Crocs Klassischer Coca-Cola Light X Clog 207220-030 Größe 48
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Ich hasse die Hitze. Alles über 25 Grad ist mir zu heiss, weshalb ich mich für ein paar Tage auf über 2000 Meter begeben habe zur Arbeit. Weit weg von der aufgeheizten Stadt lenken mich Kühe und Fliegen von der Arbeit ab.
«Bei uns sind Tropennächte, wenn es über 10 Grad wird!», erklärt mir die Wirtin der Pension Edelweiss in Juf. Mit 2126 Metern über Meeresspiegel ist Juf die höchste dauerhaft bewohnte Ortschaft in Europa. Juf liegt ganz hinten im Averstal im Kanton Graubünden. Dort, wo ein Teil des Rheins entspringt, bevor er Richtung Rotterdam schlängelt, steigt die Temperatur selten über 20 Grad. In Zürich zeigt das Thermometer 32 Grad, als ich am Sonntagmittag in den Zug steige. Etwas mehr als drei Stunden, eine Zugfahrt und zwei Postautofahrten später sitze ich auf der Terrasse im Schatten und friere leicht, da ein leichter Wind vom Berg her weht. 22 Grad sind es und ich merke, dass ich weder einen Pullover noch eine Windjacke dabei habe.
Ich hasse die Hitze, die sich im Sommer im Mittelland staut. Das ständige Schwitzen und mehrmalige Abkühlen, das nur zu noch mehr Schwitzen führt, treibt mich in den Wahnsinn. Bis zu 30 Grad heiss wird es im Homeoffice an solchen Tagen, im Büro ebenfalls. Um den transpirativen Teufelskreis zu durchbrechen, scheint mir der Rückzug in die Höhe das einzige wirkungsvolle Mittel. Wie Ikarus der Sonne entgegen, wo es kalt wird, je höher ich steige. 2160 Meter reichen mir aus. Ikarus ist später ja irgendwie geschmolzen.
Es ist der erste Tag in meinem sommerlichen Sehnsuchtsort. 30 Leute wohnen ganzjährig in Juf. Sie leben von der Landwirtschaft und dem Tourismus. Bäume hat es keine, weshalb die Bauern früher mit Schafkot angefeuert haben, wie dem Touristenführer für das Averstal zu entnehmen ist. «Zürich riecht heute Morgen nach Scheisse», schreibt mir meine Frau. Ich vermute, das sind die Nachwirkungen des Zürifäscht. Ich atme dünne Bergluft ein. Bereite mich auf das erste Meeting des Tages vor. Mein Arbeitsplatz ist eine ergonomisch abenteuerliche Kombination aus Kommode und gepolstertem Stuhl. Der Laptop steht auf einer gehäkelten Unterlage, draussen höre ich Kuhglocken.
Ins erste Meeting komme ich verspätet, allerdings nicht weil die Internetleitung schlecht wäre. Ich habe schlicht die Zeit vergessen. Es gibt Wireless, das laut Speedtest immerhin 15 Mbit/s hergibt. Die Leitungen nach Hamburg und Zürich scheinen zu funktionieren, ich höre alle deutlich. Leider höre ich auch die Etagendusche auf dem Gang, weil meine Zimmertür am Boden einen zentimeterbreiten Spalt aufweist. Trotz unglücklicher Geräuschkulisse und improvisiertem Arbeitsplatz kann ich mich fokussieren. Keine Perle Schweiss läuft unangenehm die Achseln hinunter, das Shirt klebt nicht am Rücken. Nach dem Meeting beginne ich zu schreiben…
Den Mittag verbringe ich in der Gartenwirtschaft der Pension Edelweiss, in der ich mich eingemietet habe. Die Sonne wärmt das Averstal auf über 20 Grad. Ob andere Menschen die gleiche Idee wie ich hatten? Neben mir sitzt eine Gruppe Lernende mit ihrem Lehrmeister. Sie büffeln für eine Prüfung. Wahrscheinlich Zimmerleute, es wird über Holzarten gesprochen und die Zusammensetzung von Beton. Wasser, Kies, Zement. Alle bestellen den «Wochenhit» von der Speisekarte: Bratwurst mit Pommes. Dem Akzent nach zu urteilen dürften die vermeintlich «Hölzigen» aus der Region sein. Ich entscheide mich für den «Wurst-Käsesalat garniert», das Tagesangebot. Kaum habe ich meine Entscheidung getroffen, setzt sich eine Gruppe Männer zu mir an den Tisch.
Einer will mich als Journalisten der Südostschweiz erkannt haben, da Laptop und Kamera neben mir liegen. «Nein, von Galaxus», erkläre ich höflich. Verdutzte Gesichter. Ob sie von hier stammen, will ich in Erfahrung bringen. «Nein aus dem Appenzell». Nach ein paar Minuten dann die Nachfrage: «Galaxus, der Internetladen? Da habe ich auch schon bestellt. Arbeitest du dort im Lager?» Ich verneine und erkläre, dass wir sowas wie ein Migros Magazin machen, einfach im Internet. Die Gruppe nickt etwas ratlos und widmet sich dann dem Essen – auch hier gibt es den «Wochenhit»: Bratwurst mit Pommes Frites.
Die Sonne scheint mir auf den Bildschirm und auf meine Arme. Zeit für eine Schreibpause. Ich entscheide mich für eine Erkundungstour durchs Dorf. Recherche. Nach drei Minuten bin ich beim Ortsausgang und knipse ein Foto des Ortsschildes. Hinter mir hält ein Töfffahrer an. Ob ich noch mehr Fotos machen wolle? «Nein». Töfffahrer: «Ich will eben auch eines machen». Ob ich eins für ihn machen solle? «Nein». Wir verabschieden uns höflich.
Ich laufe zurück ins Dorf und besuche den Dorfladen. Zwischen allerlei Mitbringseln mit Schweizerkreuz hängt ein Schild. «JEDER DIEBSTAHL WIRD ANGEZEIGT!» steht darauf und ein Unkostenbeitrag von 350 Franken wird angedroht, sollte man dennoch etwas entwenden. Wie sich dieser Betrag genau errechnet, bleibt mir schleierhaft.
Ich stürze mich selbst in Unkosten: Für 14.50 Franken kaufe ich mir eine Sonnencreme Schutzfaktor 50+. Hätte ich bei uns im Shop günstiger bekommen, habe ich aber in Zürich vergessen. «Wir akzeptieren leider nur bar», antwortet die ältere Verkäuferin auf meine Frage nach Kartenzahlung. «Der nächste Automat ist in Andeer», fügt sie hinzu. Das ist eine halbe Stunde Fahrt mit einem Postauto, das nur alle zwei Stunden in Juf Halt macht. Dann kaufe ich halt keine Sonnencreme und bleibe im Schatten. Ich will die Tube zurückstellen, da fügt die Verkäuferin an, dass TWINT auch geht und zieht einen Zettel mit einer Handynummer hervor.
Eingecremt setze ich mich wieder ins Gartenrestaurant. Jetzt stellen Ausflügler die Hauptkundschaft. Rivella, Bier und Suure Moscht. Dazu Nussgipfel, eingepackt in raschelndes Cellophan. Die Aschenbecher bewerben Coca Cola Light. Cola Light auf Aschenbechern zu bewerben ist fast so bizarr, wie das Logo von Cola Light auf Crocs der Grösse 48 zu drucken.
Überhaupt gibt es Cola Light nur noch, weil es Menschen gibt, die noch nie Cola Zero getrunken haben.
Punkt 18:30 Uhr wird das Abendessen serviert. Eine Gruppe sitzt an einem der Tische und trinkt Wein, wobei ein Mann die ganze Gruppe unterhält. Unbeholfen wird zwischen Deutsch, Englisch und Französisch gewechselt, da nicht alle allen Sprachen mächtig sind. Jemand behauptet, Instagram sei vor Facebook erfunden worden. Der Tisch nimmt das zur Kenntnis und niemand überprüft die Fakten. «So entstehen also Fake News», denke ich mir, esse meinen Coupe «Hot Berry» (im Menu der Halbpension inbegriffen) fertig und gehe aufs Zimmer.
Aus dem Nebenzimmer kommt eine Frau mit einem Velo. In Zürich würde ich dies als Schutz vor Dieben absolut verstehen. Wer aber soll ein Velo in Juf klauen? Wer hat so viel Angst, es aufs Zimmer mitzunehmen? Die Szene scheint mir so absurd, dass sie aus einem Filmskript für eine Schweizer Komödie stammen könnte:
«Gelegenheit macht Diebe» – eine Filmkomödie
In Juf im Averstal nimmt eine Touristin ihr Velo jeden Tag aufs Hotelzimmer, damit es nicht entwendet wird. Als sie einmal im Jufer Lädeli etwas einkaufen will, schliesst sie das Velo vor dem Laden ab. Die alte Frau im Laden verwickelt sie in ein Gespräch darüber, wie hoch der Unkostenbeitrag denn sein solle, den sie potentiellen Dieben verrechnet. Die Touristin ist der festen Meinung, dass 350 Franken zu wenig sind, gerade bei der heutigen Inflation. Als sie aus dem Laden kommt, merkt sie, dass das Velo weg ist. Der griesgrämige Kommissar Menn, der ursprünglich auch aus Juf stammt, aber jetzt auf dem Polizeiposten in Andeer die Monate bis zu seiner Pensionierung absitzen wollte, ermittelt in der Sache und deckt ein dunkles Geheimnis auf!
Der zweite Teil meiner Reportage aus Juf kommt – sofern ich noch etwas erlebe – in den nächsten Tagen.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.