James Earl Jones: Von Darth Vader zu Mufasa – Seine Stimme ist nicht mehr
Eine Stimme, die Welten zum Leben erweckte, ist verstummt. Ein Stern am Firmament Hollywoods ist erloschen. James Earl Jones ist nicht mehr. Ein Nachruf.
«Simba, mein Vater hat mir einst etwas sehr Wichtiges anvertraut», erklärt Mufasa, König der Löwen, seinem noch jungen Sohn. Über ihnen: die Weiten des afrikanischen Nachthimmels. «Sieh’ hoch zu den Sternen. Die grossen Könige der Vergangenheit sehen von dort auf uns herab.»
Seit vergangener Nacht, dem 9. September 2024, erstrahlt ein neuer Stern am besagten Himmel: James Earl Jones, der Mann, der Mufasa in Disneys «The Lion King» seine unvergessliche Stimme lieh, ist im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Dutchess County, New York, verstorben. Jetzt ist er da oben, seinen Platz unter den Königen einnehmend – und schaut auf uns herab.
Der Stotterer
Es sind genau solch schier magische Momente, in denen wir das volle Gewicht des Vermächtnisses des James Earl Jones spüren: eine Stimme, die nicht nur Charaktere, sondern ganze Welten und Galaxien zum Leben erweckte.
Kommen sehen hat das kaum jemand. Als Jones am 17. Januar 1931 in Mississippi geboren wird, wächst er in schwierigen Verhältnissen auf. Vor allem die Trennung seiner Eltern im Jahr 1936 hinterlässt traumatische Spuren: Der junge Jones beginnt zu stottern. Spricht kaum ein Wort mehr. Jahrelang. Erst sein High-School-Lehrer, Donald Crouch, erkennt acht Jahre später Jones’ Potenzial. Crouch ist sogar so überzeugt, dass er Jones jeden Tag im Unterricht ein Gedicht aufsagen lässt. Schliesslich verleiht das Sprechen vor Publikum Jones genug Selbstvertrauen, dass das Stottern endlich aufhört. Mehr noch.
Jones’ neu gefundene tiefe, sonore Stimme wird schon bald zu seinem Markenzeichen.
Die Bühnenlegende
Zunächst versucht sich Jones aber in einem vormedizinischen Studium an der University of Michigan. Gleichzeitig besucht er das Reserve Officer Training Corps der Universität, um sich zum Offizier ausbilden zu lassen. Im Herbst 1953 bekommt er gar sein Offizierspatent, wird nach Camp Hale in Colorado verlegt und dort im Ausbildungsverband für Gebirgskriegsführung und Winterkampf eingesetzt. Nach drei Jahren Dienstzeit verlässt er die Armee wieder, um sich seinem neuen Traum zu widmen: der Schauspielerei.
Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Mit seiner tiefen, markanten Stimme lässt er schon bald die grössten Theaterbühnen der Welt beben. Seit 1957 sogar den Broadway, das Herz des amerikanischen Theaters.
Mit der Darstellung des Boxers Jack Johnson in «The Great White Hope» etwa gewinnt er 1969 seinen ersten Tony Award, die höchste Auszeichnung im Theater, vergleichbar mit einem Oscar. 1970, in der Verfilmung desselben Stücks, gewinnt er den Golden Globe Award und wird für den Oscar nominiert. Den zweiten Tony Award seiner Karriere gewinnt Jones später, 1987 in «Fences», wo er einen ehemaligen Baseballspieler und schuftenden Vater der Arbeiterklasse in Pittsburgh spielt.
Aber James Earl Jones bleibt nicht nur auf der Bühne umtriebig. Zunächst schafft er mit seiner pompösen Stimme bereits 1964 in Stanley Kubricks satirischer Kriegskomödie «Dr. Strangelove» den Durchbruch in Hollywood. Zu seinen bekanntesten Filmrollen gehören allerdings Auftritte in «Conan the Barbarian», «Coming to America», hierzulande besser bekannt als «Der Prinz aus Zamunda», «Fields of Dreams» und «The Hunt for Red October». In letzterem ist er als CIA-Direktor James Greer zu sehen, Vorgesetzter und väterlicher Freund des Titelhelden Jack Ryan. Der Part gefällt ihm so gut, dass er ihn auch in den Fortsetzungen «Patriot Games» und «Clear and Present Danger» übernimmt, hierzulande besser bekannt als «Das Kartell» – an der Seite von Harrison Ford.
Die Rolle, für die Jones am bekanntesten ist, ist aber eine andere …
Der Atem der Galaxie
Es ist das Jahr 1977. In nur zweieinhalb Stunden spricht James Earl Jones im Synchronstudio sämtliche Zeilen ein, die ein gewisser George Lucas für seinen ersten grossen Hollywood-Film braucht: «Star Wars».
Jones gibt darin niemand geringeren als den legendärsten Bösewicht aller Zeiten – Darth Vader. Sein erster Auftritt: Ein Moment der puren Bedrohung. Schwerfällig schreitet Vader auf die Rebellen-Prinzessin zu. Seine schwarze Rüstung und der mechanische Atem erzeugen eine Atmosphäre der Angst und Macht.
Darth Vader ist ein Gegner, mit dem nicht zu spassen ist.
Jones kriegt für die Rolle, die ihn unsterblich macht, gerade mal 7000 Dollar auf die Hand. «Gutes Geld», denkt er sich. Im Abspann möchte Jones trotzdem nicht erwähnt werden – aus Respekt vor David Prowse, dem britischen Schauspieler, der den ikonischen Bösewicht unter dem Anzug spielte. Prowse wurde nämlich versprochen, dass sein Text später nachbearbeitet würde, um furchteinflössender zu klingen. Erst bei der Filmpremiere findet Prowse heraus, dass Lucas sein Versprechen nicht eingehalten hat. Ein Vertrauensbruch, den Prowse bis zu seinem Tod im Jahr 2020 nie überwinden wird.
James Earl Jones indes wartet noch zwei weitere «Star Wars»-Filme ab, ehe er endlich einverstanden ist, als «Darth Vader’s Voice» im Abspann erwähnt zu werden. Mittlerweile weiss es eh schon jeder. Und Jones ist sich sicher, dass keine weiteren «Star Wars»-Projekte folgen werden.
Jones irrt sich.
Bis ins Jahr 2022 gibt er 16-mal die Stimme des gefallenen Jedi und Sith-Lords. Zuletzt leiht er sie in der Serie «Obi-Wan Kenobi» – wenn auch nur als Mischung aus echten Aufnahmen, Archivaufnahmen und KI erzeugter Stimme. Es ist die letzte offizielle Sprechrolle seines Lebens.
Direkt nach «Obi-Wan Kenobi» zieht sich Jones auch aus der Schauspielerei zurück. Für kommende «Star Wars»-Projekte wird seine Stimme mittels KI erzeugt – seine Erlaubnis dafür gab er schon 2022. Eitelkeit kennt Jones nicht. Das gab er schon 2014 in einem Interview mit der New York Times zu verstehen. Als er nämlich gefragt wurde, wie er seine Karriere so lange am Leben halten konnte, antwortete er schlicht:
«Das Geheimnis ist, niemals zu vergessen, dass man ein Handwerker ist. Nichts ist dein endgültiges Werk. Nichts dein grösstes Werk. Und nichts ist dein schlechtestes Werk. Ich selbst bin immer noch ein Anfänger.»
Ruhe in Frieden, grosser König
«Simba, sieh’ hoch zu den Sternen. Die grossen Könige der Vergangenheit sehen von dort auf uns herab», erklärt Mufasa, König der Löwen, seinem noch jungen Sohn.
«Wirklich?», fragt Simba.
«Ja ...», antwortet Mufasa sanft. «Und wenn du dich einsam fühlst, denk’ immer daran, dass diese Könige dir den Weg weisen werden.»
Die Sterne am afrikanischen Nachthimmel strahlen heller und klarer denn je.
«Und ich auch.»
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»