iRobot Roomba s9+
Saugroboter
Das Versprechen eines Roboterstaubsaugers ist geil: Er saugt dir die Hütte und du musst nichts tun. Zumindest in der Theorie. Praktisch sieht es dann doch etwas anders aus, wie der Test des Roomba S9+ von iRobot zeigt.
Seit unsere vierköpfige Familie im Juli dieses Jahres umgezogen ist, liebäugle ich mit einem Roboterstaubsauger. Meine Frau ist dagegen. Einerseits, weil sie meint, dass die Dinger nicht sauber saugen, andererseits, weil sie ihnen nicht traut. Sie befürchtet, dass die Roboter die Weltherrschaft ergreifen wollen.
Ich bin klar anderer Meinung. So ein Roboterstaubsauger funktioniert sicher ganz gut und für die Weltherrschaft sind sie noch zu dumm. Toll, dass ich die Gelegenheit bekomme, den iRobot Roomba S9+ zu testen. Der überzeugt meine Frau bestimmt. Er kostet schliesslich über 1000 Stutz, da muss er etwas taugen beim Saugen. Nach sechs Wochen im Einsatz weiss ich jedoch: Viel Arbeit nimmt mir der Roboterstaubsauger nicht ab und um die Weltherrschaft zu erobern, ist das Teil tatsächlich viel zu blöd.
Der Roboterstaubsauger kommt mit Ladestation inklusive automatischer Absaugstation. Dies mit dem Versprechen, mich monatelang nicht um das Staubsaugen kümmern zu müssen. Weiter befinden sich im Lieferumfang ein Ersatz-Beutel und -Filter sowie eine Bürste.
Falls du wissen möchtest, was den Roomba S9+ sonst noch auszeichnet, schaust du dir am besten das Video von iRobot an. Ich will dir in meinem Review von meinen Erfahrungen erzählen. Schliesslich gibt es das Teil bereits seit 2019 und zig Reviews, die dir alles über die technischen Eigenschaften verraten.
In Betrieb nehme ich den Roomba S9+ mit der iRobot-App. Das ist einfach und innert fünf Minuten erledigt. Ich darf dem Staubsaugerroboter sogar einen Namen geben – Röbi. Doof finde ich, dass ich ein Konto bei iRobot machen muss. Dies ist gemäss Hersteller nötig, damit ich Röbi aus der Cloud mit dem Smartphone steuern kann. Also habe ich schon wieder irgendwo ein Konto mit all meinen Daten. Immerhin: Der Sauger ist bereit für den ersten Einsatz – meine ich zumindest.
Der Roomba S9+ erkennt nämlich keine beweglichen Hindernisse wie Kabel oder Spielzeug. Und Spielzeug liegt in meiner Wohnung viel herum. Zwei kleine Kinder machen verdammt viel Unordnung. Der Löwenanteil der Arbeit – das Aufräumen vorher – muss ich nach wie vor selbst erledigen. Hinzu kommt, dass ich freischwingende Esszimmerstühle habe. Mit denen hat Röbi Probleme, ich muss sie immer auf den Tisch stellen, damit er darunter sauber saugt. Und alle Familienmenschen wissen: Mit Kindern ist es unterm Tisch am dreckigsten.
Die Kinder müssen für eine erfolgreiche Reinigung also A) nicht zu Hause sein, weil sie immer Unordnung machen und Röbi stören, und ich muss B) meine vier Wände auf erst Vordermann bringen. Damit ist schon mal klar, dass ich den Sauger nur laufen lassen kann, wenn ausser mir niemand zu Hause ist. Zum Glück teste ich das Teil für die Arbeit, sonst würde jetzt wieder eine Diskussion darüber losbrechen, was Angestellte im Homeoffice machen – oder eben nicht.
Denn meine Anwesenheit erfordert der Roomba S9+ zu Beginn häufig. Er muss sich bei uns zu Hause einleben. Sprich: Eine virtuelle Karte der Wohung erstellen, damit er weiss, wo sich was befindet. Die erstellt er erst nach mehreren Sauggängen. Bei mir braucht er drei dazu. Ein erstes Indiz dafür, dass Röbi nicht der hellste Stern am Himmel ist. Über die sechs Wochen Saugeinsatz fallen mir fünf weitere Gründe auf, wieso die Roboter die Weltherrschaft nicht an sich reissen werden.
Radiatoren töten Staubsaugerroboter – oder setzen sie zumindest ausser Betrieb. Beim ersten Einsatz fährt Röbi unter einen Heizkörper und klemmt sich dabei selbst ein. Glücklicherweise macht mich die App darauf aufmerksam. Ich befreie ihn aus seiner misslichen Lage und er reinigt weiter. Sehr wahrscheinlich hat sich Röbi diese Gefahrenzone gemerkt: Bei allen weiteren Sauggängen klemmt er sich nicht mehr selbst ein. Der erste Versuch, die Weltherrschaft an sich zu reissen, ist dennoch gescheitert.
Und ich dachte, das passiert nur meinen Kindern: Kurz nach dieser ersten Panne sperrt sich Röbi selbst ein. Er hat die Türe beim Reinigen zugestossen. Stossen kann er, ziehen jedoch nicht. Und so bleibt er erneut stecken. Auch hier benachrichtigt mich die App. Ich versuche es mit Türstoppern, aber die stösst Röbi einfach weg. Ein anderer Trick verschafft dann Abhilfe, den ich beim nächsten gescheiterten Versuch zur Eroberung der Weltherrschaft anwende.
Kurz nachdem sich Röbi selbst eingesperrt hat, steckt er schon wieder fest. Er schafft es nicht über die Türschwellen und damit nicht aus dem Schlafzimmer. Die Schwellen in unserer Wohnung sind türseitig maximal 22 Millimeter hoch. Dieses Problem lässt sich einfach umgehen: Ich kaufe im Baumarkt Eckschutzleisten und säge diese auf Türbreite zu. So hat Röbi eine Rampe und kommt aus den Zimmern raus. Positiver Nebeneffekt: Die Türen lassen sich nicht mehr schliessen, da die Schutzleisten sie blockieren. So kann sich Röbi auch nicht mehr selbst einsperren. Ich muss die Dinger dafür jeweils vor dem Saugen hinlegen und nachher wieder wegnehmen. Also noch mehr Vorbereitungszeit – und will Röbi die Weltherrschaft erobern, ist er von mir abhängig.
Ich weiss: Immer gegen die Kinder. Aber sie sind nun mal des Staubsaugerrobtores grösster Feind. Etwas Spielzeugmünz geht dem schlafdeprivierten Papa beim Aufräumen immer mal wieder durch die Lappen. Die saugt der Roboter auf und die Bürsten blockieren. Röbi gibt mir dann Bescheid, dass er meine Hilfe braucht. Wenn ich nicht zu Hause wäre, müsste Röbi bis am Abend auf meine Hilfe warten und es wäre nichts mit Heimkehren in die staubfreie Wohlfühloase Chaos-Lodge. Nächster Versuch, die Weltherrschaft an sich zu reissen: gescheitert.
Auch gegen Dreck ist Röbi nicht gefeit. Nach etwa zwei Wochen will ich ihn von unterwegs per App in Betrieb nehmen. Aber leider ist keine Verbindung zu ihm möglich. Was bloss los ist? Es ist Samstag, die ganze Familie ist unterwegs zum Einkaufen. Nach dem Einkauf muss darf ich alleine nach Hause und Bad sowie Küche putzen – das macht Röbi leider auch nicht.
Wie ich daheim feststelle, hat Röbi keinen Akku mehr, obwohl er auf der Ladestation steht. Die ist jedoch eingesteckt. Ich drehe ihn um und stelle fest: Es hat sich etwas Dreck, womöglich eingetrocknete Konfi, auf den Ladekontakten abgelagert. Wie gesagt: Unterm Tisch ist es mit Kindern am dreckigsten. Ich reinige die Kontakte und stelle Röbi wieder auf die Ladestation. Jetzt wird er geladen. Dann putze ich halt mal Küche und Bad, während Röbi lädt.
Nach ein paar Minuten höre ich ihn anspringen. Er fährt von der Ladestation runter und versucht wieder darauf zu fahren. Was ist bloss los? Er packt es nicht – dockt kurz an und nimmt dann wieder Anlauf. Das Spiel wiederholt sich, bis der Akku durch ist. Röbi ist in einer Endlosschleife stecken geblieben.
Über die App kann ich ihn nicht abstellen. Die einzige Möglichkeit, die sich mir bietet, ist, ihn wieder auf die Werkseinstellungen zurückzusetzen. Somit ist aber die Karte, die er von meiner Wohnung erstellt hat, futsch. Er muss sie also wieder von Grund auf kartieren. Ärgerlich, aber immerhin wiederholt sich das Problem die restliche Testzeit über nicht.
An diesem Samstag muss ich aus Zeitmangel wieder einmal selbst Hand anlegen. Was mir dabei auffällt: Die Wohnung ist so gut aufgeräumt, dass ich sie innert 20 Minuten gereinigt habe – auch an Stellen, wo Röbi schlicht nicht hinkommt. Die Zeitersparnis mit Röbi beträgt für mich also lediglich 20 Minuten pro Sauggang. Nicht mit eingerechnet ist die Zeit, die ich immer aufwende, um die Wohnung für Röbi vorzubereiten – oder ihn aus einer misslichen Lage zu befreien. Nein, so wird das nichts mit der Weltherrschaft.
Immerhin kann ich den zweiten Einwand meiner Frau nicht bestätigen: Wenn Röbi saugt, saugt er sauber. Und das dank seiner halbrunden Form und der Eckbürste auch in den Ecken und Rändern. Dabei nimmt er nicht nur Staub, sondern auch grösseres wie Brotkrümel auf. Auch meine Teppiche werden sauber und ich finde keine Rückstände nach dem Saugen.
Für einmal komplett Saugen unserer 5,5-Zimmerwohnung mit rund 125 Quadratmeter hat Röbi etwa zwei Stunden. Der Akku reicht meist nicht ganz und er muss für den Rest noch kurz aufladen. Die Saugdauer hat sich aber bei jedem Sauggang etwas verringert, weil er die Wohnung immer besser kennt. Vielleicht reicht es in einem Monat für einmal komplett saugen ohne laden.
Für mich kein Dealbreaker ist, dass Röbi keine Wischfunktion hat. Da ich einen unversiegelten Echtholzboden im Wohnbereich und Korkboden in den Schlafzimmern habe, möchte ich sowieso nicht allzu feucht aufnehmen und mache das lieber von Hand.
Trotz seiner Macken mag ich Röbi, den Roomba S9+. Er saugt zuverlässig und ist einfach in der Handhabung. Für ordentliche Singles und kinderlose Pärchen funktioniert der S9+ bestens.
Aber für meinen Anwendungsfall ist er nichts. Das manuelle Saugen meiner Wohnung dauert 20 Minuten – wenn ich meine Wohnung so herrichte, wie ich es für Röbi tue. Das ist jeweils ein grosser Aufwand: Je nach Unordnung dauert das eine halbe Stunde bis vierzig Minuten. Und dann braucht Röbi immer noch zwei Stunden, um die Wohnung sauberzumachen. Ich spare also kaum Zeit.
Sollte ich beim Aufräumen etwas übersehen haben, hat Röbi eine Panne und ich muss eingreifen. Bin ich nicht zu Hause kann Röbi den Sauggang nicht beenden, bis ich ihm helfe. Ich bin also gezwungen, fürs Saugen vor Ortzu sein. Aber ohne meine Kinder, denn die kommen Röbi immer gerne in die Quere. Zu viele Faktoren müssen im Familienleben stimmen, damit es mit der erfolgreichen vollautomatisierten Reinigung klappt.
Zugegeben: Dieses Problem dürfte sich in ein paar Jahren auflösen, wenn die Kinder älter sind. Aber wenn ich mir die Teenager von Freunden anschaue, wird das «Puff» nicht weniger, je älter die Kids werden. Und Teenager zum Aufräumen bringen? Das war schon bei mir schwierig. Ob Röbi bis dann überhaupt noch läuft, ist auch nicht klar. Sollte er eigentlich. Schliesslich kostet er auch zwei Jahre nach Markteinführung noch über 1000 Stutz. Ein hoher Preis, der sich für Familien mit kleinen Kindern nicht rechnet.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.