Hintergrund

Kennst du noch? «Final Fantasy Tactics»

Kevin Hofer
13-10-2023

Das beste Storytelling eines «Final Fantasy» findest du in «Final Fantasy Tactics». Das Gameplay ist hingegen durchwachsen.

Auf den ersten Blick dreht sich in «Final Fantasy Tactics» alles um politische Intrigen, ergänzt durch übernatürliche Machenschaften der Kirche. Unter diesem Story-Deckmantel steckt jedoch die Geschichte zweier Freunde, die sich durch unterschiedliche Weltanschauungen entfremden. Im Kern geht es darum, ob der Zweck die Mittel heiligt und was das mit einer Person macht.

Kurze Entstehungsgeschichte

1993 hat sich «Final Fantasy» bereits zu einer bekannten Marke entwickelt. Der Schöpfer der Serie, Hironobu Sakaguchi, ist Fan von taktischen RPGs. Er macht sich zu dieser Zeit Gedanken, die Serie um ein solches zu erweitern. Da Squaresoft, heute Square Enix, zu dieser Zeit jedoch mit diversen anderen Projekten ausgelastet ist, bleibt dieses zunächst unrealisiert.

1995 engagiert Squaresoft Yasumi Matsuno. Der damals 30-Jährige ist bereits bei «Ogre Battle: The March of the Black Queen» Chefentwickler. Er hat also Erfahrung mit taktischen RPGs. Auf sein Bestreben hin vertraut ihm Sakaguchi «Final Fantasy Tactics» an. Matsuno zur Seite steht Hiroyuki Ito, Co-Chefentwickler von «Final Fantasy VI». Er kümmert sich um das Kampfsystem.

«Final Fantasy Tactics» ist durch und durch ein taktisches Rollenspiel.
«Final Fantasy Tactics» ist durch und durch ein taktisches Rollenspiel.
Quelle: Screenshot Youtube / SteelSeven Playthroughs

Sakaguchi lässt den beiden viel Freiraum bei der Entwicklung. Von seinem ursprünglichen Plan ist im fertigen Spiel nicht mehr viel übrig. Das gilt für das Kampfsystem sowie die Geschichte. Sie ist nicht das, was in dieser Zeit von einem «Final Fantasy» erwartet wird. Die Story ist deutlich düsterer und erwachsener als in den damaligen Hauptspielen.

Das Spiel erscheint 1997 für die originale Playstation. Zehn Jahre später kommt eine überarbeitete Version mit dem Titel «Final Fantasy Tactics: The War of the Lions» für die Playstation Portable. Diese Version ist mittlerweile auch für iOS und Android verfügbar. Die englischen Texte wurden komplett überarbeitet. Die Sprache orientiert sich mehr an einem mittelalterlichen Englisch als dem modernen in der originalen Playstation-Version. Das macht das Spiel authentischer, teils aber auch komplizierter. Ist Englisch nicht deine Muttersprache, kann es schwierig sein, den Dialogen zu folgen.

Komplexe Hintergrundgeschichte

«Final Fantasy Tactics» spielt in der fiktiven Welt von Ivalice. «Vagrant Story» und «Final Fantasy XII», zwei spätere Spiele von Matsuno, handeln in derselben Welt. Das mittelalterlich angehauchte Ivalice befindet sich in ständigem Konflikt mit den Nachbarländern Ordalia und Romanda. Dies, obwohl sie durch Verheiratungen der königlichen Familien miteinander verbunden sein sollten. Der grösste dieser Konflikte war der 50-jährige Krieg. Ivalice und Ordalia schliessen nach der blutigen Schlacht von Zeltennia vermeintlich einen Friedensvertrag. Jedenfalls gilt das gegen Aussen. Es gibt Stimmen, die vermuten, dass Ivalice aufgegeben hat.

Ivalice liegt nach dem langen Krieg in Trümmern. Die Bevölkerung ist unzufrieden mit den Adeligen und der königlichen Familie. Bauern proben den Aufstand und fordern Veränderung.

Die nicht Adeligen von Ivalice hegen einen Groll gegen die Adeligen.
Die nicht Adeligen von Ivalice hegen einen Groll gegen die Adeligen.
Quelle: Screenshot Youtube/SteelSeven Playthroughs

Auch die Wirtschaft hat gelitten. Das mit Liquiditätsproblemen kämpfende Ivalice muss Reparationen an Ordalia zahlen. Deshalb vermag es nicht, die Ritter zu bezahlen, die im Krieg für das Land gekämpft haben. Viele werden aus der Armee entlassen, ohne Geld und Essen. Arbeit ist rar und die Loyalität zu den herrschenden Eliten schwindet. Die Bauern und die desillusionierten Ritter raufen sich zusammen, um gegen die Eliten vorzugehen. Intern brodelt es zwischen den Fraktionen. Aber nicht nur dort.

Zu allem Überfluss stirbt auch noch König Ondaria. Zwei Personen kommen für die Thronfolge in Frage: Seine Tochter Ovelia oder sein jüngster Sohn. Die diversen mächtigen Adelshäuser haben unterschiedliche Interessen, wer der nächste Regent oder die nächste Regentin werden soll. Selbstverständlich geht es ihnen nur darum, sie zu instrumentalisieren und zu den eigentlichen Herrschenden aufzusteigen. Herzog Goltanna will Ovelia einsetzen, Herzog Larg hingegen den jüngsten Sohn.

Es brodelt also mächtig in Ivalice. Hier startet die eigentliche Geschichte von «Final Fantasy Tactics». Du spielst Ramza Beoulve, den jüngsten Sohn einer einflussreichen, adeligen Familie. Das Spiel ist in vier Akte aufgeteilt, wobei der erste eine Rückblende ist.

Hier lernst du die besten Freunde Ramza und Delita Heiral kennen. Delita ist ein nichtadeliger Waise, der von Ramzas Vater aufgenommen wurde. Trotz bürgerlicher Herkunft wurde er als Adeliger erzogen. Sie sind also nicht nur Freunde, sondern quasi Brüder. In einer Akademie werden sie zu Rittern ausgebildet.

Ramza (links) und Delita (rechts) sind zu Beginn der Geschichte enge Freunde.
Ramza (links) und Delita (rechts) sind zu Beginn der Geschichte enge Freunde.
Quelle: Screenshot Youtube/SteelSeven Playthroughs

In diesem ersten Akt wird klar, dass es zwischen Adeligen und Bürgerlichen scheinbar unüberbrückbare Differenzen gibt. Bei einem ihrer ersten Einsätze überschlagen sich die Ereignisse und ihre Wege trennen sich. Als sie sich ein Jahr später wiedersehen, haben sich beide verändert. Sie verfolgen zwar ähnliche Ziele, tun dies aber mit unterschiedlichen Mitteln.

«Final Fantasy Tactics» macht einiges anders als frühere Teile

Mehr zur Story will ich nicht verraten. Es ist die Art, wie die Geschichte erzählt wird, die «Final Fantasy Tactics» hervorragend macht. Sie ist sehr gut strukturiert und zieht mich von A bis Z in ihren Bann.

«Final Fantasy Tactics» nimmt die Show-don't-tell-Technik ernst. Es gibt im ganzen Spiel nur eine einzige Passage, in der dir geradeheraus gesagt wird, was hier wieso abläuft. Im restlichen Spiel erfährst du das aus den Handlungen der Charaktere. Du musst dabei bleiben, um die Geschichte zu verstehen.

Dabei geht es im Kern der Story darum, dass Ramza sich selbst finden will. Ständig muss er neu evaluieren, was richtig und was falsch ist. Dadurch kann ich mich mit ihm identifizieren. Delita hingegen weiss genau, was er will, und ihm ist jedes Mittel recht, das zu erreichen. Im Gegensatz zu Rollenspielen dieser Zeit erzählt «Final Fantasy Tactics» keine Liebesgeschichte. Die Beziehung der beiden Freunde steht im Zentrum.

Die Antagonisten sind nicht einfach böse und ersetzbar. Sie haben Charakter und sind menschlich. So sind ihre Taten gleichzeitig abscheulich, aber glaubwürdig. Einer der Chefs der Rebellen ermordet etwa einen Untergeben, um seine eigene Identität zu wahren. Gleichzeitig kämpft er mit seinem schlechten Gewissen deswegen.

Auch die Bösewichte haben ihre Motive und die sind nicht willkürlich.
Auch die Bösewichte haben ihre Motive und die sind nicht willkürlich.
Quelle: Screenshot Youtube/SteelSeven Playthroughs

Ausser Delita und Ramza erfahren die anderen Charaktere der Gruppe keine grossen Entwicklungen während der Geschichte. Für mich ist das kein negativer Punkt, sondern ein durchwegs positiver. So hat es mehr Raum für die beiden Hauptcharaktere. Und dass die Bösewichte Tiefgang haben, lässt mich die fehlende Entwicklung von Nebencharakteren vergessen.

Im Gegensatz zu früheren – und auch späteren – «Final Fantasy»-Spielen fehlen humoristische Passagen. In Tactics findest du keine süssen Chocobos, die zu witziger Musik tanzen oder humoristisch peinliche Momente zwischen den Charakteren. Das Spiel ist durch und durch ernst.

Eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten

Im Gegensatz zu «Final Fantasy»-Spielen jener Zeit sind weder die Weltkarte noch die Städte und andere Orte frei zugänglich. Du bewegst dich auf der Weltkarte via Punkte. Deren Farbe sagt dir, was dich erwartet. Quest-Punkte sind orange, Städte blau und mögliche Gegnerbegegnungen grün.

Auf der Map bewegst du dich von Punkt zu Punkt. Dabei vergeht jeweils ein Tag.
Auf der Map bewegst du dich von Punkt zu Punkt. Dabei vergeht jeweils ein Tag.
Quelle: Screenshot Youtube/SteelSeven Playthroughs

In Städten kannst du über ein Textfeld auswählen, ob du einkaufen, in die Taverne gehen oder die Kriegergilde besuchen willst. In der Taverne hörst du dir die aktuellen Gerüchte und Geschichten an und kannst Aufträge annehmen. Die erledigst du aber nicht selbst, sondern schickst Party-Mitglieder. Die stehen dir dann einige Tage nicht zur Verfügung. Tage vergehen, indem du von einem Punkt auf der Weltkarte zum nächsten wanderst. In der Kriegergilde rekrutierst du neue Party-Mitglieder.

Viele Möglichkeiten, die du schamlos ausnutzen kannst

Hiroyuki Ito gilt als Erfinder des Active-Time-Battle-Systems. Da ist es naheliegend, dass Kämpfe in «Final Fantasy Tactics» nicht wie üblich für taktische Rollenspiele in Phasen ablaufen. Bei diesen gibst du all deinen Einheiten Befehle, bevor du deine Phase beendest und alle gegnerischen Einheiten dran sind. In «Tactics» bestimmt der Speed-Status eines individuellen Charakters, wann er oder sie am Zug ist. Das verleiht dem System mehr Tiefe.

Pro Kampf stehen dir maximal fünf Einheiten zur Verfügung, inklusive Gast-Einheiten. Je nach Version des Spiels kannst du aber aus einem Pool von bis zu 16 oder 24 Charakteren auswählen. Im Kampf bewegst du die Spielfiguren über Felder. Ihr Bewegungsradius ist abhängig vom Level und dem Job. Danach kannst du die Gegner angreifen, verteidigen oder Gegenstände verwenden. Genre-typisch steht dir nebst diversen physischen Angriffen auch Magie zur Verfügung. Auch die bekannten Beschwörungen sind mit dabei.

Bis zu fünf Einheiten stehen dir pro Kampf zur Verfügung.
Bis zu fünf Einheiten stehen dir pro Kampf zur Verfügung.
Quelle: Screenshot Youtube/SteelSeven Playthroughs

Es gibt 20 Jobs, 22 in «Final Fantasy Tactics: The War of the Lions», die du den Charakteren frei zuteilen kannst. Zudem gibt es noch neun – elf in «Final Fantasy Tactics: The War of the Lions» – einzigartige Charaktere, die spezielle Eigenschaften haben. Das Job-System ist vielseitig und erlaubt gar die Kombination der Skills verschiedener Jobs.

Nebst dem Charakter-Level gibt es noch das Job-Level. Neue Jobs schaltest du frei, indem du in bereits verfügbaren ein gewisses Level erreichst. Dadurch kannst du sehr früh im Spiel Klassen freischalten, die du eigentlich erst später haben solltest. Gewisse Jobs – wie der Calculator oder Mediator – sind derart overpowered, dass das Spiel zum Kinderspiel wird. Das ist schade. Zumal dich «Final Fantasy Tactics» richtiggehend dazu zwingt.

Du kannst zwischen zig Jobs auswählen und diese immer wieder wechseln.
Du kannst zwischen zig Jobs auswählen und diese immer wieder wechseln.
Quelle: Screenshot Youtube/SteelSeven Playthroughs

«Tactics» ist nämlich eines der Spiele, das am Anfang am schwierigsten ist und später ein Klacks. Die ersten Kämpfe sind etwas vom Schwierigsten, das ich in einem taktischen RPG erlebt habe. Aber auch wenn du das Job-System nicht ausnutzt, pflügst du später im Spiel mit «Thunder God Cid» durch die Gegnerhorden.

Hinzu kommt ein System mit Tierkreiszeichen. Je nachdem, unter welchem Zeichen ein Charakter geboren wurde, passt er gut oder schlecht mit anderen zusammen. Das ist leider schlecht erklärt und ich habe es bei meinem ersten Durchspielen nicht verstanden. So biss ich mir an gewissen Gegnern die Zähne aus und Buffs für meine Mitstreitenden versagten oft. Das Feature ist für mich absolut überflüssig und nervig.

Ebenfalls nervig ist, dass sich die Level von Gegnern bei zufälligen Begegnungen jenem von Ramza anpassen. «Final Fantasy VIII» verwendet dasselbe Level-Skalierungs-System. Ich kann das nicht ausstehen.

Das Nervigste an «Final Fantasy Tactics» ist jedoch das Leveldesign an gewissen Stellen. Es gibt Passagen im Spiel, an denen du mehrere Kämpfe nacheinander führst. Du kannst dort weder zurück, um Ausrüstung oder Gegenstände zu kaufen, noch Hochleveln. Je nachdem ist es so unmöglich, einen Kampf zu gewinnen. Es empfiehlt sich deshalb immer auf der Weltkarte einen Sicherheitsspielstand zu machen. Du kannst nämlich auch zwischen diesen Kämpfen speichern. Überschreibst du dabei den Spielstand von vorher, sitzt du fest.

Auch heute noch optisch ansprechend

Viele Titel der originalen Playstation sind schlecht gealtert. Nicht so «Final Fantasy Tactics». Mir gefällt die Optik des Spiels auch über 25 Jahre später noch. Vor allem die Sprite-Animationen sind wunderschön. Die «Final Fantasy Tactics: The War of the Lions»-Version kommt zudem mit animierten Zwischensequenzen.

Im Re-Release «Final Fantasy Tactics: The War of the Lions» gibt es sogar Zwischensequenzen.
Im Re-Release «Final Fantasy Tactics: The War of the Lions» gibt es sogar Zwischensequenzen.
Quelle: Screenshot Youtube/SteelSeven Playthroughs

Auch der Soundtrack ist genial. Für einmal stammt der nicht von Nobuo Uematsu, sondern Hitoshi Sakimoto und Masaharu Iwata. Der Musikstil unterscheidet sich deutlich von dem anderer «Final Fantasy»-Spiele. Der Soundtrack ist weniger verspielt und passt daher gut in die ernsthafte Welt von Ivalice. Auch wenn die Stücke nicht so divers wie jene von Uematsu sind, reichen sie dennoch von heroisch und mitreissend zu entspannt und nachdenklich. Den Track der World Map verbinde ich für immer mit dem Spiel.

Kommt ein Remaster?

Die Gerüchte um ein Remaster halten sich hartnäckig. Wirklichen Aufwind erhielten sie mit dem GeForce Now Leak im September 2021. Der Daten-Leak beinhaltete geplante, unveröffentlichte Spiele. Darunter auch ein «Final Fantasy Tactics»-Remaster. Da andere Spiele auf der Leak-Liste von Nvidia bereits veröffentlicht wurden, ist das Remaster von «Final Fantasy Tactics» wohl nur eine Frage der Zeit.

Matsuno selbst hat diesen Frühsommer die Gerüchteküche mit einem Tweet zum Brodeln gebracht. Darin fragt er, ob «Thunder God Cid» in einem Remaster schwächer gemacht werden sollte, weil er die Balance durcheinander bringt.

Da die grossen Gameshows dieses Jahr ohne eine Ankündigung über die Bühne gingen, ist wohl frühestens nächstes Jahr mit einem Remaster zu rechnen. Vielleicht täte Square Enix gut daran, sich noch mehr auf die starken Titel vergangener Jahre zu konzentrieren. Erst Mitte September ist der Marktwert des Publishers um 2 Milliarden US-Dollar eingebrochen.

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