Nennen dich deine Kinder beim Namen
Wie Kinder ihre Eltern nennen, ist von Familie zu Familie verschieden. Eher selten ist, dass Eltern von ihren Kindern beim Vornamen genannt werden. Und gewöhnungsbedürftig ist es auch. Finde ich zumindest.
Noch bin ich der «Papi» für meine Kinder. Doch wie lange noch? Immer öfter fällt mir bei Freunden mit Kindern im Teenageralter auf, dass diese ihre Eltern beim Vornamen nennen. Ich persönlich finde das ziemlich, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. Wenn es nach mir ginge, dürfen mich meine zwei Kinder gerne ein Leben lange mit «Papi», statt meinem – ohnehin nicht sonderlich originellen Vornamen – ansprechen. Auch ich nenne meine eigenen Eltern bis heute «Mami» und «Papi». Denn selbst als ein Erwachsener bleiben sie das eben immer für mich.
Laut Studien und Umfragen bin ich damit nicht allein. Es sind es nur ganz wenige Kinder, die ihre Eltern mit Vornamen ansprechen – was auch gut ist, will man dem vor drei Jahren verstorbenen dänischen Kinder Familientherapeuten Jesper Juul Glauben schenken. Er sagte unmissverständlich: «Ein Kind, das seine Eltern beim Vornamen nennt, ist genau genommen ein Kind, das keine Eltern hat.»
Ok, eine ziemlich happige Aussage. Wo ich Juul aber recht gebe: Ich bin nicht der Freund und Kumpel meiner Kinder und werde es auch nie sein. Und weil Wörter eben mehr als nur einfache Wörter sind, sondern mit ihnen auch Verhältnisse zum Ausdruck gebracht werden, hört sich für mich «Mami» oder «Papi» einfach natürlicher an.
Es muss ja nicht so weit gehen wie noch vor über 100 Jahren, als Kinder ihre Eltern mit «Frau Mutter» oder «Herr Vater» anzusprechen hatten. Wobei: Es gibt auch heute noch namhafte Persönlichkeiten, die genau das von ihren Kindern verlangen. So sorgte der ehemalige Trainer von Bayern München, der Holländer Louis van Gaal, vor einigen Jahren für Schlagzeilen, als er in einem Zeitungs-Interview verriet, er lasse sich von seinen Töchtern siezen. Dabei ging es van Gaal weniger um die Schaffung künstlicher Distanz als um den Ausdruck von Ehrerbietung.
Fakt ist nun einmal, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kinder eine asymmetrische ist, auch wenn ich als Vater natürlich jederzeit bestrebt bin, diese Beziehung auf Augenhöhe zu pflegen. Diese Asymmetrie zeigt sich auch wieder in der Sprache. So kommt es ja nicht von ungefähr, dass man – so auch ich – seine Kinder nicht mit «Tochter» oder «Sohn» anspricht, sondern mit deren Vornamen.
«Papi» hat natürlich nichts zu suchen, wenn ich über mich selber spreche. Menschen, die in dritter Person über sich zu reden pflegen, sind mir sowieso ein Gräuel. Toppen kann man diese sprachliche Unsäglichkeit aber noch mit dem Satz: «Der Papi hat gesagt, dass es nach Zähneputzen keine Süssigkeiten mehr gibt.» Ok, das ist jetzt wieder ein anderes Thema…
Letztlich dürfen mich meine Kinder so nennen, wie ihnen beliebt. Natürlich, mein Verhältnis mit ihnen wird immer freundschaftlicher, je älter sie werden. Und doch würds mich freuen, dass wenn mich meine dannzumal 16-jährige Tochter aus dem Ausgang anruft, und es tönen wird: «Papi, magst du mich abholen, der letzte Bus ist grad abgefahren.»
Doch mich nimmt wunder, was deine Erfahrungen zu diesem Thema sind und wie du als Elternteil angesprochen werden willst. Ich bin gespannt auf deine Meinung.
Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.