Wie sich Ausdauer bei Kindern auf die Konzentration auswirkt
Wie hängen körperliche Fitness, Konzentrationsfähigkeit und Lebensqualität bei Primarschüler:innen zusammen? Eine Studie der TU München zeigt auf, dass sportliche Kinder auch in anderen Bereichen profitieren.
Als Papi zweier Primarschulkinder hat mich diese Studie sofort interessiert. Forschende der TU München haben drei Aspekte des Lebens von Kindern im Alter von 6 bis 10 Jahren unter die Lupe genommen: Wie fit sind sie körperlich? Wie gut können sie sich konzentrieren? Und wie ist es um ihr Wohlbefinden, ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität bestellt? Ziel der Untersuchung war es unter anderem, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bereichen zu erkennen. Eine Sportmotorische Bestandesaufnahme gibt es bei uns in Zürich in der ersten Klasse auch. Dazu gezielte Förderprogramme für die Stärksten und Schwächsten. Aber wie sich die Ergebnisse aus der Turnhalle im Klassenzimmer auswirken können? Keine Ahnung. Deshalb also der Blick nach Bayern.
6533 Kinder, drei Haupterkenntnisse
Insgesamt 3285 Mädchen und 3248 Jungen aus dem Berchtesgadener Land sind nicht nur gerannt und gesprungen. Sie haben auch eine Konzentrationsaufgabe erledigt, bevor mit statistischen Verfahren Zusammenhänge gesucht wurden. Neben allgemeinen Unterschieden zwischen Jungen und Mädchen und den verschiedenen Altersgruppen interessierten sich die Forschenden speziell für die 9 bis 10-Jährigen. Sie füllten einen Fragebogen zu ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität aus. Drei Haupterkenntnisse ihrer Analysen hebt das Autorenteam besonders hervor.
Bei den sportlichen Aufgaben hatten die Jungs ab sieben Jahren die Nase vorn. Sowohl bei den Lauf-/Ausdauertests, anhand derer die maximale Sauerstoffaufnahme abzuschätzen ist, als auch bei den Krafttests Standweitsprung, Liegestütze und Handgriffstärke schnitten sie besser ab. Nur bei der Rumpfübung (Curl-ups) nicht.
Was die Konzentrationsfähigkeit angeht, waren die Mädchen besser. Bei diesem Test mussten die Kinder möglichst schnell alle «d» in einem Text markieren. Die Mädchen konnten sich nicht nur besser auf diese Aufgabe fokussieren, sie schätzten ausserdem ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität generell höher ein.
Ausdauernde Kinder können sich oft besser konzentrieren und sind zufriedener. Eine hohe geschätzte maximale Sauerstoffaufnahme war der stärkste Hinweis auf gute Werte in den anderen beiden Kategorien. Der massgebende Test dafür ist ein Pendellauf über 20 Meter in vorgegebener Geschwindigkeit, die regelmässig gesteigert wird.
Startvorteile in der Schule
Sportliche Jungen und Mädchen mit guten Ausdauerwerten scheinen einen Startvorteil zu haben, der sich nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf die Schulkarriere auswirkt. Die Überzeugung, dass Bewegung Teil des kindlichen Alltags sein muss, hat sich bei uns zum Glück längst durchgesetzt. Dass sich schon bei den Jüngsten ein positiver Zusammenhang mit anderen Lebensbereichen aufzeigen lässt, finde ich trotzdem spannend.
Übergewichtige und adipöse Kinder schnitten nicht nur bei den sportlichen Aufgaben schwächer ab. Sie konnten sich auch schlechter konzentrieren und waren unzufriedener, was das körperliche Wohlbefinden, ihr Selbstvertrauen, den Umgang mit Freunden und den Schulalltag angeht. Es ist also nie zu früh, gezielte Angebote zu machen, die bei allen Freude an der Bewegung wecken. Das klappt am besten, wenn Schule, Eltern und Vereine sich von Anfang an gegenseitig unterstützen.
Im Kinder- und Jugendbericht der Studie Sport Schweiz von 2020 zeigt sich eine schöne Tendenz: Im Vergleich zu früheren Erhebungen machen die 10- bis 19-Jährigen inzwischen wieder mehr Sport in der Freizeit. Ausserdem wird der Schulsport als angenehm, organisiert, spannend und lehrreich empfunden – wobei die Lektionen nach Meinung der Kinder noch anstrengender sein dürften.
Titelbild: ShutterstockSportwissenschaftler, Hochleistungspapi und Homeofficer im Dienste Ihrer Majestät der Schildkröte.