Textilexpertin: So hält deine Outdoorkleidung länger
Hintergrund

Textilexpertin: So hält deine Outdoorkleidung länger

Siri Schubert
23-5-2024

Outdoorbekleidung begleitet die Schneiderin und Modegrafikerin Barbara Heinze schon fast ihr ganzes Leben lang. Da sie selbst passionierte Bergsportlerin ist, weiss sie, was gute Kleidung ausmacht. Und wie du deine Outdoorkleidung pflegst, damit sie länger hält.

Barbara Heinze ist leidenschaftliche Outdoorsportlerin. Seit ihrer Kindheit klettert sie, unternimmt Berg- und Skitouren und fährt Fahrrad. Barbara liebt die Natur, weiss aber auch, dass die spezialisierte Kleidung die Umwelt belasten kann. Deshalb sucht sie ständig nach Lösungen, um Outdoorbekleidung umweltverträglicher zu machen.

Ihr Wissen schöpft die gelernte Schneiderin, die an der Hochschule München Modegrafik studiert hat, aus ihrer langjährigen Karriere in der Outdoor-Textilbranche. Sie arbeitete für grosse Marken wie Patagonia, Benetton, W. L. Gore & Associates, Ortovox, Mountain Equipment, Salewa und Schöffel.

2008 gründete sie ihre eigene Firma. Seither entwirft und näht sie langlebige, individuelle und nachhaltige Kleidung in ihrem Atelier in München. Sie hat zudem eine eigene, nachhaltige Outdoorbekleidungs-Linie für Kinder entwickelt. Bei ihren Kreationen setzt sie auf Merinowolle, Leinen, Hanf, Bio-Baumwolle und – wenn es ein wasserfestes, atmungsaktives Material sein soll – Sympatex, eine Blue Sign zertifizierte Wetterschutzmembran, oder Eta Proof, eine dicht gewebte, langfaserige Baumwolle. Zusätzlich repariert die Textilexpertin Marken-Outdoorbekleidung.

Im eigenen Atelier entwirft, näht und repariert Barbara Heinze nachhaltige Outdoorkleidung.
Im eigenen Atelier entwirft, näht und repariert Barbara Heinze nachhaltige Outdoorkleidung.
Quelle: Siri Schubert

Bei der Marke Patagonia war Barbara von Anfang an eine der Schlüsselpersonen der Reparatur-Initiative «Worn Wear» für Europa. Neben der konzeptionellen Arbeit sass sie an mehreren Outdoormessen im Reparatur-Truck und später im «Tiny House» von Patagonia und flickte Outdoorbekleidung, um das Leben von Jacken, Hosen oder Rucksäcken mit Rissen und anderen Blessuren zu verlängern. Denn nachhaltige Stoffe zu verwenden, ist nur ein Aspekt, der Outdoorkleidung umweltfreundlicher macht. Ein anderer ist, das Leben der Kleidung zu verlängern.

Ein Blick in die Geschichte: für den Reparaturservice der Marke Patagonia im Einsatz.
Ein Blick in die Geschichte: für den Reparaturservice der Marke Patagonia im Einsatz.
Quelle: Siri Schubert

Technische Outdoorbekleidung gerät zunehmend in die Kritik, weil sie nicht besonders umweltfreundlich ist. Was können Outdoorsportlerinnen und -sportler tun, um so umweltfreundlich wie möglich unterwegs zu sein?

Barbara Heinze: Der erste Schritt ist es, beim Einkauf auf langlebige und hochwertige Qualität sowie Reparierbarkeit zu achten. Wichtig ist natürlich auch die Pflege, damit die Hosen und Jacken möglichst lange halten. Salz und Fett in unserem Schweiss sind ziemlich aggressiv und zersetzen den Kunststoff in den äusseren Schichten, aber vor allem den Polyurethan-Klebstoff in mehrlagigen Laminaten und den Tapes auf Nähten. Die Membran wird ebenfalls brüchig. Die Plastikteilchen rieseln dann heraus wie Schnee. Das ist eine echte Belastung für die Gewässer. Deshalb ist es wichtig, die Outdoorbekleidung regelmässig zu waschen.

Was heisst regelmässig in diesem Zusammenhang?

Das kommt immer darauf an, wie intensiv du deine Jacke nutzt. Wenn du sie beispielsweise auf Skitouren anziehst und stark schwitzt, dann musst du sie häufiger waschen. Ich sage meiner Kundschaft, wenn sie Spuren am Kragen oder den Armabschlüssen sehen, ist es höchste Zeit für eine Wäsche. Am besten mit abbaubarem Bio-Waschmittel. Nicht aus hygienischen Gründen, sondern um das Leben der Kleidung zu verlängern. Das gilt übrigens nicht nur für wasserdichte Outdoorjacken mit Membran, sondern auch für Daunenjacken. Werden sie zu selten gewaschen, bekommt der Stoff kleine Bruchlöcher aus dem dann die Daunen herauskommen. Bei guter Pflege halten sie dagegen sehr lange.

Das ist für viele Menschen neu, glaube ich. Denn es gibt ja die Vorstellung, dass die Jacken möglichst wenig gewaschen werden sollten, um sie zu schonen.

Für die Gewässer ist das überhaupt nicht gut, wenn sich die chemisch behandelten Teilchen lösen, weil die Jacke brüchig wird. Das geschieht bei zu seltener Wäsche. Die Befürchtung ist ja, dass sich durch das Waschen die DWR-Imprägnierung, also die wasserabweisende Beschichtung, löst. Das stimmt zum Teil, aber sie lässt sich gut mit PFC-freien Produkten, die ohne schädliche per- und polyfluorierte Chemikalien auskommen, auffrischen.

Was kann ich noch tun, wenn aus der Jacke Mikroplastik rieselt?

Nichts mehr. Selbst zum Spaziergang mit dem Hund sollte dieses Kleidungsstück nicht angezogen werden. Viele Menschen tragen ihre Laminatjacken, also wasserdichte, atmungsaktive Jacken mit Membran, zu lange, ohne sie zu waschen. Wenn Leute sie dann zu mir bringen, sage ich ihnen, sie muss sofort in den Restmüll, sonst ist sie eine echte Belastung für die Umwelt. Ansonsten bemühe ich mich natürlich, fast alles zu reparieren. Und wenn sich ein gut gepflegtes und auch sonst unbedenkliches Kleidungsstück wirklich nicht mehr retten lässt, mache ich kleine Gegenstände wie Taschen oder Portemonnaies daraus.

Aus alt macht neu: Was sich nicht mehr reparieren lässt, bekommt ein neues Leben.
Aus alt macht neu: Was sich nicht mehr reparieren lässt, bekommt ein neues Leben.
Quelle: Siri Schubert

Was ist nötig, um gut reparieren zu können?

Es ist hilfreich, Schneiderin zu sein und dadurch mehr Grundwissen zu haben als eine Hobby-Schneiderin. Dabei geht es auch darum, wie ein Kleidungsstück aufgebaut ist und wie ich zum Beispiel am besten an einen Riss in der Kapuze herankomme. Ich lerne immer noch dazu, weil sich Outdoorkleidung in den vergangenen zehn Jahren sehr stark verändert hat. Und es macht mir Freude, wenn ich der Kundin oder dem Kunden ihre gut reparierte Kleidung zurückgeben kann und sie diese dann wieder nutzen können. Das heisst nicht, dass Hobby-Schneider und -Schneiderinnen das nicht können, aber es ist vielleicht etwas mühsamer und die entsprechenden Materialien sind im Handel nicht oder nur schlecht verfügbar. Das Nähen ist auf jeden Fall immer besser als Klebeversuche mit Flüssigklebern – denn danach ist selbst eine professionelle Reparatur oft nicht mehr möglich.

Was würdest du Leuten raten, die ihre Outdoorkleidung zu Hause an der Nähmaschine flicken möchten?

Einfache Reparaturen können fast alle auf einer Haushaltsnähmaschine vornehmen. Da ist es dann eher eine Frage des Mutes, sich an die ungewohnten Materialien heranzuwagen. Deshalb ist es hilfreich, sich intensiv mit den Stoffen zu beschäftigen. Ich lehne das gar nicht ab, im Gegenteil, ich finde es super, wenn Leute selbst die Initiative ergreifen. Es ist einfach anders als eine professionelle Reparatur, so wie es beim Sport auch etwas anderes ist, ob man mit Profi-Ausrüstung oder Sachen aus dem Supermarkt spielt.

Handarbeit: Für gute Reparaturen ist gutes Fachwissen und Fingerfertigkeit nötig.
Handarbeit: Für gute Reparaturen ist gutes Fachwissen und Fingerfertigkeit nötig.
Quelle: Siri Schubert

Was hat dich dazu bewegt, nach nachhaltigen Alternativen bei der Outdoorbekleidung zu suchen?

Im Laufe meiner Arbeit in der Textil- und Outdoorbranche wurde mir klar, was für einen negativen Einfluss die Produktion von Bekleidung auf unsere Umwelt hat. Das reicht von Pestiziden beim Baumwollanbau über den Wasserverbrauch bis hin zum Einsatz von Chemikalien für Farbvorbereitung, Färbung und Finish. Hinzu kommen die teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Fabriken bis hin zu der mangelnden Recyclingfähigkeit von Funktionskleidung. Es liegt auch an den Chemikalien, die verwendet werden, um Kleidung wasser- und ölabweisend zu machen. Das hat mich zum Umdenken bewegt und ich stellte mir die Frage, was ich tun kann. Ich fand echte Alternativen in natürlichen, biologischen und nachwachsenden Rohstoffen und bei Blue Sign zertifizierten Kunstfasern. Wichtig ist mir auch, den Lebenszyklus von Kleidungsstücken zu verlängern und zu reparieren, wo es möglich ist.

In der Outdoorbranche ist Nachhaltigkeit ja inzwischen auch ein Thema. Viele Hersteller bieten Funktionsshirts oder Rucksäcke aus recycelten PET-Flaschen an. Was hältst du davon?

Das halte ich nicht für sinnvoll, weil das Plastik aus einem Kreislauf entnommen wird, dessen Ziel ist, wieder recycelbare PET-Flaschen herzustellen. Kleinste Teilchen von Polyesterbekleidung, die sich beim Waschen lösen, können als Mikroplastik in die Gewässer geraten. Ausserdem gibt es noch keine vernünftigen Recyclinglösungen für Kleidung, da es zu aufwändig ist, sie in die verschiedenen Komponenten zu teilen. Es wird zwar daran gearbeitet, aber da sind wir noch nicht so weit. Kleidung aus recycelten PET-Flaschen ist deshalb ein Dead-End.

Und dann gibt es noch das andere Thema, die Chemikalien.

Ja, das ist sehr problematisch. Bei den Membranen wasserdichter und atmungsaktiver Kleidung kommen häufig PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) zum Einsatz. Die Forever-Chemicals, wie sie auch genannt werden, weil sie die Umwelt praktisch für immer belasten, sind extrem schädlich. Diese Stoffe nutze ich gar nicht.

Welche Alternativen nutzt du?

Bei Membranen ist Sympatex eine gute Alternative, weil das Material ohne PFAS auskommt und dennoch wasserdicht und atmungsaktiv ist. Sonst nutze ich, je nach Einsatzbereich der Kleidung Bio-Baumwolle, zum Beispiel Eta-Proof aus der Schweiz, Wolle, Loden, recyceltes Fleece oder Taft und Hanf. Hanf ist deshalb interessant, weil es sich um eine Hohlfaser handelt, die sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen kann, ohne dass sich zum Beispiel die Unterwäsche bei Skitouren nass und kalt anfühlt. Ausserdem ist Hanf sehr reissfest.

Bei massgeschneiderten Kleidungsstücken entscheiden Kundinnen und Kunden, ob sie einen zusätzlichen Reissverschluss oder eine extra Tasche wünschen.
Bei massgeschneiderten Kleidungsstücken entscheiden Kundinnen und Kunden, ob sie einen zusätzlichen Reissverschluss oder eine extra Tasche wünschen.
Quelle: Siri Schubert

Worauf achtest du sonst noch bei der Kleidung, die du herstellst?

Ich schneidere nach Mass, sodass die Jacke, Hose oder das Funktionsshirt dann wirklich passen und ausreichend Bewegungsfreiheit geben. Auch die Wünsche von Kundinnen und Kunden nach Kapuzen, einer extra Tasche oder einer bestimmten Beinlänge kann ich berücksichtigen. Wenn die Kleidung gut sitzt, ist sie auch angenehm warm. Und Kleidung aus Naturfasern nach Mass, die gut gepflegt wird, hält auch länger als konventionelle Outdoorkleidung. Und das macht sie zusätzlich nachhaltig.

Vielen Dank, Barbara, für das interessante Gespräch und die Einblicke in die Welt der Outdoorbekleidung.

Titelbild: Siri Schubert

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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.


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