wissen fliesst in unsere tägliche Arbeit.
Auf der anderen Seite sagt die Schweizerische Gesellschaft für Sportnahrung SSNS: Die Bedeutung von Supplementen im Sport wird oft überschätzt. Während wenige Supplemente als sinnvoll für den Einsatz im Sport eingestuft werden können, ist der Nutzen der allermeisten Supplemente nicht wissenschaftlich belegt. Also im Prinzip sagt die SSNS, dass das meiste, was auf dem Markt angeboten wird, eben gerade Bullshit ist.
(lacht) Dieses Zitat spiegelt 1:1 unsere Philosophie wider. Es gibt einige Produkte, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist und dann geistern sehr viele Sachen umher, deren Wirksamkeit zumindest umstritten ist. Wir bei Nutriathletic konzentrieren uns ausschliesslich auf das erstere.
Kannst du mir einige der Produkte nennen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist?
Beispielsweise ist die Wirkung von Proteinen und Kohlenhydraten auf den menschlichen Stoffwechsel wissenschaftlich sehr gut untersucht. Dasselbe gilt für Kreatin und Koffein. Dieses Wissen widerspiegelt sich in unseren Proteinpulvern und -getränken wie Fuel oder Load und natürlich im Creatine und in den Sport Waters.
Lass uns über das Mikrobiom, also die Darmbakterien reden: Wie weiss ich denn überhaupt, wie viel Protein aus meinem Post-Workout-Shake tatsächlich in meinen Muskeln ankommt?
Das Mikrobiom ist momentan eines der grossen Themen in der physiologischen Forschung. Man ist da jedoch viel weniger weit, als sich die Öffentlichkeit wünscht und weiss eigentlich noch recht wenig über die spezifischen Funktionen der unterschiedlichen Darmbakterienstämme und wie man diese positiv beeinflussen kann. Aus den bisher vorhandenen Studien wurde jedoch klar, dass zum Beispiel das von dir angesprochene Protein im Durchschnitt in den Muskeln der Probanden ankommt und entsprechend wirkt. Und das ist ein wichtiger Punkt: Unsere Wissenschaft ist eine Wissenschaft des Durchschnitts. Die Aussage ist also, dass Protein, egal ob tierisches oder pflanzliches, auf den durchschnittlichen Menschen eine Wirkung hat. Auch wenn diese Wirkung bei der einen oder anderen Person möglicherweise geringer ist als bei einer anderen.
Der Trend geht ja überall in Richtung Personalisierung. Müsste nebst der Ernährung und dem Training nicht auch die Supplementierung entsprechend dem individuellen Mikrobiom individualisiert werden?
Absolut. Du sprichst das Thema «Personalised Medicine» an. Die Entwicklung geht ganz klar in diese Richtung. Aber nochmals: Die Forschung ist auf diesem Gebiet viel weniger weit, als man denkt. Nebst dem Mikrobiom sind da auch noch die Genetik und die Epigenetik, die eine Rolle spielen. Wir sprechen von einer Kombination aus verschiedenen Faktoren, die beim Thema Ernährung, Supplementierung, Trainingsplanung/Steuerung, Regeneration usw. eine entscheidende Rolle spielen. Es wäre Bullshit, um diesen Begriff nochmals aufzugreifen, wenn wir hier schon konkrete Empfehlungen abgeben würden, da wir schlicht noch zu wenig über das Zusammenspiel der oben erwähnten Punkte wissen. Das ganze ist hochkomplex. Die Analyse, wer oder was du genetisch bist, ist das eine. Wie dies epigenetisch abgelesen wird, das andere. Der Link zu einer konkreten Empfehlung, zum Beispiel in Bezug auf Ernährung oder Supplementierung, muss zuerst noch entschlüsselt werden. Erst dann lassen sich schlüssige Aussagen treffen.
Der Fitnessmarkt boomt, Stichwort Functional Foods: Ich kann auch bei der Migros oder im Coop entsprechende Produkte kaufen. Ist das dann Bullshit?
Wenn du im Schweizer Detailhandel Proteinpulver kaufst, kannst du davon ausgehen, dass es sich um ein sauberes Produkt handelt, das nicht verunreinigt ist. Häufig enthalten diese Produkte im Gegensatz den den High-End Präparaten unnötige Zusatzstoffe und Zucker. Dann wird oft auch zusätzlich Salz beigefügt, um den Geschmack zu verstärken. Die Produktesicherheit ist aber wie gesagt gewährleistet.
Wie gefährlich ist der Kauf im Internet, bei einem mir unbekannten Anbieter?
Davon würde ich dringend abraten. Hier gibt es keine Kontrolle und das kann unter Umständen gesundheitsschädlich sein.
Der Markt entwickelt sich rasch weiter, regelmässig tauchen neue Produkte auf. Welches sind die Trendprodukte, wohin entwickelt sich die Branche?
Einerseits sollen die Produkte möglichst nachhaltig und clean sein, möglichst ohne unnötigen Zucker und neuerdings auch ohne Süssstoffe. Übergeordnet geht der Trend ganz klar in Richtung Convenience. Ready to consume-Produkte in Form von Getränken und Riegeln. Funktionelle Gums sind ein stark wachsendes Segment. Plant Based bleibt sicherlich ein Trend und die nachhaltige Verpackung mit weniger Plastikanteil. Und inhaltlich dreht sich natürlich alles um Proteine.
Die Netzwerke hinter Nutriathletic
Was sind die Netzwerk hinter Nutriathletic, im Bereich Forschung, Entwicklung, Produktion etc.?
Entwickelt werden die Produkte in einer Labor-Küche hier in Einsiedeln. Das wichtigste Netzwerk sind die Rohstoff-Hersteller. Mit diesen pflegen wir einen regen Austausch und sind auch aktiv an der Weiterentwicklung der Rohstoffe beteiligt.
Hast du ein Beispiel?
Cascara, also die Kaffeekirsche, ist in der Schweiz noch nicht zugelassen. Hier sind wir stark im Prozess involviert, wie wir diesen Rohstoff in der Lebensmittelindustrie, nicht nur in der Sportnahrung, zum Einsatz bringen können. Wir wollen also nicht nur fixfertige Rohstoffe einkaufen, sondern mit unserem Knowhow auch einen aktiven Beitrag zur Entwicklung leisten. Und natürlich können wir auf diese Weise auch noch besser die Reinheit unserer Endprodukte gewährleisten.
Ein weiteres sehr wichtiges Netzwerk sind die klinisch-wissenschaftlichen Kontakte, die wir intensiv pflegen. In diesem Bereich stehen wir in regem Austausch, unter anderem mit Forschern von Forschungsinstitutionen wie der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (EMPA). Und natürlich bestehen Kontakte zu Experten an internationalen Universitäten und der ETH. Der Schlüssel zu unserem Unternehmenserfolg ist jedoch ganz klar das Produktsourcing und die Weiterentwicklung der Rohstoffe.
Im Bereich der Riegel, die ihre noch nicht sehr lange im Angebot habt, seid ihr einen neuen Weg gegangen.
Genau. Bisher mussten solche Müsliriegel im Prinzip stets mit Zucker, sei es in Form von Honig oder Sirup, gebunden werden. Das wollten wir für unsere Riegel aber nicht. Schliesslich fanden wir in Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus der Industrie einen Weg diese Produkte ohne den Zusatz von Zucker herzustellen. Darauf sind wir stolz.
Du sprichst die Industrie an. Wer sind eure Partner?
Das sind beispielsweise zum einen grosse Schweizer Milchverarbeiter, Fleischproduzenten und Firmen im Backbereich. Und zum anderen natürlich auch Getränkeproduzenten wie die Bina, die unsere Getränkelinie produziert. Du siehst, wir sind auf vielen Ebenen gut vernetzt. So stellen wir auch sicher, dass ein steter Wissenstransfer in alle Richtungen stattfindet, sei es mit Rohstoffherstellern, sei es mit Hochschulen oder mit der Industrie. Wir mischen also nicht bloss ein paar Pülverchen zusammen (schmunzelt).
Welche Rolle spielen in der Vermarktung eurer Produkte die Athlet*innen? Sponser zum Beispiel ist hier ja der Platzhirsch. Auf jedem zweiten Bidon, prangt deren Logo.
Sie haben schon ein unglaubliches Portfolio an Sportler*innen, die Sponser konsumieren. Von Nino Schurter bis zu den Top-Ski-Cracks sind alle damit unterwegs. Das ist jedoch nicht unser Weg. Wir setzen auf aktive Partnerschaften mit bekannten Sportgrössen. Aber nur, wenn mit ihrem Engagement auch ein Wissenstransfer stattfindet. Ausschliesslich für die Vermarktung sehe ich das nicht. Unser Motto lautet eher: Von Sportlern für Sportler. Deren Feedback zu unseren Produkten fliesst mit in die Weiterentwicklung ein. Die Glaubwürdigkeit des Brands basiert auf unserem wissenschaftlichen Hintergrund, nicht auf möglichst vielen Werbeträgern.
Und was heisst das jetzt alles konkret für mich als Hobbysportler, der regelmässig Kraft- und Ausdauertraining betreibt? Welche Produkte von Nutriathletic empfiehlst du mir und warum?
Zuerst brauchst du eine gute Basisernährung. Das heisst, eine genügende Versorgung mit den grundlegenden Nährstoffen wie Kohlenhydrat, Eiweiss und Fett. Daneben schaust du darauf, genügend zu schlafen. Also mindestens sieben bis acht Stunden pro Nacht. Das sind mal die grossen Stellschrauben, die in Verbindung mit deinem Trainingsplan stimmen müssen.
Du machst zwei- bis dreimal pro Woche Krafttraining, gehst ein- bis zweimal Radfahren und ernährst dich nicht vegan? Dann empfehle ich dir Nutriathletic Grow, ein vorverdautes, aufgespaltenes Molkeprotein, dessen Aminosäuren sehr schnell im Blutkreislauf nachweisbar sind. Davon nimmst du nach jedem Muskeltraining eine Portion. Und vor dem Workout empfehle ich dir unser koffeinbasiertes Boost. Zum Beispiel als Getränk, das du vor einem Muskeltraining zu dir nimmst, solltest du dich mal schlapp fühlen. Es verbessert die Durchblutung und hilft so, ein hartes Training besser durchzustehen. Während des Workouts nimmst du dann nur noch Wasser zu dir. So bist du in Bezug auf Muskeltraining gut abgedeckt.
Wie sieht es beim Cardiotraining aus?
Kommt darauf an, wie lange du trainierst. Für alle Einheiten unter einer Stunde reicht Wasser völlig. Während längerer Trainings empfehle ich ein hypotonisches Sportgetränk, wie zum Beispiel unser Reload oder Fuel, ein gut verträgliches Kohlehydrat-Mineralstoff-Pulver.
Und was ist mit Kreatin?
Kreatin ist eigentlich eine Energiequelle für deine Muskelzellen. Einfach gesagt erhöhst du mit Kreatin die Energiekapazität in deinen Muskelzellen. Damit lassen sich hochintensive Einheiten ein wenig länger durchhalten. Oft haben Leute dann das Gefühl, sie hätten mehr Kraft, wenn sie ein bestimmtes Gewicht zehnmal statt achtmal bewegen können. Das stimmt aber nicht. Sie haben durch Kreatin mehr Ausdauer, nicht mehr Kraft. Allerdings ist es sehr wichtig darauf zu achten, dass du nur reines Kreatin, am besten Creapure, zu dir nimmst.
Kreatin hat aber noch einen anderen Effekt. Die meisten Menschen, die es regelmässig zu sich nehmen, legen einige Kilo Körpergewicht zu. Es handelt sich dabei um Wasser, das in den Zellen gebunden wird. Dadurch wirkt die Muskulatur satter oder praller. Das ist jedoch ein rein ästhetischer Nebeneffekt, der aber für die Badi durchaus seinen Reiz haben kann (lacht).
Patrick Bardelli
Senior Editor
Patrick.Bardelli@digitecgalaxus.chVom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.