Klick, Klack, Enter: Ich baue meine erste Tastatur zusammen
Hintergrund

Klick, Klack, Enter: Ich baue meine erste Tastatur zusammen

Ich wünsche mir beim Tippen meiner Texte schon länger etwas mehr Akustik und das Gefühl, die Tasten richtig runterzudrücken zu können. Als mein Mac-Keyboard dann auch noch anfängt zu quietschen, habe ich keine Lust mehr. Ich tausche sie gegen eine mechanische Tastatur – selbstgemacht.

Täglich sitze ich am Computer und vermisse etwas in der digitalen Welt: mehr Haptik und Dreidimensionalität. Alles passiert auf dem Display. Sogar die Geräte selbst werden immer flacher. Wie auch Tastaturen. Für mich verlieren die Geräte damit an Persönlichkeit – alles wirkt eintönig. Als meine erst jährige iMac-Tastatur beginnt zu quietschen und zu klemmen, ist der Fall klar: Ich will reibungslos in die Tasten hauen können und von einem angenehmen Tippgeräusch begleitet werden. Eine mechanische Tastatur muss her.

Die Mac-Tastatur macht mich unglücklich: Sie quietscht.
Die Mac-Tastatur macht mich unglücklich: Sie quietscht.
Quelle: Michelle Brändle

Ich stehe auf individuell und bunt. Nach dem ganzen Gequietsche will ich ein angenehmes Klick-Klack. Nicht zu laut. Zudem will ich nicht zu viel Kraft zum Tippen aufwenden. Kann ich das überhaupt beeinflussen?

Ganz schön viele Ansprüche ohne Know-how. Ich weiss aber, an wen ich mich wenden kann: Keycap Kevin, unser interner Tastatur-Missionar, kann mir weiterhelfen.

Mein Vorhaben ist Musik in Kevins Ohren. Endlich eine neue Jüngerin. Er bringe mir zum Testen eine taktile und eine lineare Tastatur mit, meint er. Irgendwas hänge jeweils von den Switches ab, ich müsse aber schauen wegen der Layouts, weil es weniger Keycaps für ISO gibt und … Ich verstehe erstmal gar nichts.

Was und wie ich es gerne hätte

Also lese ich mich ein und mache mich schlau, was ich alles für mein Custom-Keyboard benötige. Für meine Einkaufsliste spicke ich in Kevins Artikel. Ich brauche ein Gehäuse, ein PCB, eine Deckplatte, Switches, Keycaps und ein Kabel. Wofür ich alle Teile benötige, habe ich für meine weitere Arbeit zusammengefasst.

Meine Liste:

  • Gehäuse – der Rahmen meiner Tastatur
  • PCB – Leiterplatte für die Elektronik, jede Taste kann einzeln programmiert werden
  • Deckplatte – Schutzplatte, damit meine Guetzli-Krümel nicht in der Elektronik landen
  • Switches – Tastenauslöser und Verbindung zwischen Keycaps und PCB
  • Keycaps – Deckel für die Switches, hier stehen die Zeichen und Ziffern drauf
  • Kabel – überträgt die Daten an das Gerät

Gehäuse

Als ich Kevins Tastaturen in die Hand bekomme, fällt mir als Erstes das Gewicht auf. Das Gehäuse kann neben Kunststoff auch aus Aluminium bestehen. Oder aus Holz. Ich selbst möchte etwas, das handlich und leicht ist. So kann ich die Tastatur mit ins Büro nehmen.

PCB

Bei Kevins Tastaturen fällt mir auf, dass Ä, Ö und Ü fehlen und Z sowie Y vertauscht sind. Er erklärt mir, dass das am amerikanischen ANSI-Layout liegt. Die europäische ISO-Variante hat eine andere Zusammenstellung. Mit einem sattelfesten Zehnfingersystem ist das kein Problem – findet Kevin. Mich stört’s. Deshalb brauche ich ein PCB mit ISO-Layout. Und natürlich RGB-Beleuchtung. Tiefgreifendere Infos zum Layout findest du hier.

ISO-Layout (oben) und ANSI-Layout (unten) im Vergleich.
ISO-Layout (oben) und ANSI-Layout (unten) im Vergleich.
Quelle: Michelle Brändle

Kevin empfiehlt mir ein paar Anbieter für Tastaturteile. Bei Keygem hole ich mir ein passendes Case-Kit. Da sind die Basics drin: Gehäuse, bereits gelötetes PCB, eine Deckplatte, die Stabilisatoren, ein USB-C-Kabel und ein Schaumstoff-Schutz. Schwarz-Transparent gefällt mir für meine beleuchtete Variante, und Kunststoff ist leicht für unterwegs. Check. Fehlen noch Switches und Keycaps.

Beim Case-Kit sind alle Basics drin.
Beim Case-Kit sind alle Basics drin.
Quelle: Michelle Brändle

Switches

Beim Tippen auf Kevins verschiedenen Tastaturen fallen mir die Unterschiede bei Klang und Widerstand auf. Das liegt an den Switches. Bei linearen Switches spüre ich zwar einen Tastenhub, bekomme aber kein Feedback, wann die Taste auslöst. Bei taktilen spüre ich den Auslösepunkt am sich verändernden Widerstand.
Ich finde beides sympathisch, entscheide mich aber für die linearen, die sich etwas flüssiger anfühlen. Innerhalb der linearen Kategorie gibt es Unterschiede in der Akustik. Epsilon Switches haben einen tieferen Klang als beispielsweise Tangerine. Ich nehme ersteres. Zuletzt empfiehlt Kevin mir noch ein Schmierfett, um die Stabilisatoren und Switches zu behandeln. Was Stabilisatoren sind, und können, finde ich noch raus.

Die linearen Switches entsprechen meinem gewünschten Tippgefühl.
Die linearen Switches entsprechen meinem gewünschten Tippgefühl.
Quelle: Michelle Brändle

Keycaps

Für die Keycaps habe ich am längsten gebraucht bei der Auswahl. Mit fröhlicher Naivität habe ich mich natürlich rein auf das Aussehen fokussiert. Möglichst bunt sollen sie sein. Ein Einhorn muss draufgekotzt haben. Das Übliche. Ich werde aber eines Besseren belehrt: Kunststoffart und Qualität geben auch hier wortwörtlich den Ton an. Und ich möchte wirklich nur eine einzige Tastatur zu Hause haben – dafür eine perfekte. Also muss alles stimmen.

Kevin und ich surfen durchs Web und finden zahlreiche Keycap-Sets, keines erfüllt meine Anforderungen. Neben der Qualität, dem Preis, und einem bunten, speziellen Aussehen muss es ja auch noch im ISO-Layout sein. Oder es müssen zumindest ergänzbare Sets existieren. Schwieriger als gedacht. Ich bin kurz davor, mir ein unifarbenes, weisses Set zu kaufen, um es einfach selbst zu bemalen. Doch dann lande ich auf Candykeys. Viele ihrer bunten Sets sind leider ausverkauft. Aber ich finde eines, das all meinen Wünschen entspricht. Sogar Kevin ist neidisch! Hoffen wir, die 160 Franken allein für die Keycaps zahlen sich aus.

Meine ausgesuchten Keycaps sind mit japanischen Sujets, bunt und aussergewöhnlich.
Meine ausgesuchten Keycaps sind mit japanischen Sujets, bunt und aussergewöhnlich.
Quelle: Michelle Brändle

Damit ist das Puzzle komplett. Nun geht es ans Zusammenbauen. Neben der hilfreichen Auskunft von Kevin habe ich dafür noch eine zweite, äusserst relevante Ressource: Youtube. Dort bekomme ich Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu allen Bauphasen meiner Tastatur.

Fett viel Arbeit: Das Keyboard-Tuning

Da das «Luben» (einschmieren) der Stabilisatoren so ziemlich der wichtigste Punkt zu sein scheint, widme ich mich dem als Erstes. Dabei halte ich mich an diese Video-Anleitung.

Dass mir allerdings das eine oder andere Werkzeug fehlt, merke ich bereits bei diesem Schritt. Für das Auftragen des Schmiermittels innerhalb der Stabilisatoren benötige ich eine Einwegspritze mit genug breiter Tülle. Drei Apothekerinnen und einen Baubedarfmitarbeiter habe ich mit meinem Wunsch nach so einer Spritze verwirrt. Aber ich bin in der letzten Apotheke fündig geworden.

Die Spritze war tatsächlich am schwierigsten aufzutreiben.
Die Spritze war tatsächlich am schwierigsten aufzutreiben.
Quelle: Michelle Brändle

Die Arbeit scheint mir enorm. Fast 70 Switches muss ich auseinanderziehen und mit einem kleinen Pinsel einfetten. Um den Unterschied von Akustik und Tippgefühl festzustellen, probiere ich es zuerst an einem Teil aus. Wie ich Switches mithilfe einer Pinzette aufbekomme, sehe ich mir in einem Youtube-Video an. Profis hätten dafür einen Switch-Opener.

Tatsächlich lohnt sich der Aufwand und ich überwinde mich, alle Switches zu bearbeiten. Dabei erkenne ich den meditativen Charakter dieses Arbeitsschrittes. Ich habe das Luben der Switches damit in meine Kaffee-Morgenroutine integriert. Im Nachhinein vermisse ich es fast ein bisschen …

Das Lubing hat etwas Beruhigendes und der Zeitaufwand lohnt sich
Das Lubing hat etwas Beruhigendes und der Zeitaufwand lohnt sich
Quelle: Michelle Brändle

Ich mache mich ans Zusammensetzen der Teile. Ein weiteres Video zeigt mir, welche Teile wohin kommen. Das ist wesentlich einfacher als herumzurätseln, wenn man es noch nie gemacht hat.

Kurz vor dem Aufstecken meiner Keycaps denke ich mir, dass dies der einfachste und spassigste Teil wird. Spassig? Yep. Einfach? Naja. Ich habe mir die Schwierigkeiten selbst aufgebrummt, weil ich möglichst nah ans Schweizer Tastaturlayout kommen möchte. Da stimmen leider nicht alle angebotenen Keycaps überein.

Es gibt aber ein paar lustige Abbildungen mit Getränken, Katzenköpfen und sogar einem Steak. Deshalb werde ich kreativ und setzte die alkoholischen Getränke beispielsweise als Ersatz für das Dollarzeichen und das Steak für mein nicht vorhandenes Ausrufezeichen ein. Weil jede Reihe der Keycaps meines Sets eine andere Höhe und Neigung hat, muss ich doppelt gut überlegen. Am Ende bin ich zufrieden.

Aus meiner grossen Keycap-Auswahl suche ich mir ein paar spezielle heraus, um das Schweizer Tastenlayout zu ergänzen.
Aus meiner grossen Keycap-Auswahl suche ich mir ein paar spezielle heraus, um das Schweizer Tastenlayout zu ergänzen.
Quelle: Michelle Brändle

Der glorreiche Tippmoment ist gekommen

Aufgeregt schliesse ich die Tastatur an meinen Mac an und hoffe das Beste. Und siehe da: Mein Custom-Keyboard beginnt fröhlich vor sich hin zu leuchten.

Den RGB-Modus kann ich erst ändern, als ich mithilfe des Programms VIA eine Taste zur Fn-Taste umfunktioniert. Mit der Tastenkombination Fn-W kann ich dann die gewünschte Beleuchtung einstellen. Das ist der letzte Schritt, den ich für meine selber zusammengebaute Tastatur erledigen muss.

Tipp-tipp, hurra!

Kurz gefasst: Die Arbeit hat sich gelohnt. Die Akustik meiner neuen Tastatur gefällt mir unheimlich gut. Die bunten Tasten und die Beleuchtung untermalen mein Arbeiten und ich habe richtig Freude daran, diesen Text damit fertigzustellen. Zudem ist es ein absolutes Glücksgefühl, etwas selbst zusammengebaut zu haben.

Die bunte Tastatur ist mein neues Schmuckstück auf dem Schreibtisch.
Die bunte Tastatur ist mein neues Schmuckstück auf dem Schreibtisch.
Quelle: Michelle Brändle

Der beste Punkt ist die Tatsache, wieder etwas Neues gelernt zu haben. Mich hat es auf jeden Fall bereichert, auch wenn ich wahrscheinlich etwas «Space» vor der nächsten Custom-Tastatur brauche.

Titelfoto: Michelle Brändle

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Seit ich einen Stift halten kann, kritzel ich die Welt bunt. Dank iPad kommt auch die digitale Kunst nicht zu kurz. Daher teste ich am liebsten Tablets – für die Grafik und normale. Will ich meine Kreativität mit leichtem Gepäck ausleben, schnappe ich mir die neuesten Smartphones und knippse drauf los. 


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