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Vermisst am Berg: Recco hilft bei der Rettung
Ein Lawinentod gab den Ausschlag für eine Innovation: Dank der Recco Reflektoren, die in Outdoorkleidung und -ausrüstung eingearbeitet sind, können Verunglückte im Schnee, in den Bergen und in Wäldern schneller gefunden werden.
Der entscheidende Tag liegt schon mehr als 40 Jahre zurück, doch für alle, die in den Bergen unterwegs sind, hat er das Skifahren, Wandern und Biken nachhaltig beeinflusst.
Was war geschehen? Magnus Granhed hatte 1973 gerade sein Studium an der Technischen Universität in Stockholm beendet und unternahm mit einem Freund eine Skitour im nordschwedischen Åre. Schnell wurde aus dem Vergnügen eine Tragödie. Eine Lawine begrub Magnus' Freund unter sich. Der damals 26-Jährige Magnus suchte frenetisch, doch sein Freund konnte nur noch tot geborgen werden.
Dieser Tag veränderte das Leben von Magnus. «Wenn wir ihn nur etwas schneller gefunden hätten, hätten wir ihn vielleicht retten können», sagte er im Gespräch mit Galaxus auf der Messe Outdoor by ISPO.
Seither ist der inzwischen 76-Jährige von der Idee besessen, in Not geratene Menschen auch unter Schnee und in unwegsamem Gelände zu lokalisieren. Mit seinem Hintergrund in Ingenieurwissenschaften fokussierte er sich auf einen Radar, der durch Eis und Schnee hindurch funktioniert und nicht durch Metall abgelenkt wird. Nach vielversprechenden Versuchen und Prototypen gründete Magnus 1983 die Firma Recco.
Recco findet in Air Zermatt einen langjährigen Partner
Schnell war ihm klar, dass er einen erfahrenen Partner braucht, um seine Idee umzusetzen. Er fokussierte sich auf die Schweiz und stiess bei Air Zermatt auf Interesse. Das war der Beginn einer inzwischen 40-jährigen Zusammenarbeit. «Beat Perren von Air Zermatt und Bruno Jelk von der Bergrettung Zermatt haben entscheidend zur Entwicklung des Recco Systems beigetragen», betont Magnus. Inzwischen wird die Recco-Suchtechnologie von mehr als 900 Skiresorts und Bergrettungsorganisationen in 32 Ländern eingesetzt, darunter Australien, Nepal, Chile und die USA. Seit Kurzem hat auch Air-Glaciers in Lauterbrunnen ein Recco-Gerät im Einsatz.

Quelle: Recco
Das Rettungsgerät aus Detektor und Reflektor
Das Besondere an der Technologie ist das Zusammenspiel von aktivem Detektor und passivem Reflektor. Vorstellen kann man sich das wie eine Taschenlampe, deren Licht nur von einem bestimmten Spiegel reflektiert wird. Allerdings wird bei Recco das optische Signal in ein akustisches übersetzt. Je lauter das Signal, desto näher ist der Suchende am Menschen, der Hilfe benötigt.

Quelle: Recco/Anton Enerlov Photography
Die Reflektoren sind klein und flach und werden inzwischen in Hosen, Jacken, Bike- und Skihelmen, Protektoren, Klettergurten, Rucksäcken und Jacken integriert. Recco arbeitet dazu mit mehr als 150 Outdoor-Marken zusammen, darunter Helly Hansen, Jack Wolfskin, Arcteryx, Tatonka, Atomic, Pinewood und Scarpa sowie die Schweizer Marken Odlo, Ayaq and X-Bionic. Mindestens eines der Bekleidungsstücke oder der Ausrüstungsgegenstände dieser Brands ist mit einem integrierten Recco-Reflektor ausgestattet. Die Schweizer Marke Suplest ist die erste, die einen Recco-Reflektor in einen Bikeschuh integriert hat.
Du erkennst die Produkte, mit denen du gefunden werden kannst, durch das Recco-Label. Auch einzeln sind die Reflektoren erhältlich: Sie können beispielsweise an Rucksäcken oder Helmen angebracht werden. Zudem gibt es noch einen Recco-Gürtel mit eingebautem Reflektor. «Uns ist es wichtig, dass so viele Menschen wie möglich die Reflektoren bei sich haben und im Notfall gefunden werden können», sagt Magnus’ Tochter Julia Granhed, die bei Recco als Marketingmanagerin arbeitet.

Quelle: Siri Schubert
Wichtig zu wissen: Die Reflektoren sind passiv. Das heisst, sie senden kein Signal aus und brauchen weder Batterien noch Akkus, GPS oder Handyempfang, um zu funktionieren. Die Reflektoren mit einer Diode und Antenne halten nach Herstellerangaben ein Leben lang, sofern sie nicht mechanisch beschädigt werden. Gefunden werden können Menschen in Not nur mit dem entsprechenden Suchgerät. Wer sich Sorgen um unerwünschtes Tracking macht: Stalker haben bei der Technologie keine Chance, denn nur professionelle Retter mit der entsprechenden Ausrüstung können das Signal empfangen.

Quelle: Recco
Braucht es die Recco-Produkte in Zeiten von Smartphones und Smartwatches mit Notruffunktion, Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) und tragbaren Notsendern wie dem Garmin inReach überhaupt? «Alles, was die Chancen erhöht, in Not Geratene schnell zu finden, ist gut», sagt Julia. «Man sollte all diese Geräte dabei haben.» Recco sei ein zusätzliches Instrument und eine Lebenslinie zum professionellen Rettungsteam.

Quelle: Recco
Gerade weil sie als Reflektoren auch unter Schnee und im Gelände funktionieren, droht – anders als beispielsweise bei Wärmebildkameras – keine Verwechslung mit Wildtieren. Wer mit Recco-Reflektoren ausgerüstete Kleidung trägt, kann auch gefunden werden, wenn er – beispielsweise durch Bewusstlosigkeit – nicht in der Lage ist, seine Position durchzugeben. Dennoch braucht es auch bei Recco erst einmal einen Notruf, um die Suche zu initiieren. Und dafür sind beispielsweise die automatischen Notrufsysteme der Smartphones hilfreich und sinnvoll.
Die Geräte werden leichter und vielseitiger
Wog das erste Lawinensuchgerät in den 80er-Jahren noch rund 20 Kilo, sind inzwischen tragbare Lawinensuchgeräte mit einem Gewicht von 900 Gramm verfügbar, die Verunglückte finden können, deren Kleidung oder Ausrüstung mit dem Recco-Reflektor ausgestattet ist.

Quelle: Recco
Bis 2016 wurden die Geräte hauptsächlich zur Lawinenrettung eingesetzt. Inzwischen gibt es auch Detektoren, die Verunglückte in Wäldern, in den Bergen und im Nebel aufspüren können. Neben den tragbaren Geräten sind seit 2015 auch kugelförmige Detektoren im Einsatz, die an Helikoptern montiert werden. Wie die kleineren Geräte senden sie ein Signal einer bestimmten Wellenlänge aus. Trifft das Signal auf einen Reflektor an einer Jacke, einem Schuh, einem Rucksack oder einem Bikehelm, wird es genau mit der gleichen Frequenz zurückgeworfen. Dadurch sind Verwechslungen oder abgefälschte Signale fast ausgeschlossen.
Die an Helikoptern befestigten Recco SAR (Search and Rescue) Detektoren decken ein grosses Gebiet ab. Bei einer Flughöhe von rund 100 Metern können sie bei einem Suchkorridor von 100 Metern innerhalb von sechs Minuten ein Gebiet von einem Quadratkilometer absuchen. Der tragbare Detektor kann Vermisste in einem Umkreis von 30 Metern in einer Lawine aufspüren.

Quelle: Recco/Michael Portmann
Je mehr Menschen sich in den Bergen und Wäldern bewegen, desto grösser wird die Gefahr, dass jemand verunglückt. Inzwischen seien die Retter auch in den Sommer- und Herbstmonaten, wenn viele Biker und Wanderer unterwegs sind, sehr aktiv, sagt Julia. Laut Swissinfo sind allein im Wallis in diesem Jahr bereits 32 Menschen in den Bergen tödlich verunglückt – und die Wandersaison ist noch in vollem Gange.
Wie wichtig es sein kann, gefunden zu werden, zeigt ein Blick in die Statistik des Schweizer Alpen-Clubs: 2022 mussten in den Schweizer Alpen und im Jura 3668 Menschen gerettet oder geborgen werden. 109 Berggängerinnen und Berggänger sind tödlich verunglückt. Stark zugenommen hat die Zahl der Stürze in Gletscherspalten. Mit 70 Personen war sie 2022 fast doppelt so hoch wie im Zehnjahresdurchschnitt.
Für viele, die in den Bergen oder in weitläufigen Wäldern unterwegs sind und in eine Notsituation geraten, kann ein kleiner Reflektor die Rettung beschleunigen und so vielleicht Leben retten. Und weil er schon in die Kleidung oder Ausrüstung integriert ist und man ihn weder aufladen noch einschalten muss, wird die Sicherheit ohne zusätzlichen Aufwand erhöht.
Titelfoto: Recco36 Personen gefällt dieser Artikel
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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.