«Plague Tale: Requiem» ist ein packendes Drama mit eintönigem Gameplay
Produkttest

«Plague Tale: Requiem» ist ein packendes Drama mit eintönigem Gameplay

Philipp Rüegg
17-10-2022

Die fesselnde Geschichte um eine mysteriöse Rattenplage geht in «Plague Tale: Requiem» weiter. Schade nur, wird sie ständig von mittelmässigen Gameplay-Passagen unterbrochen.

Schon wieder Wachen. Wenn das so weitergeht, habe ich bald mehr Leichen auf dem Gewissen als die mörderischen Rattenschwärme. Ich könnte vorbeischleichen, aber das macht es nur unnötig schwer. Dabei will ich doch nur wissen, wie die Geschichte weitergeht. Darin liegt wie schon beim ersten Teil von 2019 die Stärke von «Plague Tale: Requiem». Leider beschränkt sich das Studio Asobo nicht nur darauf.

Ich habe die PC-Version etwas über zehn Stunden gespielt und habe nicht vor, aufzuhören. Laut Hersteller dauert das Spiel zwischen 18 und 20 Stunden. Es ist damit fast doppelt so lang wie der Vorgänger.

Faszinierende Welt und mitreissende Geschichte

«Plague Tale: Requiem» schliesst praktisch nahtlos an den Vorgänger «Plague Tale: Innocence» an. Ich begleite erneut die Geschwister Amicia und Hugo de Rune auf ihrer Reise durch das Frankreich des 14. Jahrhunderts. Gemeinsam suchen sie ein Heilmittel für Hugos mysteriöse Blut-Krankheit. Die ist irgendwie mit der hiesigen Rattenplage verbunden. Wir reden hier nicht von ein paar frechen Kellerratten, die an den Vorräten knabbern. Die grösste Bedrohung in «Plague Tale: Requiem» geht von gigantischen Horden menschenfressender Ratten mit blutrot leuchtenden Augen aus. Sie stürzen sich wie Flutwellen über alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Das sieht beeindruckend und beängstigend zugleich aus. Wer nicht an den Angriffen stirbt, kommt meist durch die Pest ums Leben, die die Ratten in sich tragen bringen.

«Plague Tale: Requiem» ist kein Spiel für sanfte Gemüter.
«Plague Tale: Requiem» ist kein Spiel für sanfte Gemüter.

Hugo und Amicia fliehen nicht nur vor den schwarzen Todesschwadronen, sondern auch vor der französischen Inquisition. Die hat es, wegen seiner Verbindung zu den Ratten, erneut auf Hugo abgesehen. Der Weg zu einer geheimnisvollen Insel, wo vielleicht die einzige Rettung für Hugo wartet, führt durch unterschiedlichste Orte Südfrankreichs. Die Geschichte packt mich von Anfang an. Ich muss einfach wissen, was hinter dieser Plage steckt, was ein zwielichtiger Orden damit zu tun hat und ob ich Hugo doch noch retten kann. Sogar die Schicksale ihrer Weggefährtinnen und Gefährten lassen mich nicht los. Dass die Reise wie in «Uncharted» von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten springt – nur halt mit etwas mehr Leichen und Ratten –, motiviert den Entdecker in mir zusätzlich.

Stimmung erzeugt auch die deutlich aufgebohrte Grafik mit ihren wunderschönen Lichteffekten. Immer wieder staune ich über malerische Küstenstädte, bunte Dorffester und traumhafte Landschaften, wo Sonnenstrahlen durch den wolkenverhangenen Himmel dringen. Schaurig-schön sind die von der Pest gebeutelten Viertel und mit aufgedunsenen Leichen übersäten Katakomben. Hinzu kommt ein grossartiger Soundtrack. Mal schafft er durch leichte Klänge Entspannung, wenn ich über ein Blumenfeld flaniere. Dann wieder lässt er meinen Puls schneller schlagen, mit einem bedrohlichen Pochen, wenn ich durch ein verwüstetes Wohnviertel schleiche. Audiovisuell ist «Plague Tale: Requiem» eine Wucht.

Technisch hat «Plague Tale: Requiem» gegenüber dem Vorgänger einen enormen Sprung gemacht.
Technisch hat «Plague Tale: Requiem» gegenüber dem Vorgänger einen enormen Sprung gemacht.

Einziger Kritikpunkt an der Präsentation betrifft die Sprachausgabe. Egal, ob auf Deutsch, Englisch oder Französisch, komplett überzeugt mich keine. Amicia stöhnt und ächzt oft übertrieben und Hugo klingt in allen Sprachen so weinerlich. Ich bin schlussendlich, wie schon beim ersten Teil, bei Französisch geblieben. Das passt am besten zum Setting, das Entwicklerstudio ist französisch und die Sprecher klingen damit am natürlichsten.

Der «Game-Teil» lenkt von der Geschichte ab

Leider, muss ich fast sagen, besteht «Plague Tale: Requiem» nicht nur aus Sightseeing und packender Geschichte. Ständig wird das Weiterkommen von Soldaten, Ratten oder kleinen Rätseln blockiert. Nichts davon ist sonderlich originell, noch abwechslungsreich. Amicia hat ein paar Sachen dazu gelernt. Sie kann mit ihrer treuen Schleuder nicht nur Feuer entfachen, sondern auch Flammen auslöschen, Flammen explodieren lassen oder Köder verschiessen, um Ratten abzulenken. Die grösste Gefahr geht nach wie vor von den Nagetieren aus. Überall wo Licht ist, trauen sich die Ratten nicht hin. Diese Schwäche muss ich regelmässig nutzen, um einen Weg durch die schwarzen Massen zu finden. Mal, indem ich Feuerstellen entfache oder Teergruben entzünde oder die Fackeln von Wachen auslösche und sie so wehrlos den Ratten überlasse.

Regelmässig müssen Soldaten ausgeschaltet werden, was schnell repetitiv wird.
Regelmässig müssen Soldaten ausgeschaltet werden, was schnell repetitiv wird.

Wenn ich keine Lust auf Schleichen habe, greife ich an. Gegen die neue Armbrust hilft auch kein Helm mehr. Im Verlauf des Spiels kommen weitere Angriffsoptionen hinzu und die Ausrüstung lässt sich ebenfalls verbessern. Aber auch dann sind die Begegnungen weder herausfordern noch interessant. Der Ablauf ist immer derselbe und wiederholt sich viel zu oft.

Auch die zahlreichen Schalterrätsel halten mich bloss von der Geschichte und dem Entdecken der Welt ab. Mit der Armbrust einen Enterhaken verschiessen, um Türen oder Balken einzureissen? Das wurde schon in «Uncharted 4» schnell langweilig. Und dass ich 2022 immer noch Anhänger herumschieben muss, um eine Wand hochzuklettern, das kann doch nicht wahr sein? Besonders, wenn selbst ein Vierjähriger das Hindernis ohne Hilfe überwinden könnte. Kann ich bitte in allen Spielen eine Rätsel-Überspring-Funktion haben, wie im kürzlich erschienenen «The Last of Us Part 1»?

Mit dem Schiff beginnt einer der besten Abschnitte von «Plague Tale: Requiem».
Mit dem Schiff beginnt einer der besten Abschnitte von «Plague Tale: Requiem».

Fazit: Weniger wäre mehr

Ich wünschte, Asobo hätte sich mehr auf die Geschichte und das Entdecken verlassen. Die Welt von «Plague Tale» wechselt zwischen düsteren Seuchenszenen mit modrigen Leichen und idyllischen Mittelmeer-Landschaften, wo Sommerferien-Feeling aufkommt, hin und her. Das Highlight ist für mich bisher der Mittelteil des Spiels. Dort weicht «Plague Tale» vom sonst linearen Pfad ab und lässt mich erstaunlich frei, eine weitläufige Insel auskundschaften. Auch das Verhältnis zwischen Action, Rätsel und Schleichpassagen stimmt hier für einmal. Leider kann ich das vom Rest des Spiels nicht behaupten. Die meiste Zeit wiederhole ich die immer gleichen Handgriffe: durch Rattenmeere navigieren, Wachen ausschalten oder anspruchslose Rätsel lösen. Das ist mehr Arbeit als Spass. Die faszinierende und wunderschön designte Welt lässt mich trotzdem nicht los. Amicia, Hugo und ihre Kumpanen sind mir schon jetzt ans Herz gewachsen und ich werde erst Ruhe geben, wenn ich sie sicher an ihr Ziel gebracht habe.

«Plague Tale: Requiem» wurde mir von Plaion zur Verfügung gestellt. Das Spiel ist für PC, PS5, und Xbox Series S/X erhältlich.

Focus Home Interactive A Plague Tale: Requiem (XSRX) (Xbox Series X, DE)
Game
EUR40,60

Focus Home Interactive A Plague Tale: Requiem (XSRX)

Xbox Series X, DE

Focus Home Interactive A Plague Tale: Requiem (Playstation, DE)
Game

Focus Home Interactive A Plague Tale: Requiem

Playstation, DE

21 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar