Im Winter tun es nur Hartgesottene, im Sommer vielleicht mehr – nackt schlafen. Doch ist die Nachtruhe ohne Pyjama wirklich besser?
Den Köder für die Kommentarspalte werfe ich gleich zu Beginn des Beitrags ins Wasser. Also: Wer nackt schläft, erhöht die Chancen auf Sex. Das behaupten zumindest vermeintliche Expertinnen und Experten, wenn sie um eine Stellungnahme gebeten werden, vorrangig von Redaktionen, die für Online klickstarken Content texten müssen. So ist eine Gynäkologin im Interview mit der «Berliner Zeitung» überzeugt:
Aufschlussreicher als diese durch keine Studienlage gestützte Einschätzung ist eine Zusammenstellung des Für und Widers bei «20 Minuten». Dort heisst es, dass die Nacktheit ihren Reiz verliere, wenn sie zur Normalität wird. Nur, weil man also jede Nacht unbekleidet ins Bett steige, müsse das nicht zu mehr Sex führen.
Jetzt aber Schluss mit Sex. Beim Nacktschlaf gibt es noch andere Aspekte: gesundheitliche und hygienische.
Schlafgewohnheiten
Was ist deine bevorzugte Kleidung zum Schlafen?
Ich schlafe nackt.
30%
Nur mit Boxershorts oder Höschen.
29%
Mit ordentlichem Schlafanzug natürlich.
9%
Shorts und Shirt, nichts Spezielles.
22%
Ich klicke nur, um das Ergebnis zu sehen.
10%
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Mehr Schlaf, bessere Figur und jüngere Haut durch Nacktheit?
Befürworter des unbekleideten Schlafens argumentieren mit positiven Auswirkungen auf die Gesundheit. Die Studienlage dazu ist dünn, in vielen Fällen ist ein vermeintlicher Effekt höchstens indirekt zu argumentieren.
So soll es förderlich für die Hautgesundheit sein, wenn du nackt schläfst. Die Begründung: Wenn kein Stoff auf der Haut liegt, schwitzt du weniger, was wiederum der Haut hilft. Insbesondere im Intimbereich finden Bakterien weniger leicht einen Ort zum Brüten, wenn man dort nicht schwitzt.
Wer hüllenlos schläft, soll ausserdem den Kalorienverbrauch ankurbeln. Ein leichtes Frieren und Zittern verbrenne Kalorien, steht in Fitness-Ratgebern. Sogar der Level des Stresshormons Cortisol soll sinken. Und weil Cortisol im Blut unter anderem dafür verantwortlich ist, dass sich Bauchfett anlagert, solll es sogar der Strandfigur förderlich sein, auf den Pyjama zu verzichten.
Im Kern ist es also das Schwitzen, das zum Problem wird. Und Nacktheit soll die Lösung dafür sein. Nun ist Schwitzen per se jedoch ein völlig natürlicher Mechanismus unseres Körpers, um die Körpertemperatur auszugleichen. Wir durchlaufen in einer Nacht verschiedene Schlafzyklen. In der Phase des Tiefschlafs sinkt unsere Körpertemperatur leicht, in der REM-Phase, dann, wenn wir träumen, steigt sie leicht an. Dann schwitzen wir. Es ist also völlig normal, zu schwitzen. Durch Nacktheit ist das nicht zu verhindern.
Schweiss wird zum Nährstoff für Bakterien
Um einen angenehmen – und damit erholsamen und gesunden – Schlaf zu haben, braucht es eine Schlafumgebung, die für eine optimale Körpertemperatur in allen Schlafphasen sorgt. Das sagt Andreas Lenzhofer, Gründer und CEO des Pyjama-Herstellers Dagsmejan. Ich habe ihn zum Thema Nacktschlaf befragt. Nun ist er rein aus Geschäftsinteresse womöglich nicht der grösste Anhänger der Nacktschlaf-Theorie. Zumindest aber hat er sich sehr intensiv mit dem Thema Schlafen auseinandergesetzt.
Schweiss, so sagt er, ist nicht per se hygienisch oder unhygienisch. Ein Problem stelle er erst dann dar, wenn er sich in den Stoffen festsetzt und als Nährstoff für Bakterien aller Art dient. Und hier kommt die Pyjama-Idee ins Spiel:
Das sei bei Bett und Matratze deutlich schwieriger. Man sieht vor allem Matratzen eher selten aus dem Fenster hängen. Damit bleibt nach dem Bettenmachen am Morgen immer Feuchtigkeit im Laken oder in der Matratze. Oder wie es es Andreas formuliert: «Partytime für alle Bakterien und Viren, was diese mit dem Ausstoss von Muff gerne verdanken.» Trotzdem muss auch ein Pyjama natürlich regelmässig gewechselt und gewaschen werden, und zwar alle zwei bis vier Tage, abhängig davon, wie stark du schwitzt.
Wer nackt schläft, sollte sich bewusst sein, dass der Körper dennoch Schweiss absondert. Deshalb empfiehlt sich ein regelmässiger Wechsel der Bettwäsche. In einem Interview hat Schlafforscher Dr. Hans-Günter Weess den Tausch von Laken und Bezügen zweimal pro Woche empfohlen. Da kommt dann einiges an Wäsche zusammen. Um den Schweissfluss Richtung Matratze zu reduzieren, ist eine waschbare Auflage eine gute Idee.
Solltest du dir vor dem Anklicken des Beitrags aufgrund der Überschrift ein klares Ja oder Nein als Antwort auf die Nacktschlaf-Frage erhofft haben, bist du jetzt womöglich enttäuscht. Es gilt hier wie so oft: Es kommt darauf an. Wer nackt schläft, schwitzt dennoch. Der Körper lässt sich nicht austricksen. Trotzdem kannst du dich unbekleidet wohler fühlen als mit Pyjama und deshalb dann leichter einschlafen und erholter aufwachen – vorausgesetzt die Mehr-Sex-Theorie wäre doch wahr und raubt dir den Schlaf. Wobei das ja auch wieder dazu führt, dass man schwitzt …
Umgekehrt hat ein Pyjama Vorteile. Schweiss im Stoff lässt sich leichter auslüften. Vor allem, wenn geeignete Stoffe verwendet werden. Damit muss ich dann auch nicht frieren und womöglich deshalb erkälten. Ausserdem schlafe ich besser durch, als wenn ich durch das Schlankheits-Zittern zwischendurch aufwache. Ich habe ja meinen Traum-Pyjama ja schon gefunden, siehe hier:
Produkttest
«Stay Warm» von Dagsmejan im Test: Leichter Stoff, warme Nächte
von Martin Jungfer
Und wie schläfst du? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Lass es die Community in einem Kommentar wissen.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.