Ohne Snapchat kein Instagram: die Story hinter dem Erfolg
Ein Foto schiessen, auf Social Media teilen und 24 Stunden später ist es wieder weg. Die Story. Aber auf welcher Plattform postest du deine Storys; und warum nicht mehr auf Snapchat? Und hat die Story wirklich Instagram das Leben gerettet?
Wir schreiben das Jahr 2013. Die Foto-Sharing-Plattform Snapchat ist noch relativ frisch in der Social-Media-Welt, Facebook noch populär wie eh und je und «Gangnam Style» das meistgeschaute Video auf YouTube. Was damals noch niemand ahnt: Snapchat ist kurz davor, das Feature zu veröffentlichen, das einige Jahre später der Konkurrenz das Leben rettet: die Story.
Wenn ich heute meine Kollegen frage: «Habt ihr gesehen, was Cristiano Ronaldo in seiner Story gepostet hat?», denken alle instinktiv an Instagram. Wer ist sich überhaupt noch bewusst, dass die Story ursprünglich ein Snapchat-Feature war?
Wie Snapchat einen Volltreffer landete
Im Oktober 2013 erklärte Snapchat – die junge Messenger-Plattform zum Verschicken selbstlöschender Fotos – der Welt erstmals die Story-Funktion. Anstatt die Fotos nur einzelnen Freunden zu senden, konnten diese neu auch öffentlich gepostet werden. Und verschwanden dann aber nach 24 Stunden auch von selbst wieder, nach dem Grundprinzip der App.
Was zunächst belächelt wurde, erfreute sich nur kurze Zeit später grosser Beliebtheit. Die Funktion ermöglichte es Nutzerinnen und Nutzern, auf authentische und schnelle Art mit Freunden und Bekannten in Kontakt zu bleiben. Aber auch Stars und Sternchen nutzten die Story auf Snapchat, um alle Facetten ihres Lebens mit der Welt zu teilen.
Das Feature wurde schnell zum Selbstläufer – auch hier in der Schweiz. Sogar beim SRF wurde im Bericht «5 Tipps für coole Snapchat-Stories» erklärt, worauf es bei einer guten Story zu achten gelte.
Ein grosser Pluspunkt war sicherlich die Ehrlichkeit, die eine Story damals noch voraussetzte. Man konnte nur Bilder posten, die man auch direkt in der App gemacht hat, und es gab keine grossen Bearbeitungsmöglichkeiten.
Snapchat hatte mit der Story jedenfalls einen kleinen Paradigmenwechsel angestossen. Ein Erfolg, der auch Konkurrent und Social-Media-Gigant Facebook nicht entging.
Veni, vidi, imitavi
Denn 2016 war es so weit und Instagram – damals bereits Facebook-Tochter – stellte seine neueste Entwicklung vor: die Story! Die Geschichte wiederholte sich. Nicht nur beim Namen, sondern auch beim Funktionsumfang hatte sich Instagram mehr oder weniger direkt an Snapchats Vorbild bedient.
Und auch die Instagram-Story wurde anfänglich stark belächelt. Dieses Mal aber nicht wegen der Funktionalität an sich, sondern wegen der Vorgeschichte. «Gibt es doch schon!» oder «warum sollte ich denn jetzt meine Storys woanders posten?», so oder so ähnlich reagierten die Menschen im Internet und in der echten Welt auf das «neue» Feature.
Und doch: Auch bei Instagram wandelte sich der Spott über die Story langsam aber sicher in Begeisterung um. Nur etwa ein Jahr später wendete sich das Blatt komplett.
Snapchat hat Instagram das Leben gerettet
Das neue Feature war genau der frische Wind, der auf Instagram seit einiger Zeit gefehlt hatte. Vor dem Launch der Story-Funktion wurde auf Instagram weniger gepostet als je zuvor.
Bis 2017 hat die Instagram-Story das Original von Snapchat dann definitiv überholt. Das Feature wurde täglich von über 200 Millionen Personen genutzt. Eine Zahl, welche die Snapchat-Story bis heute nie erreicht hat.
Instagram hatte einen grossen Vorteil gegenüber Snapchat: Nutzerzahlen. Während Snapchat 2016 erst gerade so die 100 Millionen aktiven Userinnen und User geknackt hat, waren schon weit über 500 Millionen Personen monatlich auf Instagram unterwegs. Die Frage, warum viele ihre Story lieber auf Instagram posten, war also denkbar einfach zu beantworten: Reichweite.
Und das Erfolgsrezept von Instagram – hust geklaute Features hust – scheint aufzugehen. Während Snapchat Ende April 2024 rund 800 Millionen monatlich aktive Nutzerinnen und Nutzer zählt, hat Instagram bereits die Marke von zwei Milliarden (!) geknackt.
Immerhin hat die Plattform, auf der wir früher lediglich quadratische Ferienfotos gepostet haben, ja heute auch einiges zu bieten: Storys, Kurzvideos, Direct Messages und Livestreams sind alles Features, welche die Meta-Plattform bei der Konkurrenz abgeschaut hat. Aber das sind alles Themen für ein anderes Mal.
Die höchste Form der Anerkennung?
Natürlich lässt sich auch argumentieren, dass Instagram die Story-Formel massgebend weiterentwickelt hat. Umfragen, Sticker, Musik und Links liefern einen greifbaren Mehrwert, der bei Snapchat seinerzeit fehlte.
Handelt es sich tatsächlich um einen Feature-Diebstahl oder lediglich um eine Nachahmung – und spielt es überhaupt eine Rolle? Wir können unsere Story ja immerhin auch posten, wo wir wollen. Ob auf Snapchat, Instagram, Facebook, WhatsApp, TikTok, Pinterest, Telegram, zeitweise sogar auch auf Twitter, YouTube und Spotify – Storys gibt es heute nahezu in jeder Ecke des Internets.
Und doch, die Zahlen sprechen Bände. Es wirkt, als wäre jede Kopie des Story-Features heute beliebter als das Original. Versuch es selbst: Öffne Snapchat und sieh nach, wie viele deiner Freunde in den vergangenen 24 Stunden eine Story gepostet haben. Jetzt vergleiche das mit jeder anderen App. Das Resultat sollte klar sein.
Was ist wichtiger: Innovation oder Reichweite? Verdient Instagram für die Weiterentwicklung des Story-Formats Applaus, oder sollten wir Snapchat als wahren Erfinder mehr schätzen? Tausch dich mit der Community in den Kommentaren aus!
Praktisch seit ich denken kann fasziniert mich alles, was Tasten, Displays und Lautsprecher hat. Als Journalist mit Fokus auf Technik und Gesellschaft schaffe ich Ordnung im Dschungel aus Tech-Jargon und unübersichtlichen Spec-Sheets.