«The Last of Us»: So war die erste Episode
Kritik

«The Last of Us»: So war die erste Episode

Luca Fontana
17-1-2023

Es ist die vielleicht am sehnlichsten erwartete Videospiel-Adaption aller Zeiten – und mit ziemlicher Sicherheit die ambitionierteste: HBOs «The Last of Us». Ein Review zur ersten Episode.

Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Sonys bahnbrechendes Spiel «The Last of Us» aus dem Jahr 2013 hat es uns von Anfang an nicht leicht gemacht. Nicht wegen seiner Schwierigkeitsstufe. Sondern emotional: Ein Zombie-Game in seiner berauschendsten, traurigsten und intimsten Form.

An Gewalt mangelte es dem Spiel trotzdem nie. Nur wurde sie anders dargestellt, als wir es bis dahin kannten: Die Hand von Joel – er ist die Hauptfigur – zitterte stets am Abzug. Feinde und Zombies sind selten bloss Hindernisse, sondern viel öfter menschliche Tragödien. Das in einem Genre, bei dem Gameplay und Story oft nicht Hand in Hand gehen. In anderen Spielen metzelt man sich durch Gegner, während die Tragödie dahinter bloss in Zwischensequenzen erzählt wird. In «The Last of Us» hingegen fühlt es sich jederzeit falsch an, Leben zu nehmen. Genau das machte den Reiz des Spiels aus: Bis heute verkaufte es sich über 17 Millionen Mal.

Jetzt hat das Spiel eine Serien-Adaption bekommen. Eine, die schon nach nur einer Episode nach dem Prädikat «Beste Game-Adaption aller Zeiten» schreit.

Darum geht’s in «The Last of Us»

Das Jahr: 2003. George W. Bush ist US-Präsident. Nokias Mobiltelefone sind überall. Und Joel (Pedro Pascal), ein alleinerziehender, überarbeiteter Vater, scheint vom Pech verfolgt. Umso mehr, als eines Tages ganz Texas dem Wahnsinn verfällt: Ein Pilz lässt Menschen zu Zombies mutieren – und Joels Welt zusammenbrechen.

Zwanzig Jahre später: Der Fungus hat längst den ganzen Planeten beansprucht. Die wenigen Überlebenden haben sich in kleinen, von hohen Mauern umzäunten Städten verkrochen. Während FEDRA, ein Überbleibsel der amerikanischen Regierung, Recht und Ordnung auf diktatorische Art durchzusetzen versucht, kämpfen die Fireflies mit Guerillataktiken dagegen an und nehmen dabei auch Kollateralschaden in Kauf. Joel steht auf keiner der beiden Seiten. Zumindest, bis er eines Tages eher unfreiwillig die Verantwortung für ein mysteriöses Mädchen, Ellie, übertragen bekommt, die das Schicksal der Menschheit verändern könnte.

Ein grossartiger Start

Es wäre so einfach gewesen, zu scheitern. Besonders an meinen riesigen Erwartungen. Zum einen, weil kein geringerer als Pedro Pascal, mein Lieblingsschauspieler, die Hauptrolle Joel spielt. Zum anderen, weil das produzierende Qualitätsstudio HBO mit Craig Mazin einen erfahrenen Showrunner, Regisseur und Co-Autor ins Boot geholt hat. Der hatte 2019 bereits «Chernobyl» zu verantworten, eine der aktuell besten Serien des amerikanischen Privatsenders. Dazu kommt Neil Druckmann, der Autor und Regisseur des Spiels, der dafür sorgt, dass die Adaption seiner Kreation treu bleibt.

Letzteres ist von der ersten Sekunde an deutlich zu spüren: «The Last of Us» trifft die Stimmung und Atmosphäre des Spiels perfekt. Auch dank der Musik aus der Feder Gustavo Santaolallas und David Flemings. Beim Intro konnte ich nicht anders, als eine Träne der Rührung zu verdrücken.

Auffällig ist auch, dass die Serie ihr Publikum so behandelt, als ob es das Spiel noch nie gespielt hätte. Eine offensichtliche Entscheidung? Sollte man meinen. Viele Adaptionen setzen zu viel Vorwissen voraus. Schau dir mal die «Harry Potter»-Filme an. Ein Beispiel: Als Zukunfts-Harry im Finale des dritten Films einen Hirschen als Patronus beschwört und sein Vergangenheits-Ich ihn dabei sieht, behauptet dieser später im Krankenflügel, seinen längst verstorbenen Vater gesehen zu haben. Alle, die die Bücher nie gelesen hatten, standen auf den Schlauch. Dass der Patronus von Harrys Vater ebenfalls ein Hirsch war und er sein Ich aus der Zukunft deshalb mit seinem Vater verwechselte, wird im Film nie erklärt.

«The Last of Us» tut das nie. Fast die halbe Episode wird aus Sicht von Joels Tochter Sarah (Nico Parker) erzählt. Wie sie zur Schule geht. Wie sie ihre Nachbarn besucht. Wie sie Joels Geburtstagsgeschenk besorgt. Im Hintergrund ertönen immer wieder mal Sirenen, Hubschraubergeräusche und Polizeiautos, die durch die Strassen rasen. Im Radio berichten Nachrichtendienste von merkwürdigen Aufständen. Zuerst im fernen Jakarta. Dann in der eigenen Stadt. Etwas stimmt nicht. Noch ahnt aber niemand, dass die Welt, wie sie war, gerade ihren letzten Tag erlebt.

Genau das ist es, was die Episode zu einer mehr als nur gelungenen Adaption macht: Mazin und Druckmann verfilmen das Spiel nicht einfach Szene für Szene. Sie nehmen das Quellmaterial und expandieren es. Bauen es aus. Lassen ganz unterschwellig die frühen Tage der Pandemie im Januar 2020 miteinfliessen. Etwa, als in einer Talkshow aus den 1960er-Jahren eine Expertenrunde über die Gefahren von Grippeviren redet, die blitzschnell zu einer Pandemie auswachsen könnten, letztlich aber stets von der Menschheit besiegt würden. Alle lachen. Dann aber ergreift einer das Wort und warnt vor einem viel gefährlicheren Feind: dem Pilz. Wir Menschen nutzen ihn schon seit jeher als bewusstseinsverändernde Droge. Aber was, wenn er sich weiterentwickelt? Das wäre ein Kampf, den die Menschheit verlieren würde.

Auf einmal herrscht Ruhe im Studio.

Die nächste Episode darf kommen

Letztlich habe ich von dieser ersten Episode alles bekommen, was ich mir erhofft hatte. Nämlich eine anständige Einführung, von den wenigen Computereffekten über die von Fungus befallenen Zombies bis hin zu den detaillierten, postapokalyptischen Sets und einer intensiven Kameraarbeit. So viel steht fest: Handwerklich ist die Episode über alle Zweifel erhaben. Und Pedro Pascal sei hier nochmals besonders hervorgehoben. Sein Job ist der womöglich schwierigste. Im Spiel wird sein Charakter einerseits in Cutscenes erklärt. Andererseits projizieren wir aber alle ein bisschen von uns selber in ihn rein, wenn wir ihn spielen. Das vereinfacht die emotionale Verbindung.

In einer Serie funktioniert das natürlich nicht. Der Funke muss auch so rüberspringen. Das tut er: Ich spüre Joels tiefen Schmerz, den Verlust, aber auch die emotionale Mauer, die er um sich herum aufgebaut hat, um eben diesen Schmerz fernzuhalten.
Gleichzeitig hat Pedro Pascal einerseits das nötige Charisma, um mir zu verkaufen, dass er 20 Jahre lang in dieser kaputten Welt überlebt hat. Andererseits aber auch eine Menschlichkeit in seinen Zügen, die ihn gerade sympathisch genug macht, um mich über seinen Zynismus hinwegsehen zu lassen, der sein psychischer Bewältigungsmechanismus ist.

Sarah (Nico Parker) und Joel (Pedro Pascal) auf ihrer Flucht in «The Last of Us».
Sarah (Nico Parker) und Joel (Pedro Pascal) auf ihrer Flucht in «The Last of Us».
Quelle: HBO / Sky Show

Und Ellie? Viel zu sagen gibt’s noch nicht. Bella Ramsey spielt sie allerdings deutlich taffer als jene Ellie, die wir aus den Spielen kennen. Nicht, dass Spiel-Ellie ein Prinzesschen wäre. Sie ist aber kindlicher. Naiver. Anfangs noch blind gegenüber der Brutalität der Welt, in die sie geboren wurde und in der sie aufgewachsen ist. Die Härte, die sie zum Überleben braucht, lernt sie erst im Laufe des Games. Serien-Ellie hingegen ist desillusioniert, wütend und streitlustig. Vielleicht sogar ein wenig unsympathisch. Was genau Mazin und Druckmann mit dieser auffälligen Änderung bezwecken – und ob ihr Plan aufgeht –, kann ich noch nicht abschätzen. Dafür war Bella Ramseys Screentime in dieser ersten Episode schlicht zu kurz. Wichtiger ist sowieso die Chemie zwischen ihr und Pedro Pascal. Damit steht und fällt die ganze Serie, wie Spiel-Kennerinnen und -Kenner bereits wissen.

So oder so: Episode 2 kann nicht früh genug kommen.


«The Last of Us» läuft seit dem 16. Januar auf Sky Show mit Entertainment-Pass. Die erste Staffel umfasst neun Episoden, die im Wochenrhythmus erscheinen. Meine Kollegen und ich werden uns im digitec Podcast, der am Donnerstag erscheint, ausführlich darüber unterhalten.

Titelfoto: HBO / Sky Show

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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