Warum werden immer mehr Angebote zu Abos?
Die Idee der Logitech-Geschäftsleitung für eine immerwährende Abo-Maus erscheint absurd. Sie zeigt aber vor allem den Trend: Immer mehr Angebote werden in Abos umfunktioniert. Ein Erklärungsversuch, warum das so ist.
Logitech-Geschäftsführerin Hanneke Faber hat in einem Podcast laut über ein Abomodell für Computermäuse nachgedacht. Eine etwas merkwürdige Idee – Mäuse scheinen ungefähr das Letzte, was sich für ein Abo eignet. Die Idee ruft Empörung hervor. Denn schon länger breitet sich das Gefühl aus, Abos würden immer weiter in Bereiche vordringen, wo sie nicht hingehören. Insbesondere im Bereich der Software verbreiten sich Abomodelle immer mehr – oft ohne Alternative und gegen den Willen der Kundinnen und Kunden. Warum eigentlich?
Einige Abos waren schon immer sinnvoll
Abomodelle gibt es schon lange und in vielen Bereichen sind sie auch sinnvoll. Zum Beispiel bei Zeitungen und Zeitschriften. Durch ihren Aktualitätsbezug sind die Produkte kurzlebig und müssen ständig erneuert werden. Ein Abo ergab zumindest vor dem Internetzeitalter Sinn.
Ähnlich sieht es bei den öffentlichen Verkehrsmitteln aus. Wer pendelt, braucht jeden Tag exakt das gleiche Ticket. Warum also nicht gleich ein Abo lösen?
In beiden Fällen gibt es – meistens – keinen Abozwang. Doch ein Abo ist bequemer und bei häufiger Nutzung auch günstiger. Die Kundinnen und Kunden ziehen also Vorteile aus dem Abo.
Eine Computermaus unterscheidet sich da fundamental: Man kauft sie einmal und nutzt sie dann während vieler Jahre. Die Logitech-Geschäftsführerin dachte auch keineswegs an ein Abomodell im Sinne von ständigem Nachschub. Im Gegenteil soll die gleiche Maus möglichst lange behalten werden. Das Abo soll aus Updates und Diensten rund um die Maus bestehen.
Kundenbindung aka Abhängigkeit
Also eine Art Service- oder Software-Abo. Im Softwarebereich sind Abomodelle auf dem Vormarsch. Da Software ständig weiterentwickelt wird, kann das durchaus sinnvoll sein. Oft sind auch Dienstleistungen wie Cloud-Speicher darin enthalten, die sowieso periodisch bezahlt werden müssten.
Bloss ist nicht klar, inwiefern eine Maus von Zusatzdiensten profitieren soll. Es ist ein unkompliziertes Gerät, Plug and Play im besten Sinn. Ich denke, wir haben schon genug Geräte im Alltag, die ständig aktualisiert werden müssen. Schön, dass es noch Dinge gibt wie Mäuse, die einfach funktionieren.
Selbst dort, wo Software immer aktuell sein muss, sind Abos umstritten. Sehr oft bevorzugen es Kunden, eine Software einmal zu kaufen und dann für immer zu besitzen. Um das herauszufinden, hätte es nicht unbedingt eine Studie von Deloitte gebraucht. Würden sich die User nämlich von selbst für das Abo entscheiden, müsste man sie nicht dazu zwingen. Wie es zum Beispiel Adobe tut.
Preislich sind die Adobe-Abos durchaus attraktiv. Mit 11.90 Franken pro Monat für Photoshop und Lightroom kannst du diese beiden Programme sieben Jahre benutzen, bis du den Betrag von 1000 Franken überschreitest. So viel kostete früher schon Photoshop alleine. Ohne Lightroom. Die Bezahlung in kleinen Häppchen senkt auch die Einstiegshürde.
Aber diese Abos schaffen ein Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt, anders als bei einer Zeitung oder dem Abo für den öffentlichen Verkehr, keinen einfachen Ausstieg mehr. Steige ich bei Adobe aus, kann ich nicht mal mehr meine alten Files öffnen. Diese Abhängigkeit ist es, die viele Leute stört.
Für die Anbieter verschwinden die Nachteile
Aus Sicht der Anbieter ist die Abhängigkeit erwünscht – sie nennen das dann «Kundenbindung». Der andere grosse Vorteil von Abos ist, dass sie regelmässige und voraussehbare Einnahmen bringen. So lassen sich Kosten und Investitionen viel besser planen.
Ich vermute, ein weiterer Vorteil gerade in der Software-Entwicklung liegt darin, dass es keine Termine mehr gibt, die eingehalten werden müssen. Eine neue Funktion wird ausgeliefert, wenn sie fertig ist – oder wenn sie im Beta-Stadium ist, um sie von einer grösseren Zahl Nutzer testen zu lassen.
In der Vergangenheit hatten Abomodelle auch Nachteile für die Anbieter. Noch einmal das Beispiel der traditionellen Zeitung. Sie muss physisch zu jedem einzelnen Abonnenten transportiert werden – ein grosser Aufwand, der bei Gratiszeitungen entfällt. Zudem bedeuteten Aufbau und Pflege der Kundendaten früher einen erheblichen Aufwand. Auch das konnten sich die Gratiszeitungen schenken.
Heute sind diese Nachteile weitgehend verschwunden: Die Kundinnen und Kunden pflegen ihre Daten selbst. Sie erstellen selbst ein Konto, tippen dort brav ihre Kontaktdaten ein, ändern die Adresse bei einem Umzug und verlängern oder kündigen selbst. Software und Online-Medien müssen auch nicht mehr zum Endkunden transportiert werden.
Regelmässige Einnahmen auch nach der Goldgräberzeit
Solange PCs ein Wachstumsmarkt waren – gemäss dieser Statistik bis 2011 – konnte es Unternehmen wie Logitech egal sein, dass ihre Produkte selten ersetzt werden mussten. Es gab ja immer neue Kunden. Das gilt indirekt auch für Software-Firmen wie Adobe.
2020 und 2021 gab es noch einmal einen Schub, weil viele Leute auch zuhause einen Office-Arbeitsplatz benötigten. Doch der langfristige Trend zeigt klar nach unten. Die meisten haben, was sie brauchen. Neues schafft man sich nur noch punktuell an.
Die Unternehmen müssen daher neue Wege finden, um die Kunden bei der Stange zu halten. Abos sind eine naheliegende Möglichkeit. Allerdings braucht es dann auch ein Angebot, bei dem ein periodischer Nachschub erwünscht ist.
Überproduktion: Wer soll das alles konsumieren? Du!
Viele Abos haben Flatrate-Charakter. Sie bieten dir unfassbar viel, viel mehr als du jemals nutzen kannst. Etwa die Musikstreaming-Portale. Das klingt verlockend.
Doch damit einher geht das Gefühl, möglichst viel konsumieren zu müssen. Das Abo muss ja ausgenutzt werden, sonst lohnt es sich nicht.
Am All-you-can-eat-Buffet isst du mehr, als dir gut tut. Ganz ähnlich ist es auf Streaming-Portalen und im Game Pass. Binge Watching, Binge Gaming, der vermeintliche Traum wird zur Hölle.
Abo-Modelle sind eine Methode, um Menschen, die bereits zu viel konsumieren, noch mehr aufs Auge zu drücken. Es ist die Antwort auf eine neue Form von Überproduktion.
Schon seit die ersten Textilfabriken im 18. Jahrhundert ihren Betrieb aufnahmen, wurde mehr produziert, als konsumiert werden konnte. Im digitalen Zeitalter dehnt sich die Überproduktion auf Games, Software, Filme und andere Medien aus. Die Produktivität hat sich enorm verbessert. Aber auf die Frage, wer das ganze Zeug eigentlich konsumieren soll, gibt es keine Antwort.
Laut einer Studie von 2023 wurden 45,6 Millionen Songs auf den Streaming-Portalen nie gehört. Nicht ein einziges Mal abgespielt. Tendenz stark steigend. Die generative KI wird diese Zahl noch einmal multiplizieren.
Es gibt auch Gegentrends
Manche Abos existieren, weil es ein Kundenbedürfnis dafür gibt. Andere sind lediglich dazu da, den Umsatz zu erhalten und planbarer zu machen. Wieder andere sind ein Versuch, der Überproduktion Herr zu werden.
Doch glücklicherweise passiert nicht immer das, was sich Manager in Führungsetagen ausdenken. Als Gegenbeispiel kommen mir Mobiltelefone in den Sinn. War es vor 10, 15 Jahren gang und gäbe, sich alle zwei Jahre im Rahmen eines Knebelvertrags ein neues Gerät «schenken» zu lassen, scheint dieses Verkaufsmodell heute weniger verbreitet. Die Leute kaufen wieder vermehrt, was sie wirklich brauchen – und das kann auch mal ein paar Jahre lang gar nichts sein.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.