Ghostwire Tokyo im Test: Kreative Schale, konventioneller Kern
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Ghostwire Tokyo im Test: Kreative Schale, konventioneller Kern

PC Games
23-3-2022

Was ist eigentlich Ghostwire Tokyo? Seit der Ankündigung des neuen Spiels von Tango Gameworks ist der Titel für viele Spieler ein Mysterium. Nachdem wir Ghostwire Tokyo nun durchgespielt haben, können wir das Geheimnis zwar lüften, die Antwort könnte für viele Spieler allerdings unbefriedigend sein. Warum, das erfahrt ihr im Test mit Video!


Dies ist ein Artikel unseres Content-Partners «PC Games ». Hier findest du den Original-Artikel von Autor Stefan Wilhelm.


Knapp fünf Jahre nach The Evil Within 2 betreten Shinji Mikami und Tango Gameworks mit einem neuen Spiel die Bühne und schmeißen beinahe alles über den Haufen, wofür man das junge Studio mit den alten Entwicklerhasen kennt. Nach zwei Survival-Horror-Ausflügen entführt euch Ghostwire Tokyo auf einen Open-World-Trip durch die verwaisten Straßen der Stadt und lässt euch in actionreichen Shooter-Kämpfen jede Menge Geister austreiben. Im Test verraten wir euch, wie sich ein eigentlich unverbrauchtes Szenario bemerkenswert schnell in Routine verwandelt und warum Ghostwire Tokyo ein solides, aber nie wirklich begeisterndes Abenteuer geworden ist.

Der neuen Gameplay-Ausrichtung zum Trotz eröffnet Tango sein neues Spiel wieder mit einem mysteriösen, düsteren Setting: Ein dichter Nebel hat Tokio in eine Geisterstadt verwandelt, 99 Prozent der Bevölkerung sind spurlos verschwunden. Die Reklamen blinken immer noch, die Radios plärren und in den Straßen finden sich die Kleidungsstücke der Fußgänger, als wären sie alle im Bruchteil einer Sekunde sprichwörtlich aus ihrer Haut gefahren.

Ihr schlüpft in die Rolle von Akito, der gerade seine im Krankenhaus liegende Schwester besuchen wollte und sich nun plötzlich in dieser surrealen Welt wiederfindet. Zum Glück sind Shiba Inus und Katzen verschont geblieben!

One Night in Tokyo

Man spürt beim Durchstreifen der stimmungsvoll beleuchteten Straßen deutlich, dass das Entwicklerteam hier beheimatet ist, denn Ghostwires Spielwelt vermittelt ein tolles Gefühl von Tokio. Der Kontrast aus topmoderner, neongetränkter Popkultur und uralter Mythologie wurde mit viel Liebe zum Detail eingefangen und die Stadt fühlt sich lebendig an, auch wenn sie es im wahrsten Sinne des Wortes nicht ist.

 Leuchtreklamen und Spiegelungen dominieren optisch die Stadt. Da ihr immer Nachts oder bei Nebel unterwegs seid, kommt beides toll zur Geltung. Raytracing gibt's auf PS5 aber nur bei 30 Fps. - Quelle: PC Games
Leuchtreklamen und Spiegelungen dominieren optisch die Stadt. Da ihr immer Nachts oder bei Nebel unterwegs seid, kommt beides toll zur Geltung. Raytracing gibt's auf PS5 aber nur bei 30 Fps. - Quelle: PC Games

Seit der Nebelflut tanzen hier nämlich nur noch die Toten durch die Straßen. Die "Besucher" kommen etwa in Form von bleichen Geschäftsleuten, kopflosen Schulmädchen und überdimensionalen Frauen in Regenmänteln daher und stellen die Hauptgegner im Spiel dar.

Hier kann Tango wie schon bei seinen vorigen Titeln wieder mit wunderbar schaurigem Gegnerdesign punkten, obwohl Ghostwire Tokyo keinerlei Ambitionen hegt, euch Angst einzujagen. Statt euch zum Weglaufen und Verstecken zu zwingen oder auf Jumpscares und Splatter zu setzen, macht das Spiel euren Protagonisten von Anfang an zum wehrhaften Kämpfer.

Akito verschmilzt mit der Seele von KK, einem professionellen Geisterjäger, der sich auf der Suche nach seinen Teamkollegen in eurem Kopf einnistet und euch magische Fähigkeiten zur Verfügung stellt.

Kameeeehameeeehaaaa!

Die beiden sind dann auch die einzigen Charaktere, die ihr im Spiel ausführlicher kennenlernt, denn sowohl KKs ehemaliges Team als auch die Gegenspieler unter Führung des Maskenträgers Hannya bleiben vergleichsweise blass.

Die Beziehung zwischen Aktio und KK wird angenehm bodenständig und ohne viel Overacting erzählt. - Quelle: PC Games
Die Beziehung zwischen Aktio und KK wird angenehm bodenständig und ohne viel Overacting erzählt. - Quelle: PC Games

Weil ihr auch mit den ehemaligen Bewohner Tokios nur im Rahmen kurzer Nebenquests redet, tragen Akito und KK den Großteil der erzählerischen Last. Zum Glück machen sie dabei einen guten Job: Die Beziehung der beiden entspinnt sich als sympathische, wenn auch nicht wirklich neue Buddy-Geschichte, die trotz des Settings angenehm bodenständig bleibt.

Dafür sorgt auch die gelungene deutsche Synchronisation, bei der vor allem Tommy Morgenstern als Akito überzeugt. Für maximale Immersion stellt euch Ghostwire aber auch den japanischen Originalton zur Verfügung.

Neue Schale, alter Kern

Immersiv und hübsch ist sie also schon mal, die Spielwelt, aber was macht man denn nun in der ausgestorbenen Großstadt? Nun, weil Ghostwire Tokyo sich stark an klassisch-westlichem Open-World-Design á la Ubisoft orientiert, befreit ihr vor allem Außenposten in Form der Torii-Pforten und deckt damit Symbole auf der Karte auf, die ihr dann frei Schnauze abklappern dürft.

Im Gegensatz zu vielen seiner Genrekollegen hindert euch das Spiel aber an der Erkundung eines Kartenbereichs, solange ihr ihn nicht vom tödlichen Nebel befreit habt.

Danach findet ihr jede Menge Collectibles, die ihr zu Geld machen könnt, die bereits erwähnten Nebenmissionen, sowie allerlei Mittel, um den Skill-Bildschirm eures Charakters auszufüllen.

Das Design der Nebenbeschäftigungen ist zweckmäßig, gewinnt aber keinen Innovationspreis: Mal gilt es, eine Horde Besucher vom Gefangennehmen verlorener Seelen abzuhalten, gelegentlich lauft ihr einem Yokai hinterher oder treibt ihn aus seinem Versteck und den überall verteilten Shiba Inus gebt ihr Hundefutter, damit sie vergrabenes Geld für euch aufspüren - nachdem ihr sie gestreichelt habt, versteht sich.

Geistergeschichtchen

Interessanter sind da die etlichen Aufgaben, die ihr für die Geister der Stadtbewohner absolviert. Hier bekommt ihr oft kurzweilige und interessante Mini-Geschichten präsentiert: Einem auf dem Klo festsitzenden Geist liefert ihr etwa Toilettenpapier, damit er sich endlich den Hintern abwischen und seinen Seelenfrieden finden kann. Von einem anderen Tokioter erfahrt ihr von einer geheimen U-Bahnstation, die nur von einem komplett leeren Zug angesteuert wird.

Und für eine ältere Geister-Dame befreit ihr einen Glücks-Yokai aus den Fängen ihres gierigen Vermieters. Die meisten dieser Quests habt ihr allerdings in unter fünf Minuten erledigt, dementsprechend solltet ihr von den Stories und Dialogen keine große Tiefe erwarten. Und das ist ein Problem, das sich durch weite Teile des Spiels zieht: Ghostwire Tokyo geht mit interessanten Ideen an den Start, gibt sich dann bei der Umsetzung aber oft schon mit dem tiefsten Durchschnitt zufrieden.

Symbole aufdecken, Symbole abklappern: An der reichlich ausgelutschten Open-World-Formel ändert Ghostwire Tokyo nichts. - Quelle: PC Games
Symbole aufdecken, Symbole abklappern: An der reichlich ausgelutschten Open-World-Formel ändert Ghostwire Tokyo nichts. - Quelle: PC Games

Am ehesten macht sich das bei Kampf- und Fortschrittssystem bemerkbar. In Haupt- und Nebenquests sowie beim Erkunden werdet ihr ständig in Gefechte mit den Besuchern verwickelt, denen ihr mit KKs magischen Fähigkeiten entgegentretet. Habt ihr den grotesken Monstern ausreichend große Löcher in den Körper geschossen, entreißt ihr ihnen mit schicken Animationen die Kerne, um eure Munition wieder aufzufüllen.

Die Grundbausteine für spaßige und anspruchsvolle Kämpfe sind eigentlich vorhanden: Wenn ihr ein Projektil durch eine Parade zum Absender zurückschickt oder dank eines Flächenangriffs mehrere Gegner gleichzeitig finishen könnt, fühlt sich das vor allem dank der knalligen audiovisuellen Effekte wirklich gut an.

Lobend wollen wir außerdem die Dualsense-Unterstützung hervorheben, über die sich nicht nur PS5-, sondern auch PC-Spieler freuen dürfen: Die Zauber und Takedowns haben unterschiedliche Widerstände in den Triggern, das haptische Feedback ist fein und präzise, und wenn ihr Münzen einsammelt, könnt ihr das Klimpern nicht nur hören, sondern durch filigrane Motorenbewegungen fast schon spüren.

Mäßig bezaubernd

Leider haben es die Entwickler aber verpasst, dem Kampfsystem auch nur einen Hauch der Tiefe zu geben, die es angesichts seines Kern-Designs eigentlich verdient hätte. Obwohl dem Spiel durch den Fokus auf Magie quasi alle Türen und Möglichkeiten offenstehen, werdet ihr mit lächerlichen drei (!) Zaubern und einem Bogen abgespeist, deren taktisches Potential ihr schon nach wenigen Kämpfen ausgeschöpft habt.

Effektiv erfüllen die Zauber nur die Rollen einer Pistole, eines Schwerts und eines Raketenwerfers, die ihr für mehr Schaden und einen größeren Explosionsradius immerhin aufladen könnt. Kreativ und vielfältig sieht aber anders aus. Schaden und Radius dann auch das einzige, worauf es in den Gefechten ankommt, da die Gegner keine besonderen Schwachstellen haben, die es mit bestimmten Angriffen auszunutzen gäbe. Manche tragen lediglich Regenschirme, an denen ihr vorbeischießen müsst. Auf Wunsch dürft ihr noch Schleichen, um Gegner lautlos mit dem Bogen oder einem Nahkampf-Takedown von hinten zu eliminieren.

Außerdem könnt ihr eine Handvoll verbrauchbarer Talismane einsetzen, um etwa ein Blitzfeld oder einen Busch zum Verstecken erscheinen zu lassen, was ganz nett, aber kaum nötig ist. An sehr wenigen Stellen werdet ihr schließlich mit Bossgegnern konfrontiert, die aber auch keine andere Herangehensweise erfordern, außer dass sie euch ab und zu über eine Schockwelle hüpfen lassen. Und das war's. Gerade mit einem Combat-Designer an Bord, der auch am Doom-Reboot beteiligt war, hätte hier deutlich mehr drin sein müssen.

Maskenpflicht gilt auch für Geister! Die Feinde sind cool designt und haben gerade genug Angriffsmuster, um euch trotz eurer arg beschränkten Waffenauswahl einigermaßen bei der Stange zu halten. - Quelle: PC Games
Maskenpflicht gilt auch für Geister! Die Feinde sind cool designt und haben gerade genug Angriffsmuster, um euch trotz eurer arg beschränkten Waffenauswahl einigermaßen bei der Stange zu halten. - Quelle: PC Games

Fortschritts-Gerippe

Auch die Charakterprogression gestaltet sich reichlich unspektakulär: Mit eingefangenen Geistern und abgeschlossenen Missionen steigt ihr im Level auf und kauft simple Upgrades. Die verschaffen euch etwa einen größeren Köcher für den Bogen, einen höheren Explosionsradius für den Feuerzauber, oder schnellere Exekutionen in mehreren Stufen.

All das funktioniert zwar und motiviert zu einem gewissen Grad, aber auch bei seinem Fortschrittssystem gibt sich das Spiel mit dem absoluten Minimum zufrieden. Gleiches gilt für die marginalen Buffs, die ihr durch Nahrungsmittel erhaltet und die paar freischaltbaren Klamotten, die ihr nur in Zwischensequenzen und im Fotomodus zu Gesicht bekommt.

Nun wäre es aber unfair zu behaupten, Ghostwire Tokyo würde nach den interessanten ersten Stunden nur noch langweilen. Die Erkundung der stimmungsvollen, aufwändig gestalteten Spielwelt macht bis zum Schluss Spaß, weil euch die Entwickler mit Greifhaken und Schwebefähigkeit coole Movement-Tools an die Hand geben und euch zutrauen, dass ihr eigene Wege zu den oft gut versteckten Zielen findet.

Die Story reißt keine Bäume aus und ist mit etwa zehn Stunden relativ kurz, sie ist aber dennoch unterhaltsam, kurzweilig, und schafft es zum Ende hin auch, ein paar emotionale Töne zu treffen. Und weil die Gegner ordentlich Schaden austeilen und das Kampfsystem prinzipiell ordentlich funktioniert, werden auch die Gefechte nie vollends zum Selbstläufer.

Letztendlich ist es aber trotzdem einfach schade, wie wenig Ghostwire Tokyo aus seiner Kulisse macht, wie wenig es mit seinen Geschichten und Spielsystemen in die Tiefe geht und wie heruntergekurbelt sich das Ganze oft anfühlt.

Euch hängt diese Art Spiel noch nicht völlig zum Hals raus und ihr begeistert euch für das gelungen eingefangene Japan-Feeling? Dann könnt ihr ein paar seichte, aber unterhaltsame Stunden mit Ghostwire Tokyo verbringen. Alle anderen finden hier aber nur eine weitere, mit Symbolen zugemüllte Weltkarte, bei der sich lediglich das Setting von den Genre-Kollegen abhebt.

Fazit: Interessantes Setting, bei dem sich viel zu schnell Routine einstellt

Ghostwire Tokyo hat eigentlich alle Voraussetzungen, um aus dem mittlerweile ziemlich durchgenudelten, westlichen Open-World-Format auszubrechen: Tokio als Setting wurde toll eingefangen, die Haupt- und Nebenquests haben interessante, frische Prämissen und die Kämpfe erinnern im ersten Moment angenehm an skill-basierte Arcade-Shooter. Das Spiel gibt sich aber in beinahe allen Aspekten mit viel zu wenig zufrieden. Die Spielwelt ist mit belanglosem Sammelkram gefüllt, die Quests sind viel zu kurz und oberflächlich, um ihre Prämissen auch auszuschöpfen, und die Waffen- und Gegnervielfalt lässt mehr als zu wünschen übrig. Meinen Spaß hatte ich trotzdem: Die Kämpfe funktionieren trotz ihrer mangelnden Tiefe, das Erkunden gestaltet sich dank der hohen Vertikalität der Spielwelt unterhaltsam, und optisch ist das Spiel wegen liebevoller Details ansprechend, wenn mir etwa auffällt, dass die Regentropfen aus Schriftzeichen bestehen. Weil der Unterbau hinter der kreativen Aufmachung aber ziemlich seicht und generisch daherkommt, bleibt's nur beim Prädikat "ganz in Ordnung".

Ghostwire Tokyo erscheint am 25. März 2022 konsolenexklusiv für die Playstation 5 sowie für den PC. EIne Xbox-Version dürfte in etwa einem Jahr nachgereicht werden, sobald die Zeitexklusivität ausgelaufen ist. Freut ihr euch auf das Horror-Abenteuer oder findet ihr das Setting eher uninteressant? Verratet es uns in den Kommentaren!

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Pro

  • Hübsch gestaltete Stadt mit vielen liebevollen Details
  • Tolles Tokio-FeelingSympathische Hauptcharaktere mit guter deutscher Vertonung
  • Movement und Erkundung unterhaltsam
  • Viele witzige Story-Ideen für Nebenquests
  • Gelungene Dualsense-Einbindung
  • Im Kern spaßige, anspruchsvolle Kämpfe ...

Contra

  • ... denen es gewaltig an Tiefe und Abwechslung mangelt
  • Belanglose Fortschrittsmechaniken
  • Nebenmissionen viel zu kurz und simpel
  • Repetitiver Spielverlauf, der schnell Routine wird
  • Relativ knappe Spielzeit
  • Platte Antagonisten und Nebencharaktere

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