Sensible Zone: Welche Pflege dein Intimbereich (nicht) mag
20-11-2023
Jetzt mal ganz unverschämt: Dein Schambereich soll schön sauber sein? Einverstanden, aber dazu braucht es viel weniger, als du denkst.
Es gibt da diesen Flachwitz: «Wie geht der kürzeste Witz? Er ist schon aus.» So kurz könnte ich auch diesen Artikel formulieren: «Wie geht richtige Intimhygiene? Einfach nur mit Wasser waschen.»
Doch weil zwei Sätze einem wichtigen Gesundheitsthema nicht gerecht werden, folgen Fakten zum Intimbereich bei Mann und Frau – und was es untenherum braucht, um gepflegt und gesund durchs Leben zu gehen.
Intimbereich bei der Frau: Warum die Vagina sauer ist
Das Mikrobiom der Haut besteht aus einer Vielzahl von Bakterien, Pilzen und Viren. Ihr Lebensraum ist der Säureschutzmantel, ein Oberflächenfilm aus Schweiß und Hautfetten mit einem leicht sauren Milieu: Der ph-Wert beträgt hier 5,5.
Noch saurer geht es jedoch in der Vagina zu: Durchschnittlich ein ph-Wert von rund 3,8 herrscht hier, das besonders durch antimikrobielle Milchsäurebakterien erzeugt wird. Diese Laktobazillen schützen die Vagina vor anderen Bakterien und Pilzen: Diese werden regelrecht durch die Säure weggeätzt – und erhalten so das Gleichgewicht der vaginalen Mikroflora.
Wehe aber, es wird geduscht und mit Seife geschrubbt. Intimwaschlotionen, Schäume, aber auch Enthaarungsgels und sogar Vaginalspülungen bloß mit Wasser zerstören das schützende Milieu.
Zu viel Waschen schadet der Gesundheit
Studien belegen: Bakterielle Vaginosen oder auch Hefepilzinfektionen können durch übermäßige Reinigung ausgelöst werden oder durch die Vaginalflora irritierende Seifen oder Duschgels. Dass vaginale Feuchtigkeitscremes, Cremes, Feuchttücher, Waschmittel, Zäpfchen und Sprays unten herum nichts zu suchen haben, zeigte etwa eine kanadische Studie von 2018: Bei den Probandinnen, die derlei Produkte verwendeten, stellte man eine 3,5-mal höhere Wahrscheinlichkeit für eine bakterielle Infektion und 2,5-mal häufiger Harnwegsinfekte fest.
Regelmäßige Vaginalspülungen erhöhen laut dieser Studie das HPV-Infektionsrisiko um 26 Prozent, das Risiko für eine Infektion mit krebserregenden HVP-Viren sogar um 40 Prozent. Und diese US-Studie belegte ein bis zu 50 Prozent erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs bei Frauen, die Vaginalspülungen vornehmen.
Der vaginale Selbstreinigungsmechanismus reicht völlig aus
Deshalb die Empfehlung: Die Vagina nicht waschen, nicht spülen (weder mit Wasser, Apfelessig noch mit Joghurt) oder mit sonstigen Pflegeprodukten behandeln. In ihr befindet sich Schleimhaut. Darum: Einfach in Ruhe lassen – sie reinigt sich von selbst.
Der vaginale Ausfluss, ca. 5 Milliliter jeden Tag, ist übrigens ein Zeichen dieses Selbstreinigungsprozesses. Die Gynäkologin Sheila de Liz nennt in ihrem Buch «Unverschämt» den weiblichen Ausfluss «ein kleines Post-It unserer Vagina» – eine Mitteilung, die uns sagt, dass alles okay ist – oder eben, dass die Bakterien im Vaginamilieu ganz zufrieden sind. Solange dieser Ausfluss nicht juckt, unangenehm riecht, bröckelig oder grünlich ist, ist bei Frauen untenherum alles in Ordnung.
Auch die Vulva, also der äußere Intimbereich, braucht nicht viel, um sauber zu werden bzw. zu bleiben. Die Haut rund um die Schamlippen am besten mit warmem Wasser waschen. Auch hier braucht es weder Duschgel noch spezielle Intimwaschlotionen. Im Gegenteil: Öko-Test eine Vielzahl davon hat 2022 getestet, die Mehrzahl der Produkte fiel durch. Denn sie enthielten problematische Inhaltsstoffe, die «die Schleimhäute oder Haut reizen, sich im Fettgewebe anreichern oder Allergien auslösen können. Besonders ärgerlich ist, dass im Test Lilial gefunden wurde. Der Stoff steht in Verdacht, die Fruchtbarkeit zu gefährden.»
Klar, es ist reine Kopfsache, wie sauber du dich unten herum fühlst. Doch wenn dir Wasser wirklich nicht ausreicht, dann verwende – für die äußere Intimzone – ausschließlich sehr wenig von einer milden Waschlotion: Also ph-neutrale Waschsyndets, die unparfümiert sind und einen ph-Wert von 5,5 haben, der dem Säureschutzmantel der Haut entspricht.
Intimbereich beim Mann: Richtig waschen
Auch bei der männlichen Intimzone gilt: Viel hilft nicht viel. Nimm einfach warmes Wasser. Hautärztin Yael Adler erklärt in ihrem Buch «Haut nah» explizit, wieso: «Schweiß, Staub und abgeschilferte Zellen sind exzellent wasserlöslich. Unser körpereigenes Hautfett dagegen, das unsere Epidermis mit großem Zeit- und Energieaufwand über vier Wochen hinweg herstellt, wollen wir eigentlich behalten und keinesfalls mit Seifen auslaugen.»
Es empfiehlt sich zwar, das männliche Genital jeden Tag zu waschen, um Schweiß, Hautschüppchen, Urin- und Spermareste und mitunter auch Bakterien zu entfernen. Aber gerade unter der Vorhaut – die wie Vagina und Mund aus Schleimhaut besteht – solltest du deiner Haut zuliebe auf aggressive Seifen verzichten.
Wann Smegma gesundheitsgefährdend werden kann
Entscheidend ist vielmehr, beim Waschen die Vorhaut zurückzuziehen, um die Ablagerungen darunter wegzuspülen. Nicht nur riecht dieses sogenannte Smegma unangenehm, es ist auch ein Risiko für Peniskrebs. Zwar ist dieser eine seltene Erkrankung, doch Peniskrebs ist schwer behandelbar – und als einer der Auslöser zählt mangelnde Hygiene. Sprich: Wenn die Vorhaut nicht regelmäßig von Smegma befreit wird. «Zurückbleibendes Smegma kann dann die Entstehung von Peniskrebs begünstigen», schreibt das Kantonspital Winterthur.
Für Männer wie Frauen gilt: Du kannst dich noch so viel waschen, deinen individuellen Intimgeruch wirst du nicht los. Über die apokrinen Schweiß- oder auch Duftdrüsen sondern Menschen ihren körpereigenen Duft ab. Die Duftdrüsen sitzen in der Intimregion, unter den Achseln und um die Brustwarzen. Anders als die ekkrinen Schweißdrüsen sondern sie keinen Schweiß bei körperlicher Anstrengung und Hitze ab, sondern Lockstoffe (Pheromone), die dir und mir und jedem anderen Menschen einen ganz eigenen Geruch verleihen. Diesen körpereigenen Duftdrüsengeruch wegwaschen zu wollen, ist kontraproduktiv bzw. unmöglich, erklärt Hautärztin Yael Adler: «Die Duftdrüsen bilden ihre ätherischen Öle (...) ständig nach und treiben Betroffene in einen Teufelskreis aus Waschen und Jucken und am Ende verzweifelt zum Arzt.»
Auch hintenrum ist die Haut empfindlich
Auf zu häufiges Waschen mit juckender Haut kann schnell auch eine andere intime Region reagieren: der Anus. Dazu Expertin Adler in ihrem Buch: «An unserem Schließmuskel prallen Haut und Schleimhaut aufeinander und gehen ineinander über. Die Rosette, reagiert verstört auf Seifenreste, die sich in ihren Ritzen ablagern. Hier liegt Haut auf Haut, es kommt keine Luft heran, und so werden alle Reizstoffe der Seife intensiv in die Haut hineingearbeitet. Die Folgen sind Juckreiz bis hin zum Analekzem und Infektionen mit Pilzen oder Bakterien.»
Wer also die Poritze eifrig mit Seife wäscht, muss dort unbedingt mit viel Wasser nachspülen, um alle Seifenreste von der empfindlichen Hautregion wegzubekommen. Reinigen lässt sich die Po-Zone auch mit einer speziellen Dusche. Kollegin Natalie hat die Po-Dusche getestet.
Auf Waschlappen solltest du beim Reinigen deiner Intimzone hingegen verzichten oder sie maximal einmal verwenden und dann bei 60 Grad waschen. Denn sie können regelrechte Keimschleudern sein und besonders für die empfindliche Vaginalflora ein Problem werden.
Wie gesagt: Weniger ist untenherum viel mehr.
Titelfoto: shutterstockMareike Steger
Autorin von customize mediahouse
Ich hätte auch Lehrerin werden können, doch weil ich lieber lerne als lehre, bringe ich mir mit jedem neuem Artikel eben selbst etwas bei. Besonders gern aus den Themengebieten Gesundheit und Psychologie.