«South Pole verkauft ausschliesslich gültige Zertifikate»
Bei jedem zehnten Einkauf kompensiert unsere Kundschaft ihren Klimafussabdruck mit CO2-Zertifikaten von South Pole, dem weltweit führenden Klimaunternehmen. Einige Medien behaupten nun seit Wochen, dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Wir haben direkt bei South-Pole-CEO Renat Heuberger nachgefragt.
Seit einigen Wochen kursieren in den Medien kritische Berichte rund um das afrikanische Waldschutzprojekt «Kariba», mit dem South Pole zusammenarbeitet und in das auch Kompensationsgelder von Digitec Galaxus geflossen sind. Die Zeitung «Der Bund» schrieb am 21. Februar 2022 dazu beispielsweise folgendes: «Wie eine internationale Recherche jüngst enthüllte, basieren gerade Waldschutzprojekte auf teils massiv überschätzten Prognosen. Auch Kariba sei um 50 Prozent überschätzt worden, gibt South Pole zu – und verkauft vorläufig keine Zertifikate mehr aus dem Projekt.» Ob diese und andere Aussagen stimmen, wollten wir von Renat Heuberger, Gründer und CEO von South Pole, wissen.
**Laut Artikeln einiger Medienhäuser wittern Investigativ-Journalistinnen einen Skandal. Da steht etwa, South Pole verkaufe CO2-Zertifikate von Waldschutzprojekten, obwohl gar kein CO2 eingespart werde. Oder anders formuliert: South Pole hintergehe Kundinnen und Kunden und fülle sich damit die eigenen Taschen. Was sagst du dazu? **
South Pole verkauft ausschliesslich extern zertifizierte Emissionsreduktionen. Jedes Zertifikat bestätigt die Reduktion einer Tonne CO2-Emission. Sämtliche Berechnungen sind transparent und auch die Projektdokumentation ist öffentlich einsehbar. Als Projektentwickler können wir übrigens keine Zertifikate ausstellen. Das können nur Organisationen wie beispielsweise VERRA. Seit unserer Gründung 2006 hat South Pole kaum Dividenden ausbezahlt, sondern praktisch sämtlichen Überschuss in weiteres Wachstum und weitere Projekte investiert. Wir schätzen fundierte Kritik und nehmen diese sehr ernst. Aber dieser suggerierte «Skandal» ist keiner. Der eigentliche Skandal ist die irreführende Berichterstattung einiger Medienvertreter. Das schadet dem Klimaschutz und den Gemeinschaften, die vor Ort dank diesen Projekten bessere Lebensperspektiven haben.
**Besteht bei Waldschutz-Projektentwicklern nicht generell ein Interessenkonflikt, dass beispielsweise basierend auf einer inkorrekten Abholzungs-Prognose willentlich zu viele Zertifikate ausgegeben werden? **
Hier wird grundsätzlich etwas missverstanden: South Pole als Projektentwickler muss zur Erstellung der Prognose, wie viele Zertifikate ein Projekt generieren könnte, detailgenau der Methodik des Zertifizierers folgen. South Pole kann nicht beeinflussen und schon gar nicht bestimmen, wie viele Zertifikate ausgestellt werden. Es können gar nicht «zu viele Zertifikate ausgegeben werden», die VERRA-Methodologie verunmöglicht das. Denn jedes Waldschutzprojekt muss alle 10 Jahre, in Zukunft sogar alle 6 Jahre, die im ursprünglichen Modell angenommene Entwaldungsrate neu berechnen. War die modellierte Rate zu hoch, erhält das Projekt in der Folgeperiode weniger Zertifikate oder umgekehrt. Dieser Ausgleich ist integraler Bestandteil des vorgegebenen Mechanismus. Wir haben hier keinen Spielraum.
**Kommen wir zum Waldschutzprojekt «Kariba». Die Presse hat eines eurer ersten Waldschutzprojekte in Afrika aufs Korn genommen und geizt nicht mit harten Vorwürfen. Einige Artikel suggerieren etwa, es seien «wertlose» Zertifikate verkauft worden. Ist diese Kritik berechtigt? **
South Pole verkauft ausschliesslich gültige Zertifikate, die einer gleichwertigen CO2-Reduktion entsprechen. Die Kritik ist auch ein unfairer Schlag gegen die Bevölkerung im Norden von Zimbabwe, welche seit über 10 Jahren von diesem Projekt profitiert und die Abholzung in der Region erfolgreich massiv reduzieren konnte.
Bei jedem Klimaschutzprojekt muss eine Prognose erstellt werden, auch um abschätzen zu können, ob dieses den erwünschten positiven Impact zu generieren vermag. Nochmals: South Pole kann diese Emissionsreduktions-Prognosen nicht beeinflussen, wir müssen die Methodik des Zertifizierers befolgen.
**Wie erklärt ihr Euch die Kritik in den Medien? **
Das fundamentale Missverständnis ist folgendes: In einer ersten Prognose 2011 wurde das Potenzial des Projektes auf bis zu 36 Millionen Tonnen CO2-Einsparungen geschätzt. Dies ergab die Modellierung anhand der vom Zertifizierer vorgegebenen Methodik. Tatsächlich hat das Projekt in den 10 Jahren dann rund die Hälfte eingespart. Und das ist absolut unproblematisch – die Methode geht sogar von solchen Schwankungen aus und korrigiert diese über die Laufzeit jedes Projektes. Selbst wenn mehr Zertifikate verkauft worden wären als in den 10 Jahren Emissionen eingespart wurden, wäre das völlig in Ordnung – der festgelegte Korrekturmechanismus würde das über die kommenden Jahre der Projektlaufzeit ausgleichen.
Wichtig ist auch zwischen vom Zertifizierer ausgestellten und von Unternehmen wie South Pole verkauften Zertifikaten zu unterscheiden. Wir haben nicht 36 Millionen Zertifikate verkauft, sondern nur etwa 23 Millionen. Alles ist mit rechten Dingen zugegangen: Jedes einzelne Zertifikat ist real. Jede Digitec Galaxus Kundin und jeder Kunde, der die Einkäufe kompensiert hat, ist Teil dieser eindrücklichen Erfolgsgeschichte in Zimbabwe.
**Werden die heutigen Projekte immer noch nach den gleichen Standards aufgesetzt wie vor zehn Jahren? **
Die vor 10 Jahren eingeführten Standards sind hochwertig und auch heute noch in Gebrauch. Eine Neuerung zeichnet sich jedoch ab: Unter dem Paris Agreement werden die meisten Staaten in Zukunft das sogenannte Forest Reference Emission Level (FREL), das heisst sozusagen die offizielle im Land vorherrschende Entwaldungsrate, direkt vorgeben. Diesen Schritt begrüssen wir, da damit Beschuldigungen wie wir hätten «falsch gerechnet» unmöglich werden – der Staat gibt dann die Berechnung vor.
**Bei langfristigen Investitionsprojekten, etwa im Tunnel- oder dem Staudammbau, kommt es immer wieder zu Fehleinschätzungen und massiven Kostenüberschreitungen. Dies, weil sich die Rahmenbedingungen laufend ändern. Gilt diese Tendenz auch für Waldschutzprojekte? Und wenn ja, warum? **
Selbstverständlich ist dies auch bei Waldschutzprojekten möglich, ja sogar wahrscheinlich. Sich ändernde politische und legale Rahmenbedingungen, komplexe Besitzverhältnisse etc. – all dies kann zu Verzögerungen führen. Wichtig ist aber für die Kundinnen und Kunden von Digitec Galaxus: South Pole verkauft nur Zertifikate, die auch wirklich einer Emissionsreduktion von genau einer Tonne CO2 entsprechen. Wenn das Projekt Verspätung hat oder kleiner als geplant umgesetzt wird, dann verkaufen wir auch entsprechend weniger Zertifikate.
**Welche Faktoren berücksichtigt ihr als Projektentwickler bei der Berechnung des CO2-Einsparpotenzials konkret? **
Bei der Berechnung müssen wir uns ganz exakt an die vorgegebene Methodologie des Zertifizierers halten und nur die Zertifizierungs-Organisation stellt Zertifikate aus. Wir und andere Projektentwickler haben absolut keinen Spielraum, eigenen Regeln anzuwenden. Dazu kommt: Sämtliche Berechnungen sind 100% transparent für jede und jeden einsehbar. Im Falle des Kariba-Projektes sind sowohl die Berechnungsmethodik als auch die Projektdokumentation öffentlich zugänglich.
**Wo liegen bei der Abschätzung des CO2-Einsparpotenzials die grössten Unsicherheiten? **
Dies ist bei jedem Projekttypen unterschiedlich. Von den fast 1000 Projekten unseres Portfolios sind momentan weniger als 10 Waldschutzprojekte. Beim Kariba Waldschutzprojekt lag die grösste Unsicherheit in der Frage, wie hoch die Entwaldungsrate in der Referenz-Region ausfallen würde, also ausserhalb des Projektes. Diese Rate hängt von vielen Faktoren ab, die teils nicht vorhersagbar sind. Beispielsweise hat Präsident Mugabe bis 2019 die Entwaldung stark vorangetrieben mit Erlassen, welche zur Folge hatten, dass viele Bauern von ihren Ländern vertrieben wurden und sich in der Kariba-Region angesiedelt hatten. Nach Mugabes Tod ist die Entwaldungsrate im Referenzgebiet gesunken. Solche politischen Veränderungen lassen sich nicht modellieren – gerade deshalb beinhaltet die Methodik ja einen Nachkorrekturmechanismus.
**Wie geschieht das Controlling bei Waldschutzprojekten resp. wie stellt ihr sicher, dass eure Schätzungen nach einigen Jahren nicht komplett daneben liegen und – wie behauptet – Zertifikate verkauft werden, die erst gar nicht auf den Markt gelangen dürften? **
Das Controlling besteht aus unterschiedlichen Prozessen. Einerseits findet alle ein bis zwei Jahre eine externe Verifizierung der Projektleistung statt. Dabei kommen sowohl Satellitendaten als auch direkte Messungen im Projektgebiet zum Einsatz. Hier geht es um die Frage, wie viel CO2 in den Wäldern und Böden gespeichert ist und inwieweit die Projektaktivitäten zur Verringerung oder Vermeidung von CO2-Emissionen beigetragen haben. Diese aufwendigen und teuren Verifizierungen nehmen qualifizierte, unabhängige Prüfer von Organisationen wie etwa dem TÜV SÜD vor. Andererseits findet alle 10 Jahre – und in Zukunft alle 6 Jahre – eine Überprüfung der sogenannten «Baseline» statt. Bei der momentanen Methodik geht es hier um die Frage, wie hoch die Entwaldung im Referenzgebiet war, also ausserhalb des Projektes. Auch diese Berechnungen sind sehr aufwendig und dauern in der Regel mindestens ein Jahr, da man die vollständigen Daten von einer riesigen Fläche in Zimbabwe benötigt – erfasst mindestens während einer gesamten Trockenzeit und einer gesamten Regenzeit.
**Hat das Controlling im Fall «Kariba» versagt? **
Das Gegenteil ist der Fall – das Controlling hat bestens funktioniert. Im Juli 2022 begann – wie schon seit Beginn des Projektes geplant – die Überprüfung der sogenannten «Baseline», das «Re-Baselining». Als wir im Laufe dieses Prozesses Hinweise darauf hatten, dass die Entwaldung im Referenzgebiet tiefer war als im Modell angenommen, haben wir den Verkauf weiterer Zertifikate ausgesetzt. Warum? Weil wir wussten, dass wir in Zukunft weniger Zertifikate für dieses Projekt erhalten würden, ganz genau so, wie die Methodologie es vorschreibt. Über die Laufzeit eines Klimaschutzprojektes können nie mehr Zertifikate ausgestellt und verkauft werden, als tatsächlich CO2 kompensiert wird. Wenn wir «zu viele» Zertifikate verkauft hätten, würden wir in Zukunft keine neuen Zertifikate für dieses Projekt mehr erhalten. Für Kundinnen und Kunden von South Pole, also auch für Digitec Galaxus und deren Kundschaft hat dies keine Konsequenz.
**Der in einigen Medien kritisierte Zertifizierer VERRA stellt Zertifikate aus. Ist diese Organisation nach den medialen Anschuldigungen noch tragbar? **
VERRA ist bis heute der einzige Zertifizierer, der hoch-komplexe Projekte wie grossflächige Waldschutzprojekte überhaupt zertifizieren kann. Es gibt derzeit schlicht keine Alternative: Ohne VERRA können keine CO2-Zertifikate für Waldschutzprojekte ausgestellt werden. Kurzfristig wäre die einzige Alternative auf standardisierte Messungen und Zertifizierungen zu verzichten und wie früher über Umwelt-Organisationen Geld nach Afrika zu spenden.
**Ist daran denn etwas falsch? **
Die Kohlenstoffmärkte bringen benachteiligten Ländern mit ihren oft komplexen Gegebenheiten viel eher einen transformativen Nutzen, da sie stabilere, langfristigere Einnahmen für lokale Gemeinschaften und Entwicklungsprojekte ermöglichen.
**Kritiker fordern eine unabhängige Kontrollinstanz, um den Zertifikatsverkäufern – also auch South Pole – auf die Finger zu schauen und fragwürdige Geschäfte zu unterbinden. Was hältst Du davon? **
Wir würden das sehr begrüssen. Transparenz und Glaubwürdigkeit sind das höchste Gut in unserm Markt. Früher, unter dem Kyoto Protokoll, war die UNO selbst die Kontrollinstanz für Klimaschutz-Projekte im Ausland. Auch im Paris Agreement wurde ein unter UNO-Kontrolle stehendes Regelwerk beschlossen. Leider wurden diese Pläne bis heute nicht umgesetzt. Wir stehen seit vielen Jahren in Kontakt mit Regierungsorganisationen und fordern diese Umsetzung und Lösung – deswegen in der Zwischenzeit aber auf Klimaschutzprojekte zu verzichten, wäre fatal.
**Im Bericht von «ZEIT Online» stand, dass einige Mitarbeitende von South Pole wegen Unzufriedenheit gekündigt hätten. Stimmt diese Darstellung? **
Nein, diese Aussage spiegelt nicht die Realität wider. In unserer jüngsten Umfrage gaben die Mitarbeitenden an, dass sie ihre Arbeit bei South Pole inspiriert und sie sich mit Mission, Vision und Purpose von South Pole identifizieren. Auch Werte wie Diversität oder Innovation sind Triebfedern für den Erfolg von South Pole. Wir beschäftigen momentan rund 1 200 Mitarbeitende aus über 30 verschiedenen Ländern und unsere Experten sind stolz darauf, bei South Pole zu arbeiten.
**Was wäre dein Vorschlag, um eine transparente und glaubhafte Kontrolle der Klimaschutzprojekte zu sichern? **
Die Kontrollmechanismen der Klimaschutzprojekte, die wir planen oder unterstützen sind bereits heute extrem transparent. Im Gegensatz zu den CO2-Einsparungen einer klassischen Umwelt-Organisation finden sich jedes einzelne unserer Projekte, inklusive aller Details, in einer öffentlich zugänglichen Datenbank. Wir freuen uns, wenn wir solide Hinweise darauf bekommen, wo wir uns verbessern können. Es stimmt mich aber traurig, dass ausgerechnet diese Transparenz von Journalisten, die die Mechanismen nicht richtig verstehen, dazu gebraucht wird, irreführende Berichte zu schreiben.
**Schauen wir noch kurz nach vorne. In der Branche sorgt das Schlagwort Carbon Capture and Storage seit einiger Zeit für Furore. Wie schätzt du das Potenzial dieser Technologie ein? **
Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, brauchen wir sämtliche Lösungen, und zwar sehr schnell. Insofern begrüssen wir auch Carbon Capture and Storage sehr und haben im Jahr 2022 dazu die «NextGen CDR-Facility» lanciert. Grosse Firmen wie UBS, Swiss Re, BCG, LGT und die japanische Mitsui sind erfreulicherweise erste Investoren.
Danke Renat für dieses offene Gespräch
Mitarbeitende und Medien auf dem Laufenden zu halten, das ist mein Job. Ohne frische Bergluft geht bei mir allerdings nix! In der Natur hole ich mir den langen Atem, um stets dranzubleiben. Und beim Jazz die Ruhe, um meine Teenager zu bändigen.