Knappe Zeit, Fachbegriffe und Nervosität: Warum du besser vorbereitet zum Arzt gehen solltest
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Knappe Zeit, Fachbegriffe und Nervosität: Warum du besser vorbereitet zum Arzt gehen solltest

Du sitzt im Wartezimmer in der Praxis und plötzlich setzt dein Hirn aus – vor lauter Aufregung weißt du nicht mehr, was du alles fragen wolltest. Kommt dir bekannt vor? Dann ist dieser Artikel für dich. Und eine App könnte dir auch helfen.

Erst wartest du wochenlang auf einen Termin, dann vergehen die Minuten wie im Flug und du hast noch nicht einmal alle deine Fragen gestellt. Ein Termin bei Arzt oder Ärztin kann mit vielen Unsicherheiten verbunden sein: Zeitdruck in der Praxis und Nervosität rundum die eigene Symptomatik führen oft dazu, dass du nach dem lang ersehnten Termin nicht schlauer und auch nicht auf dem Weg der Besserung bist.

Eine gute Vorbereitung kann helfen, strukturiert in den Termin zu gehen und die Arztpraxis mit allen notwendigen Informationen wieder zu verlassen. Dr. Stefan Portmann von der Unimedica Praxis Ruswil sowie Mitglied der Vereinigung Luzerner Hausärzte verrät, worauf es im Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt ankommt. Damit du weißt, wie eine gute Vorbereitung aussehen kann – und wie hilfreich digitale Gesundheitsanwendungen für dich wirklich sind.

Vorbereitet zum Arzttermin: Warum ist das wichtig?

Schweizer Hausarztpraxen stehen seit der Pandemie unter großem Druck. Anfragen haben sich 2022 im Vergleich zu Prä-Covid-Zeiten vervierfacht. Das zeigt ein Bericht in der Schweizerischen Ärztezeitung. Anamnese, Diagnose und Therapiegespräche müssen trotzdem sauber durchgeführt werden.

Nicht nur auf Seiten des Praxispersonals, auch bei Patient und Patientin ist die Anspannung vor dem Termin gestiegen: Das sterile Setting, die Interviewsituation mit dem behandelnden Personal, Fachbegriffe und vor allem die knappe Zeit können verunsichern. «Der Besuch beim Arzt kommt einer Belastungsprobe oder einem Stresstest gleich», bestätigt Dr. Portmann. «Das Gedächtnis ist in diesem Moment oft nicht imstande, Informationen oder Fragen abzurufen, die man eigentlich gehabt hätte.»

Eine gute Vorbereitung hilft dir daher, den Arzt oder die Ärztin bei der gründlichen Anamnese und in der weiteren Behandlung zu unterstützen und eigene Unsicherheiten zu mildern.

Arztvorbereitung: Wann ist sie besonders wichtig?

Welche Informationen für deine individuelle Behandlung wichtig sind, kannst du bei deinem Ärzteteam vorab erfragen. Generell rät Portmann dazu, Wichtiges zu notieren: Welche Medikamente nimmst du ein? Gibt es Vorerkrankungen in der Familie? Gibt es Allergien und Unverträglichkeiten? Welche Fragen sind dir im Gespräch besonders wichtig? Und: Welche Beschwerden hast du?

Eine gute Vorbereitung schadet grundsätzlich nie. Dennoch gibt es Situationen, in denen sie besonders wichtig ist. Da geht es dann auch um mehr als die eigenen Fragen präsent zu haben, familiäre Vorerkrankungen zu kennen oder die Symptome präzise beschreiben zu können. Zum Beispiel bei akuten Terminen, wenn gezielte Folgeuntersuchungen geplant sind. Dr. Portmann sagt:

«Gewisse Ultraschalluntersuchungen sollten nüchtern stattfinden und je nach geplanter Blut-, Urin- oder Stuhluntersuchung sollte der Patient auf gewisse Alltagsaktivitäten oder auf die Einnahme von gewissen Lebensmitteln verzichten und auch gewisse Medikamente nicht einnehmen.»

Auch chronisch Kranken oder Menschen mit Mehrfacherkrankungen hilft es, sich gut vorzubereiten.

Für die saubere Diagnose: Symptome richtig benennen

«In erster Linie hoffen wir auf eine möglichst gute Symptombeschreibung», sagt der Experte. Zur genauen Erfassung fragt er seine Patienten und Patientinnen nach den «sieben Dimensionen von Symptomen». Dazu zählen Fragen wie: Hast du Schmerzen? Sind die pochend, stechend oder eher brennend? Ist der Schmerz durchgehend oder tritt er immer zu gewissen Zeiten auf? Was lindert oder verstärkt den Schmerz? «Am liebsten haben wir eine Symptomschilderung ohne lange Erklärungsversuche oder Interpretation der Patienten selbst.»

Schreibe deine Symptome daher möglichst beschreibend auf und bringe deine Notizen auf einem Zettel mit zum Gespräch. Zusätzlich hilft es deinem Arzt oder deiner Ärztin, wenn du vorab eine «Priorisierung der Symptome» vornimmst. Heißt: Welche deiner Beschwerden sind gerade besonders akut?

Das ist bei Patienten und Patientinnen mit mehreren Symptomen wichtig: «Wir können im Arztgespräch nicht immer alle Symptome besprechen», sagt der Hausarzt. «Wenn vorab eine Priorisierung stattgefunden hat, fällt es uns leichter, ein oder zwei Probleme im Gespräch effektiv abzuklären und zu behandeln.»

Dr. Google: Wie nützlich ist die Selbstdiagnose im Internet?

Mit deiner Medikamentenkarte, den Notizen für das Arztgespräch mit wichtigen Fragen, Symptomschilderungen und Anmerkungen zur Krankengeschichte bist du schon gut vorbereitet. Für viele ist es dennoch verlockend, Symptome vorab selbst im Internet zu recherchieren. Dr. Portmann kennt die Zusammenarbeit mit Dr. Google bereits gut: «Ich frage standardmäßig nach, ob sich Patienten bereits im Internet informiert haben. So kann ich einschätzen, welcher Informationsbedarf besteht, welche Erklärungen der Patient bereits gefunden hat und wie stark er einzelne Informationen gewichtet.»

Ob die Selbstdiagnose vorab sinnvoll ist, sei eine Frage der Persönlichkeit. Menschen, die sich schnell sorgen und sehr ängstlich sind, sollten besser die Finger von der Symptomrecherche lassen, denn: «Die Information führt oft nur zu noch mehr Sorgen und Angst.»

Anders ist das bei Menschen mit einer grundsätzlich positiven Haltung, die Informationen im Internet entsprechend einordnen können: «Ich habe schon erlebt, dass Informationen vom Patienten aus dem Internet nützlich waren, um schneller zur Diagnose zu kommen.»

Generell gilt: Informiere dich nur über seriöse Quellen und offizielle Gesundheitsseiten, zum Beispiel über das Bundesamt für Gesundheit oder den Webauftritt deiner Krankenkasse.

Digitale Gesundheitsanwendungen: So nützlich sind Apps für dich

Auch digitale Gesundheitsanwendungen erobern den Schweizer Markt. Sie sollen das Gesundheitssystem einfacher machen und die Vorsorge für Patientinnen und Patienten erleichtern. Eine dieser Anwendungen ist die App Well: Sie soll Patienten und Patientinnen, Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen digital miteinander verbinden.

Dazu führt die App eine Reihe an innovativen Features: Du kannst bei teilnehmenden Praxen Termine über die App vereinbaren, den 24-Stunden-Chat mit einem Arzt oder einer Ärztin nutzen, dich in einer telemedizinischen Sitzung mit Beratern der medizinischen Soforthilfe Medi24 besprechen, E-Rezepte am Handy empfangen oder Symptome vorab in der App seriös abklären. Fünfstellige Nutzerzahlen und über 4000 eingebundene Ärztinnen und Ärzte zählt die App laut Angaben der Betreiber und ist für Menschen, die in der Schweiz wohnhaft sind verfügbar.

Kostenpflichtig ist das Angebot nur für teilnehmende Krankenkassen, für Patientinnen und Patienten ist die Nutzung der App dagegen gratis. Auch Dr. Portmann ist mit der App vertraut: «Die App ist durchaus eine Hilfe für Patienten und vereinfacht das Gesundheitswesen» sagt der Mediziner. Die App sei eine sinnvolle Anwendung für Nutzer und Nutzerinnen, wenn kein ärztliches Personal verfügbar ist: «Fragen, die bei der Nutzung auftreten, können dann mit dem Arzt besprochen werden.» Der Experte warnt aber: «Alles, was außerhalb der Kompetenz der App liegt, ist mit Vorsicht zu genießen.» Den regelmäßigen Kontrolltermin in der Arztpraxis oder das medizinische Gespräch beim Hausarzt oder der Hausärztin im Krankheitsfall könne die App nicht ersetzen.

Titelfoto: shutterstock

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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