Hintergrund
Schwache Blase, schwacher Beckenboden: Was dazu führt und was hilft
von Annalina Jegg
Beckenboden-Trainingtoys versprechen einen starken Beckenboden. Der wiederum soll mir dabei helfen, besser dicht zu halten (und mehr Spaß im Bett zu haben). Ich habe ein solches Toy ausprobiert.
Bevor ich euch die «Easytoys» näherbringe, will ich kurz erklären, warum ich meinen Beckenboden trainieren möchte: Ich muss manchmal von einer Sekunde auf die andere auf die Toilette. So dringend, dass ich beim Einkaufsbummel oft das nächste Lokal stürme. Auf Partys begebe ich mich regelmäßig auf Patrouille, um abzuchecken, ob sich noch keine allzu lange Schlange vor dem Klo gebildet hat. Und wenn sich bereits eine gebildet hat, dann hilft nur flehen und betteln.
Meine Mutter meint, meine Blase sei seit Kindheitstagen hyperaktiv. Weil ich mich nicht «auspinkle». Sie diagnostiziert mir also eine «Harnretention», auch Harnverhalt genannt. Eine befreundete Urologin sieht das anders: Für sie klingt es nach Dranginkontinenz. Auch Reizblase genannt, gehört diese zu den häufigsten Formen der Blasenschwäche. Die «Internationale Kontinenzgesellschaft» hat diese 2002 als offizielle Krankheitsbezeichnung eingeführt, rund 15 bis 20 Prozent der Menschen in Europa leiden demnach daran. Darüber reden? Ein großes Tabu. Aber Tabus waren mir immer schon ein Dorn im Auge. Deshalb stärke ich nun meinen Beckenboden und schreibe darüber. Warum der so wichtig ist, das lest ihr hier:
Als ehemalige Sexkolumnistin, die auch heute noch gerne über Frauengesundheit, Lust und Libido schreibt, fast etwas peinlich: Ich habe noch nie Liebeskugeln oder ähnliches ausprobiert. Und bis auf ein paar halbherzige Übungen noch nie meinen Beckenboden trainiert. Nun aber möchte ich herausfinden, ob ich mit diesen Toys eine gute, reizarme und stressfreie Beziehung zu meiner Blase aufbauen kann. Die Redaktion ermutigt mich in meinem Vorhaben und ich bestelle gleich zwei Produkte. Und zwar nach Gefühl, Optik und Rezensionen. Mein Erfahrungsschatz ist wie erwähnt gering. Toys, egal ob zum Spaß oder zur Gesundung, waren nie meines. Einzige Ausnahme: die mittlerweile stattliche Sammlung an «Womanizern».
Ich entscheide mich schließlich für das Easytoys-Beckenboden Trainingsset. Es enthält drei Beckenbodenkugeln samt Rückholfaden aus weichem Silikon und eine Tube Gleitmittel auf Wasserbasis. Die Kugeln in Pink, Lila und Türkis haben verschiedene Gewichte (45 g, 60 g und 75 g), man arbeitet sich im Laufe der Zeit von den leichten zu den schweren Geschützen vor. Von Pink auf Lila wechselte ich sehr schnell und ließ mir bis zum nächsten Tausch etwas Zeit. Aber Pink fühlt sich einmal eingeführt auch nicht viel anders an als ein Tampon und ist mir persönlich zu leicht. Noch ein Detail: Das Gleitmittel braucht man eigentlich nicht, es wartet nun in der «lustigen Lade» neben meinem Bett auf bessere Tage beziehungsweise Nächte.
Ungefähr vier Wochen lang habe ich mit den Toys täglich trainiert, also die Beckenbodenmuskeln mal merklich, mal unmerklich angespannt, um sie an Ort und Stelle zu halten. Die Tragedauer habe ich dabei kontinuierlich gesteigert, von 15 Minuten zu «Oh, ganz vergessen, dass ich die noch drinnen habe.» Die «Easytoys» werden ihrem Namen gerecht und kommen meiner angeborenen Inkonsequenz sehr entgegen, denn zusätzliche Übungen zur «Dauerübung» des Drinnen-Behaltens sind kein Muss. Allerdings entwickelt man automatisch einen gewissen Ehrgeiz. Beim Yoga etwa konnte ich mir dank dem Toy zum ersten Mal etwas vorstellen, wenn es wieder hieß, den Beckenboden (auch «Mula Bandha» genannt) zu aktivieren – ich konnte ihn erstmals richtig spüren. Beim Boxen ist das Tragen des Toys etwas abenteuerlicher: Beim Springschnurspringen ist es schwierig, das Toy an Ort und Stelle zu behalten.
Aber nach bereits drei Wochen habe ich bemerkt: Meine Blase ist zwar immer noch ein ziemliches Luder, doch ich habe nun weniger Probleme damit, «dicht zu halten». Die Kontrolle über sie ist merklich besser geworden. Trotzdem denke ich daran, einen Profi zu konsultieren, um weitere Möglichkeiten zur Stärkung zu finden. Die Anleitungen im Netz dazu lassen mich eher ratlos zurück.
Erotisch fand ich das Tragegefühl übrigens nicht. Allerdings stärkt Beckenbodentraining mit Tools wie den «Easytoys» das Lustempfinden: bei ihr und bei ihm, etwa durch stärkere Muskel-Kontraktionen der Vagina beim Orgasmus. Kann ich bestätigen. Außerdem sollen die Trainingstoys die Beziehung zum eigenen Intimbereich verbessern – nun, die war schon vor dem Test vollkommen in Ordnung.
Lebe lieber ungewöhnlich: Ob Gesundheit, Sexualität, Sport oder Nachhaltigkeit, jedes Thema will entspannt, aber aufmerksam entdeckt werden. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie und niemals ohne Augenzwinkern.