Überraschung: TikTok macht jetzt auf Youtube
TikTok will längere, im Querformat gedrehte Videos auf seiner Plattform. Das deutet eine Änderung im Weiterempfehlungs-Algorithmus an. Doch was steckt dahinter?
Seit 2016 zelebriert die soziale Plattform TikTok eine verrückte Mischung aus Selbstinszenierung, Ohrwürmern und visuellem Overload – hauptsächlich im Hochformat und in möglichst kurzen Schnipseln. Schliesslich werden TikTok-Inhalte (kurz: TikToks) vor allem am Smartphone konsumiert. Das soll sich ändern: Wie Content Creator und Social-Media-Experte Matt Navarra via Threads bestätigt, hat TikTok an seinen Weiterempfehlungs-Algorithmus geschraubt.
Konkret: Ab sofort sollen längere, mindestens eine Minute dauernde Videos, die im Querformat gedreht wurden, vom TikTok-Algorithmus bevorzugt werden. Zumindest in den ersten 72 Stunden nach dem Posten. Dies gilt allerdings nicht für Werbevideos oder Videos von politischen Parteien. Zudem muss der Kanal, auf dem ein solches Video gepostet wird, mindestens seit drei Monaten existieren.
Was steckt hinter dieser Strategie?
Längere Videos sollen monetarisiert werden
Auf den ersten Blick mutet TikToks Kursänderung seltsam an. Die Erfolgsformel der verschrienen Kurzvideo-App «der jungen Leute» fusst nämlich auf schnelle und unterhaltsame Videos: Je kürzer das Video, desto öfter wird zum nächsten Video geswiped – und desto mehr Dopamine, also Glückshormone, werden ausgeschüttet. In Extremfällen kann das zu einem suchtartigen Verhalten führen. Etwa dann, wenn ein kurzer Klo-Gang mit TikTok-Videos deutlich länger dauert als ursprünglich geplant.
Nun scheint TikTok einen Gang herunterzuschalten. Die chinesische Plattform testet mittlerweile sogar 30-minütige Videos, nur wenige Monate, nachdem die maximal mögliche Videolänge bereits auf 15 Minuten erhöht wurde. Dahinter soll das neue Paywall-Programm «Series» stecken, wie das US-Techmagazin The Verge vermutet. Darin sollen Content Creators die Möglichkeit haben, Sammlungen von Videos mit einer Länge von bis zu 20 Minuten exklusiv für zahlende Abonnentinnen und Abonnenten anzubieten. Das Abo kann dabei von 1 bis 190 Dollar kosten – TikTok kassiert dafür eine Provisionsgebühr.
Oder: In Konkurrenz zu Youtube treten
Ein anderer Grund für die Youtube-isierung TikToks könnte ein simpler Konter für Instagrams und Youtubes Bemühungen sein, TikTok Nutzerinnen und Nutzer sowie Content Creators streitig zu machen. 2020, während der Pandemie, führte Instagram im Sog von TikToks riesiger Erfolgswelle sogenannte «Reels» ein. Youtube folgte einen Monat später ebenfalls mit kurzen Videos im Hochformat unter den Namen «Shorts». Mit Erfolg: Sowohl Instagram als auch Youtube verzeichnen wachsende Zugriffszahlen.
Derzeit ist es üblich, dass Content Creators nicht pro Plattform Inhalte erschaffen, sondern jeden Inhalt über alle Plattformen hinweg vertreiben; TikTok, Instagram und Youtube. Youtube ist dabei im Vorteil: Bis Ende 2023 zählte Googles Videoplattform mit 2,49 Millarden monatlichen Usern doppelt so viele wie TikTok (und etwas mehr als Instagram). Wer die App nicht wechseln will, um sowohl kurze Videos im Hochformat als auch lange Videos im Querformat zu schauen, bleibt bei Youtube.
TikToks Bemühungen um mehr lange und querformatige Videos könnten darum ein Versuch sein, Youtubes Klientel für sich zu gewinnen – und Youtube-Content-Creators dazu zu bringen, ihre langen, querformatigen Inhalte auch auf TikTok zu posten.
Titelfoto: Patrick Vogt.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»