Wie ich mit einem Tolino Vision 6 zum E-Book-Leser wurde
Produkttest

Wie ich mit einem Tolino Vision 6 zum E-Book-Leser wurde

Lange konnte ich mich für E-Book-Reader nicht wirklich erwärmen. Nach zwei Wochen Strandferien mit dem Vision 6 von Tolino kaufe ich keine neuen gedruckten Bücher mehr.

Bei mir zuhause gibt es viele Bücher. Sehr viele Bücher. In unserer Familie wird viel gelesen. Meine Frau findet, jedes gelesene Buch verdient einen Platz im Bücherregal. Jedes. Ich dagegen leide nicht an dieser Aufbewahreritis. Denn Bücher brauchen Platz. Auch im Koffer. Deshalb habe ich dieses Jahr in die Sommerferien als Lesestoff neben zwei schmalen Romanen nur noch einen E-Book-Reader in den Koffer gepackt. Die Ferien sollten mir die Frage beantworten: Werde ich keine Bücher mehr aufheben, weil ich dank E-Reader gar keine mehr in physischer Form kaufe?

Das Gerät der Wahl für meine Print-Entwöhnungskur war ein Tolino Vision 6, einer der am meisten verkauften E-Reader bei uns im Shop.

tolino vision 6 (7", 16 GB, Black)

tolino vision 6

7", 16 GB, Black

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eReader

tolino vision 6

7", 16 GB, Black

Er hat in einem Vergleichstest der «Stiftung Warentest» kürzlich eine gute Note erhalten. Ich habe den Vision 6 als Testgerät von Orell Füssli zur Verfügung gestellt bekommen. Deshalb war nach der Inbetriebnahme auch gleich der digitale Shop des Buchhändlers installiert, was für mich als Nutzer irgendwie bequem und für Orell Füssli ein Versprechen für künftige Umsätze mit mir ist.

Doch vor der Software der Blick auf die Hardware. Der Tolino hat ein E-Ink-Display mit einer Fläche von etwa 11 mal 14 Zentimetern. Das ist in etwa die Breite einer Seite eines gedruckten Taschenbuchs, allerdings etwa vier Zentimeter weniger hoch. Der rechte Rand ist breiter, dort gibt es zwei Knöpfe zum Blättern im E-Book. Seitlich ist der USB-C-Anschluss zum Laden. Hältst du den E-Reader lieber mit der linken Hand, kannst du ihn auch einfach drehen. Auf dem Bildschirm erscheint dann ein Symbol, das nach Antippen auch den Inhalt dreht.

Auf der Rückseite gibt es nur einen Knopf zum Ein- bzw. Ausschalten. Mit etwas über 200 Gramm habe ich beim Tolino gleich viel Gewicht in der Hand wie bei einem Taschenbuch. Sehr angenehm finde ich beim Vision 6 das Material der Rückseite. Es ist strukturiert und fühlt sich wie gummiert an. Dadurch lässt es sich gut halten. Die Finger werden auch beim längeren Lesen nicht schwitzig.

Die Rückseite des Vision 6 bietet angenehmen Grip.
Die Rückseite des Vision 6 bietet angenehmen Grip.

Mit dem Vision 6 kann ich auch im Dunkeln lesen. Eingebauter Beleuchtung sei Dank. Im Menü kann ich Intensität und Farbtemperatur einstellen. Ich habe damit nur einmal kurz herumgespielt, dann aber der sehr guten Automatik den Job überlassen. Egal ob am Strand oder am späten Abend auf der Terrasse – ich konnte in jeder Situation problemlos lesen. Falls du übrigens Dark-Mode-Fan bist, wirst du dich freuen: Tolino bietet beim Vision 6 auch den dunklen Erscheinungsmodus. Du liest dann helle Schrift auf dunklem Hintergrund.

Erst die Einstellungen, dann die Lesefreude

Ich habe in den Ferien drei Bücher auf dem Tolino gelesen. Fürs erste habe ich am längsten gebraucht. Nicht, weil es das dickste gewesen wäre. Nein, ich habe ein paar Mal an den Einstellungen geschraubt, bis ich Schriftgrösse, Seitenrand und Zeilenausrichtung so hatte, wie ich es wollte. Der als Default gesetzte «Verlagsstandard» hat mich nicht überzeugt. Die Schrift war mir zu gross und zu wenig gut lesbar. Ist aber sicher Geschmackssache.

Die Einstellmöglichkeiten für die Darstellung der Seiten sind umfassend.
Die Einstellmöglichkeiten für die Darstellung der Seiten sind umfassend.

Worüber ich mir nämlich in meiner bisherigen Karriere als Analog-Leser keine Gedanken gemacht hatte, war plötzlich interessant geworden. Ein Buch zu gestalten ist ein Handwerk, bei dem man vieles falsch machen kann. Wie viele Wörter gehören in eine Zeile, wie viele Zeilen sind ein Absatz? Blocksatz oder Flattersatz? Welche Schriftart? Welche Schriftgrösse? All das, was in einem gekauften und gedruckten Buch jemand für mich vorher entschieden hatte, musste ich nun definieren.

Ich habe versucht, so nahe wie möglich an ein «echtes» Buch heranzukommen, es aber aufgrund des Formats nie geschafft. So muss ich mich beim E-Book damit abfinden, dass es immer wieder Hurenkinder und Schusterjungen gibt, also verloren wirkende Textzeilen unten oder oben auf einer Seite.

Augen zu und weiterblättern, lautet meine Devise bei so einem Einblick. Das passiert durch Drücken der physischen Tasten am Rand. Oder ich tippe kurz auf den Bildschirm. Mit einer minimalen Verzögerung von ein paar Zehntel Sekunden baut sich auf dem E-Ink-Screen dann die nächste Seite auf. Ein paar Mal klappt das nicht auf Anhieb. Beim Tippen auf den Screen, genauso wie bei Nutzung der Taste, geschieht dann: nichts. Manchmal hilft es dann, eine Seite zurückzublättern, und dann wieder nach vorne. Das Problem gibt es selten und ich habe bisher kein Muster feststellen können.

Gewöhnen musste ich mich während des Lesens daran, dass ich im Buch gefühlt nicht vorwärts komme. Im gedruckten Buch zeigt mir die Menge Papier in meiner linken Hand, was ich schon gelesen habe, während ich in der rechten die Seiten halte, die noch vor mir liegen. Der E-Reader fühlt sich von der ersten bis zur letzten Seite gleich an beim Halten. Die Fortschritte sehe ich einzig unten in der Mitte auf dem Bildschirm. Dort steht meine aktuelle Seite und die Nummer der letzten Seite des Buchs.

Während ich bisher ein physisches Lesezeichen bei Pausen brauchte, tippe ich beim Vision 6 rechts oben in die Ecke des Screens und generiere ein digitales Lesezeichen. Wobei das im Prinzip nicht nötig ist. Denn der E-Reader zeigt mir beim erneuten Einschalten nach einer Pause ohnehin wieder die Stelle im Buch an, wo ich stehengeblieben war. Sehr praktisch.

E-Ink schlägt OLED und Co. – zumindest beim Lesen

Vor der E-Book-Erfahrung habe ich Texte entweder auf gedrucktem Papier gelesen, auf dem Monitor oder auf den Screens von iPhone und iPad. Lesen auf einem E-Ink-Display ist für mich näher am Erlebnis auf Papier als auf mobilen Devices. Was ich beim Lesen eines Romans angenehm finde und sich für mich richtig anfühlt. Ja, klar könnte ich ein Buch auch in einer E-Book-App auf dem Tablet lesen. Aber ich mag die Entschleunigung, die ein E-Ink-Display bedeutet: Inhalt, der sich nicht dauernd refreshed, das etwas rauere Gefühl am Finger im Vergleich zu den Gorilla-Gläsern von Apple und Co., das fehlende Leuchten des Screens. Kein Push, der plötzlich auf dem Screen auftaucht.

Vor meinem Ferien-Versuch hatte ich mir noch Gedanken gemacht, ob die Auflösung des Vision 6 genügt, um Schrift ausreichend scharf darzustellen. Ich hätte sie mir nicht machen müssen. Die HD-Auflösung mit 1264 x 1680 Bildpunkten reicht völlig. Nur, wenn ich mit dem Makro-Objektiv meines iPhone 13 Pro ganz nah herangehe, zeigen sich leicht verschwommene Konturen. Trotz 300 ppi. Beim normalen Lesen fällt mir das nicht auf. Was aber vielleicht auch an meinem aus Altersgründen abnehmenden Sehvermögen liegen könnte.

Bei starkem Sonnenschein und genauem Blick siehst du hinter den Zeilen einen leichten E-Ink-Schatten.
Bei starkem Sonnenschein und genauem Blick siehst du hinter den Zeilen einen leichten E-Ink-Schatten.
Und wenn du ganz, ganz nah rangehst, sind die Buchstaben ein wenig ausgefranst. Beim normalen Lesen fällt das aber nicht auf.
Und wenn du ganz, ganz nah rangehst, sind die Buchstaben ein wenig ausgefranst. Beim normalen Lesen fällt das aber nicht auf.

E-Ink hat vor allem den grossen Vorteil, wenig Strom zu benötigen. Während ein Tablet bei intensiver Nutzung fast täglich ans Ladekabel muss, hält der Tolino über eine Woche durch. Die 1500 mAh reichen gemäss einem Testbericht bei allesbook.de bei 50 Prozent Beleuchung für um die 17 Stunden Lesezeit.

Lesestoff kommt aus vielen Quellen

Wie oben erwähnt, führt der schnellste und einfachste Weg, ein digitales Buch auf den Tolino zu bekommen über den vorinstallierten Orell-Füssli-Shop. Mit einem Kundenkonto dort ist Einkaufen fast so einfach wie hier bei Digitec und Galaxus. (Sorry, der Einschub musste jetzt sein.) Andere Shops können auch genutzt werden, das ist dann nur etwas umständlicher.

Tolino kann aber auch Bücher aus anderen Quellen und in anderen Formaten anzeigen, konkret: EPUB und PDF. Auch TXT-Formate können eingelesen werden. Ich habe bei meinem Test zum Beispiel das PDF eines Magazins ausprobiert und die EPUB-Version der Wochenzeitung «Die Zeit» problemlos auf dem Tolino lesen können. Wobei mir das Zeitungsseiten-Gefühl im Vergleich zum Lesen auf dem iPad so stark fehlt, dass es beim Ausprobieren geblieben ist. Fotos zum Beispiel werden nicht farbig angezeigt, sondern in Schwarzweiss.

So sieht ein Foto aus der «Zeit» aus, wenn ich die Wochenzeitung auf dem Tolino Vision 6 lese.
So sieht ein Foto aus der «Zeit» aus, wenn ich die Wochenzeitung auf dem Tolino Vision 6 lese.

Richtig nervig wird es, wenn du dir ein E-Book über das Portal von öffentlichen Bibliotheken in der Schweiz ausleihen willst. Zugang zur Onleihe – dem gemeinsamen Portal von Bibliotheken – gibt es auf dem Tolino nämlich nur über den integrierten Browser. Dieses Erlebnis hätte ich mir am liebsten erspart. Denn das Surfen im Internet auf einem E-Reader-Browser fühlt sich so an wie jenes mit einem 14k-Modem in den Neunzigern. Da hilft auch der im Tolino steckende Quad-Core-Prozessor mit 1,8 GHz nicht viel, um dem vorinstallierten DuckDuckGo Beine zu machen. Irgendwie gibt es wohl auch Wege, Bücher erst über den PC oder Mac auszuleihen, das Format zu wechseln, die Frage des Kopierschutzes zu klären und sie dann auf den E-Reader zu transferieren. Aber da überlasse ich das Feld mit guten Tipps gerne der Kollegin, die für «PCtipp» nach sicher umfassenderer Recherche in den Irrungen und Wirrungen einen Ratgeber verfasst hat.

Fazit

Der Tolino Vision 6 hat seinen Platz in meiner Leseroutine gefunden. Noch lese ich auch gedruckte Werke. Einfach, weil ich diese schon vor meinem E-Reader-Versuch gekauft hatte. Künftig aber werde ich mir Bücher wohl öfter auf den E-Reader laden, sogar solche aus der digitalen Bibliothek. Trotz des miesen Nutzererlebnisses.

Dieses Ärgernis gleichen die Vorteile aus. In der Regel hänge ich den Tolino einmal in der Woche ans USB-C-Kabel zum Laden und kann immer, wenn mir danach ist, meine Lektüre fortführen. Der E-Reader liegt gut und angenehm in der Hand. Blättern per Knopf oder Tippen auf den Bildschirm werden schnell Gewohnheit, und ich vermisse das echte Umblättern nicht.

Nur manchmal überkommt mich ein Hauch von Schuldgefühl, weil statt kunstvoller Buchcover auf meinem Nachttisch jetzt eben nur ein weiteres digitales Gerät liegt. Obwohl es ja schon irgendwie niedlich ist, wenn es schläft.

Schlafender Tolino. Wartend auf seinen nächsten Leseeinsatz.
Schlafender Tolino. Wartend auf seinen nächsten Leseeinsatz.

P.S.: Ich habe zeitgleich mit dem Tolino Vision 6 den Kobo Libra 2 getestet. Er ist weitgehend baugleich mit dem Tolino, bietet allerdings Bluetooth zusätzlich. Hier findest du beide im Produktvergleich im Shop. Allerdings hat der Kobo einen anderen Shop für den Kauf von Büchern vorinstalliert, er kann zusätzlich mit Bluetooth verbunden werden, und es gibt ihn auch in Weiss statt nur in Schwarz.

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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