Warum Fencheltee für Babys und Kleinkinder gefährlich sein kann
Der Gesundheitstrunk für Kinder ist gar nicht so gesund: Wegen eines krebserregenden Stoffes schlagen offizielle Stellen Alarm und warnen vor dem Konsum von Fencheltee. Schwangere, Stillende und Kleinkinder sollen vorläufig ganz darauf verzichten.
Plagen dein Stillkind Bauchschmerzen? Trink Fencheltee. Hat dein Baby Blähungen? Gib ihm Fencheltee. Ist dein Kleinkind erkältet? Gib ihm Fencheltee. Kein Wunder, hat das Hausmittel wohl in jedem Küchenschrank von Familien mit Kindern einen Fixplatz für sich gepachtet: Dem Fenchel werden nicht nur krampf- und schleimlösende Eigenschaften nachgesagt. In Teeform darf er im Gegensatz zu anderen Sorten auch schon Babys verabreicht werden. Zumindest war das seit jeher die allgemeingültige Annahme.
Jetzt gerät das traditionsreiche Heilmittel jedoch zünftig in Verruf. Grund: Der Fenchel enthält Estragol – und dieser natürliche Stoff kann schädlich sein. Neueste Studien weisen jedenfalls darauf hin, dass er in hohen Mengen bedenklich für die Gesundheit ist. Mäuse und Ratten, die Estragol in hoher Konzentration bekamen, sind häufiger an Leberkrebs erkrankt als die, denen kein Estragol verabreicht wurde.
Exakte Estragol-Dosierung ist nicht möglich
Noch ist zwar nicht klar, wie gross die Auswirkungen für Menschen sind. Trotzdem haben verschiedene Behörden bereits Warnungen herausgegeben. Zuerst die Europäische Arzneimittelbehörde im Mai letzten Jahres. Knapp ein Jahr später hat nun auch Swissmedic nachgezogen.
Die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte empfiehlt, Kindern unter vier Jahren nur in Absprache mit einer medizinischen Fachperson Fencheltee zu verabreichen. Und während der Schwangerschaft sowie Stillzeit sogar ganz darauf zu verzichten.
Das Problem beim Fencheltee sei, dass die exakte Dosierung von Estragol nicht möglich sei, heisst es im offiziellen Schreiben vom März. «Faktoren wie etwa die Wassertemperatur und -menge oder die Dauer des Ziehenlassens haben Einfluss auf die Menge der Inhaltsstoffe, die herausgelöst und somit konsumiert werden.» Swissmedic sei in Kontakt mit den Zulassungsinhaberinnen, heisst es weiter. Bei Bedarf würden weitere Massnahmen ergriffen, etwa die Anpassung der Packungsbeilage bei entsprechenden Arzneimitteln.
Allerdings sind fenchelhaltige Tees nicht immer ein Arzneimittel. Im Grossverteiler findest du sie im Teeregal wie jede andere Sorte auch, ebenso bei Galaxus sind sie im Teesortiment erhältlich. Als Nahrungsmittel verkauft, fallen sie in die Zuständigkeit des Bundesamts für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit. Auf Anfrage von SRF heisst es dort: «Für die Substanz Estragol ist die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge nicht bekannt.» Man verfolge die wissenschaftlichen Arbeiten zu Fenchel und Estragol der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und werde «anhand der Resultate über mögliche Massnahmen entscheiden».
Es gibt Alternativen
Jakob Maske, Kinder- und Jugendmediziner sowie Sprecher des deutschen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, stellt gegenüber MDR klar: «Fenchel wird immer eine heilende Wirkung zugeschrieben. Das ist nie wirklich nachgewiesen worden.» Man habe sich früher einfach nie gegen Fencheltee gestellt, «das würden wir jetzt inzwischen tun». In den Tees seien so unterschiedliche Konzentrationen an Estragol drin, dass man tatsächlich mit normalen Mengen auf eine hohe Tagesdosis kommen könne.
Ähnliches sagt Peter Voitl von der Medizinischen Universität und der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien. Der Estragolgehalt in Fencheltees variiere stark. «Wenn man bedenkt, dass Fenchel auch in einigen Babynahrungsmitteln enthalten ist, bleibt die tatsächlich erreichte oder erreichbare Tagesdosis ungewiss und könnte möglicherweise den hepatotoxischen Bereich erreichen.»
Bis das gänzlich geklärt ist, tun Schwangere, Stillende und Kinder unter vier Jahren also gut daran, auf fenchelhaltige (Still-)Tees zu verzichten. Und auf Alternativen zurückzugreifen – aber gibt es die überhaupt? Kamillen- oder Hagenbuttentee empfiehlt der Präsident der Schweizer Kinderärztinnen und -ärzte, Christian Braegger, gegenüber SRF. Der Schweizerische Hebammenverband, der schon vor der Swissmedic-Sicherheitswarnung auf die Fencheltee-Problematik hingewiesen hat, sagt: «Am besten lassen sich stillende Frauen in der Drogerie oder Apotheke beraten und einen Stilltee mischen, der keinen Fenchel enthält», so die Präsidentin Barbara Stocker Kalberer.
Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.