Warum wir alle drei Monate Neujahr feiern sollten
Plötzlich stehen sie alle wieder auf der Fitnessmatte. Das ist toll und immerhin schon die halbe Miete. Aber eben auch erst. Warum du trotzdem nicht auf Neujahrsvorsätze pfeifen solltest – und sie stattdessen sogar noch häufiger fassen solltest.
Jedes Jahr im Januar reibe ich mir die Augen. Dann, wenn ich in meinem Zweitjob als Gruppenfitness-Trainerin plötzlich vor unfassbar vielen Menschen stehe – vielen mehr als noch wenige Wochen zuvor. Überraschend ist das nicht, aber immer aufs Neue faszinierend. «Mehr Sport» steht in ihren Augen geschrieben. Hoch motiviert blicken sie mich an, startbereit, sich in den nächsten Minuten mit mir zu verausgaben.
Und das tun sie dann auch. Verschwitzt, zufrieden und stolz wie ein Pfau ziehen sie eine Stunde später wieder von dannen. Und ich – nicht minder happy – frage mich: Wo wart ihr denn die ganze Zeit? Und warum seid ihr nicht schon vorher alle gekommen?
Der Dezember muss es sein
Vorsätze werden nun einmal im Januar gefasst. Nicht im April. Nicht im Oktober. Und schon gar nicht im Dezember. Zu Zeiten von Selbstoptimierung und Achtsamkeit dürfte man eigentlich meinen, dass tagtäglich am eigenen Wohlbefinden feinjustiert wird. Und dass allen klar sein dürfte, dass ein aktives Leben zur (mentalen) Gesundheit und Zufriedenheit beiträgt. Aber so einfach ist das mit der Routine dann eben doch nicht.
«Das ganze Jahr über liest und hört man, was ein gesundes Leben ausmacht. Die Feiertage geben den Freiraum, das alles Revue passieren zu lassen», erklärt die Gesundheitspsychologin Sonia Lippke der Bremer Jacobs University der «Ärzte Zeitung». Im Kleinen kannst du dieses Phänomen sogar wöchentlich beobachten: Warum sonst scheint der Montag – frisch nach dem Sofasonntag – der beliebteste Trainingstag zu sein.
Im Januar aber, da rennen sie den Fitnesscentern und -trainerinnen förmlich die Bude ein. Nach den völlerischen Weihnachtstagen und viel Zeit für die eigene Vorsatzliste stehen sie alle wieder auf der Matte im Kursraum. Feilschen im Kraftbereich um die Geräte. Decken sich mit zusätzlichem Home-Equipment ein. Oder begeben sich in Scharen ins Outdoor-Training – bei Minustemperaturen. Die Motivation ist schliesslich jetzt da und kommt nicht mit dem Frühlingserwachen.
Der innere Schweinehund macht sich breit
Versteh mich bitte nicht falsch. Ich finde das ganz grossartig! Kommet alle, gross und klein, jung und alt, dünn und korpulent. Ich freue mich über jeden einzelnen neuen Sportenthusiasten, der den Weg ins Training findet. Und noch viel mehr über diejenigen, die bleiben.
Denn auch das ist leider jedes Jahr typisch: Viele Hochmotivierte springen bald wieder ab. Du kannst dabei zuschauen, wie sich die Gruppenfitnesskurse und Gymräume ab Ende Januar von Woche zu Woche mehr leeren, spätestens im März sehen sie dann wieder so aus wie vor dem Jahreswechsel. Die Routiniers freuen sich, dass sie ihren Platz zurück haben. Die, die Platz gemacht haben, ärgern sich, dass aus den sportlichen Vorsätzen (mal wieder) nichts geworden ist.
Der innere Schweinehund ist aber auch ein ganz fieser. Schleichend nistet er sich bei dir ein, erstmal ohne dass du ihn überhaupt bemerkst. Bis er dann vollends die Überhand genommen hat.
Da hast du endlich nicht nur den Entschluss gefasst, mehr für deine Fitness zu tun, sondern das Vorhaben auch in Angriff genommen, da kommt schon die erste Hürde. Der Babysitter fällt aus. Kurz darauf wird das Kind auch noch krank. Und du fühlst dich ohnehin auch kränkelig. Ausgerechnet, wenn deine Erkältung auskuriert ist, musst du aber abends länger arbeiten. Dann geht’s mit den Zeugnisgesprächen und Jahresmeetings los und eigentlich solltest du abends ja auch mal zu Hause bei deiner Familie sein … Irgendetwas ist immer. Es ist wie verhext.
Happy Neuquintal!
Aber weisst du was: Es bleibt verhext. Irgendwas ist auch später immer. Trotzdem kannst du dir Zeit für den Sport nehmen und fix einplanen. Warum also solltest du es mit deinem sportlichen Neujahrsvorsatz nicht einfach im März nochmals versuchen? Weil der Wiedereinstieg noch beschwerlicher ist? Mag sein. Fest steht: Bis im kommenden Januar ist dein Comeback noch viel strapaziöser.
Geh nochmals über die Bücher: Woran ist dein Vorsatz diesmal gescheitert? Hast du dir zu viel vorgenommen? Kein genug konkretes Ziel gesetzt? «Mehr Sport» ist vielleicht zu schwammig. Und «ein Halbmarathon laufen» ist zwar konkret – aber aus einem Sportmuffel wird nun mal nicht gleich ein Marathonläufer. Jeder kleine Schritt zählt.
Und dann feierst du einfach schon Anfang April wieder Neujahr – quasi Neuquintal. Und wenn’s sein muss, im Juli und Oktober gleich noch einmal. Immer und immer wieder. Bis die Routine sitzt.
Guten Rutsch und happy Neuquintal!
Wie du deine Ziele nachhaltig formulierst und mit welchen Tricks und mentalen Strategien du deine Motivation aufrecht erhältst, zeigt dir meine Kollegin, Sport-Redaktorin Siri Schubert.
Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.