Sauer, lecker und nicht, was du denkst: Bühne frei für Schmuckdesigner Benedict Haener
«Nicht zum Verzehr geeignet», sollte hier prangen. Geniessen darfst du die Kreationen des Schweizer Schmuckdesigners Benedict Haener trotzdem. Im Interview erzählt er, warum er Süssigkeiten aus Diamanten macht und wie du den Wert einer 10-Franken-Note um das Hundertfache steigern kannst.
Dass sich beim beinahe apathischen Scrollen auf Instagram etwas meine ungeteilte Aufmerksamkeit krallt, passiert selten. Zu ähnlich alles, zu oft schon gesehen. Eine Kette aus Apfelringen allerdings noch nie! Quietschgrün und mit reichlich Zucker bestreut, drängt sie sich in mein Sichtfeld. Obwohl sich die vermeintlichen Schaumzucker-Fruchtgummis, als Schmuckstück ineinander verkettet, um einen Hals schlängeln, zieht sich beim Gedanken an ihren sauren Geschmack mein Kiefer zusammen. Kindheitserinnerung pur! Ich brauche mehr Infos.
Diese bekomme ich bei Benedict Haener. Der 32-jährige Designer aus Horn, TG, hat das gute Stück nämlich kreiert. Es ist Teil seiner «Kill Your Darling»-Kollektion und selbstredend nicht aus Fruchtgummi. Sondern aus Harz, Glas und Diamanten.
Was war zuerst da, deine Leidenschaft für Schmuck oder die, Dinge zweckzuentfremden und neu zu interpretieren?
Benedict Haener: Klar der Schmuck. Ich habe zuerst eine Goldschmiedelehre gemacht und mich dann ein bisschen in Sachen Produktdesign weitergebildet. Inzwischen mache ich Schmuckdesign. Da bewege ich mich im Bereich Autorenschmuck – Contemporary Jewelry. Da geht es in erster Linie um Kunst und Konzepte.
Ich bin über deine Apfel- und Pfirsichringketten auf dich aufmerksam geworden. So nostalgisch. Warum gerade diese Süssigkeiten?
Ursprünglich ging es mir um die Idee, traditionelle Werte zu hinterfragen. Beim Schmuck zum Beispiel die klassischen Diamanten. Die habe ich zerkleinert und als Zuckerimitat eingesetzt. Als Goldschmied verwendest du oft Werkzeuge mit Diamantbeschichtung. Diese wollte ich wieder in den Schmuck zurückbringen. Bei einem meiner ersten Versuche – da habe ich aus Kostengründen noch mit Glas statt Diamanten hantiert – habe ich einen rosafarbenen Stein mit dem «Zucker» beschichtet. So sah er aus wie eine Süssigkeit und hat mich sofort an die ikonischen, sauren Apfelringe erinnert. Das war dann der Startschuss.
Also war die Kreation im Grunde ein Zufall?
Auch. Jeder Designprozess ist eigentlich eine Mischung aus Zufall und dem Erkennen, dass du etwas Spannendes geschaffen hast. Die Kunst ist dann, etwas daraus zu machen.
Ich habe bei dir auch Stücke in Zuckerwürfel-, Weinglas- und Eiswürfel-Optik gesehen. Hast du generell eine Affinität zu Getränken und Lebensmitteln?
Ha, nein. Eigentlich nicht. Ich finde es eher spannend, Essen und andere alltägliche Dinge zu imitieren. Die Zuckerwürfel sind aus dem gleichen Konzept entstanden wie die Apfel- und Pfirsichringe: Günstige Materialien wie Zucker mit teuren Materialien zu imitieren. In der Regel läuft es ja eher andersherum – dass Teures von Günstigem imitiert wird.
Am offensichtlichsten kommt deine monetäre Werte-Frage wahrscheinlich bei den Stücken aus Banknoten zur Geltung.
Genau, im ersten Schritt zerstöre ich die Note und ihren Wert. Beziehungsweise den, den die Gesellschaft ihr gegeben hat. Und dann generiere ich einen neuen Wert. Einen künstlerischen oder poetischen.
Um ein Wievielfaches steigerst du den Wert, zum Beispiel von dem Ring aus einer 10-Franken-Note, durch den Einsatz deiner Arbeitsstunden in etwa?
Das lässt sich so einfach nicht beantworten. Manche Noten habe ich neu angeschrieben, zum Beispiel mit 1500 oder 2000 Franken. Da ist also der Preis schon gegeben, den sie neu wert sind. Ich meine, dass der Ring etwa bei 1000 Franken liegt. Das sind aber eher symbolische Werte. Denn mit allen Arbeitsstunden inklusive Konzeptentwicklung geht das dann doch nicht wirklich auf. Oder sagen wir noch nicht.
Wenn ich das richtig sehe, arbeitest du vor allem mit Glas und Harz – was magst du an diesen Materialien besonders?
Grundsätzlich arbeite ich mit dem, was für die Idee, die ich gerade habe, den richtigen Effekt generiert. Aber ich mag eine Art Wechselspiel aus teuren und günstigen Materialien. Harz ist easy zu bearbeiten, zum Beispiel kannst du die Farbe und deren Intensität leicht beeinflussen. Ausserdem kannst du es gut giessen – ein wichtiger Faktor.
Wird es von dir mal ganz herkömmliche 08/15-Schmuckstücke zu kaufen geben?
Wahrscheinlich nicht. Allerdings ziehe ich gerade mit drei weiteren Künstlerinnen und Künstlern in Luzern einen Schmuck-Brand auf, Garten Eben. Zwar auch nicht 08/15, aber definitiv tragbarer.
Findest du, dass unser Alltag viel zu langweilig ist?
Ach, grundsätzlich eigentlich nicht. Ich habe zwar gern schöne Dinge, aber die meisten Objekte sollten doch vor allem nützlich sein. Da bin ich pragmatisch. Zum Glück ist Schmuck ja nie wirklich nützlich. Deshalb möchte ich damit Emotionen auslösen.
Vielen Dank für das schöne Gespräch.
Immer zu haben für gute Hits, noch bessere Trips und klirrende Drinks.