Geschwisterliebe: Acht Fakten über eine besondere Verbindung
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Geschwisterliebe: Acht Fakten über eine besondere Verbindung

Lehrerinnen, Nervensägen, Folterknechte: Die Rede ist von Geschwistern. Was die Forschung bislang über jene Beziehung weiß, die deine allerlängste sein wird.

Erstgeborene sind einfühlsam, Letztgeborene draufgängerisch, und «Sandwich-Kinder» fallen stets durch den Rost. Diese Annahmen über Geschwister und ihre Geburtsreihenfolge sind in der Geschwisterforschung längst überholt. Was aber feststeht: Wer mit Bruder und Schwester groß wird, hat einen lebenslangen Begleiter – und einen lebenslangen Rivalen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Ältere Schwestern halten sich ein Leben lang für klüger, und jüngere Schwestern verdrehen dabei für immer ihre Augen. Aber: Durch Geschwister lernt man die feinen Nuancen zwischen Konflikt und Versöhnung, zwischen Rivalität und Liebe kennen. Eltern sterben, Ehen scheitern – Geschwister bleiben. Kaum eine Beziehung fordert mehr Geduld, Liebe und Kompromissbereitschaft wie die zwischen Geschwistern. Schließlich ist diese Verbindung auch die längste Beziehung, die du je führen wirst.

Geschwister: Beziehung zwischen Liebe und Hiebe

Klären wir das ein für alle Mal: Wer ist wirklich klüger und wer risikobereiter? Und wie oft streiten sich Geschwister pro Stunde, um das herauszufinden? Acht spannende Geschwisterfakten zum Staunen und Schmunzeln.

1. Erstgeborene sind klüger

Ich bringe die unangenehmen Nachrichten besser gleich hinter mich: Viele Klischees über Geschwisterbeziehungen sind überholt und unwahr. Aber was den IQ angeht, scheint es Konsens in der Wissenschaft zu geben: Ältere Geschwister sind die klügeren.

Zu diesem Ergebnis kommt in der Deutlichkeit erstmals eine Untersuchung aus dem Jahr 2007, die im Journal «Nature» veröffentlicht wurde und in den Folgejahren viel wissenschaftlichen Zuspruch fand. Aber: IQ-Unterschiede zwischen Geschwistern sind den Forschenden zufolge klein und liegen in der Familiendynamik – und nicht in der Biologie.

So teilen ältere Geschwister schon früh ihr Wissen und übernehmen damit eine Art «Tutoren-Job» für die kleine Schwester oder den kleinen Bruder. Eine andere Erklärung ist mit der ersten verwandt: Weil ältere Geschwister schnell das Monopol auf die Rolle des Klügeren besetzen, entwickeln kleinere Geschwister andere Fähigkeiten, um sich in der Familiendynamik abzuheben: Sie werden besonders kreativ oder eignen sich besonders ausgeprägte Sozialkompetenzen an.

2. Geschwister wollen anders sein

«Geschwisterliebe» ist ein menschliches Konstrukt und findet sich in der Tierwelt nur selten. Denn am Anfang sind Geschwister vor allem eines: Rivalen. Um die Fernbedienung vom TV wie um die Gunst der Eltern. Sich von den Geschwistern in Rolle und Charakter abzugrenzen, ist daher evolutionär begründet: Schon früh suchst du dir eine Nische innerhalb deiner Familie.

Das «Sibling Niche Differentiation Model» wurde erstmals 1996 von dem Psychologen Frank Sulloway aufgestellt. Er ging davon aus, dass Geschwister um die Ressourcen ihrer Eltern konkurrieren – und sich das Anderssein daher als evolutionärer Vorteil im Familiensystem erweist. Sulloways Modell wurde seither in Untersuchungen bestätigt: Weniger die Position innerhalb der Familie formt deine Persönlichkeit, sondern wie stark du dich von deinen Geschwistern abgrenzen musstest.

3. Acht Mal pro Stunde: So oft streiten Geschwister

Darum sind deine Geschwister eben nicht nur lebenslange Partner, sondern auch lebenslange Reibungsflächen. Durch sie beweist du deine Einzigartigkeit. So erklärt auch Jeanine Vivona, Professorin für Psychologie am College of New Jersey, die Rivalität unter Geschwistern. In einer ihrer Studien schreibt sie: «Langfristig dient die Differenzierung von den Geschwistern dazu, Rivalitäten und Konflikte untereinander zu mildern.» Du lernst mit kaum jemandem so unverblümt ehrlich über deine Gefühle zu sprechen wie mit deinen Geschwistern. Und das macht eure Beziehung so widerstandsfähig.

Dafür brauchte es viele Konflikte in der Kindheit: Bis zu acht Mal pro Stunde streiten Geschwister im Schnitt. Dabei sind zwei Schwestern untereinander friedlicher als Geschwisterpaare mit einem Bruder. Wenn du es positiv auslegen willst: Im Streit lernt man sich kennen, und Reibung erzeugt schlussendlich auch Wärme.

4. Letztgeborene sind nicht risikofreudiger

Lange Zeit galt als Usus: Letztgeborene sind draufgängerisch, unerschrocken und risikofreudig. Diese Annahme basiert nicht zuletzt auf Sulloways Nischen-Theorie: Er bemerkte, dass es sich bei politischen und wissenschaftlichen Revolutionären öfter um Letztgeborene handelt – zum Beispiel Charles Darwin oder Alexander von Humboldt.

Jedoch zeigt eine Längsschnittstudie mit 30 000 Befragten: Die Risikobereitschaft hängt nicht mit der Geburtsreihenfolge zusammen. Der Forschungsleiter des Max-Planck-Instituts, Ralph Hertwig, sagt: «Die These, dass die Dynamik in der Familie, die wiederum durch die Geburtsreihenfolge geprägt sein könnte, die Risikobereitschaft beeinflusst, scheint durchaus intuitiv und plausibel. Aber wir konnten keine Hinweise für diese These finden.»

5. Apropos: Dein Job prägt dich mehr als die Geburtsreihenfolge

Ob du nun an erster oder letzter Stelle geboren wurdest, mag in deiner Kindheit über die Kontrolle des Fernsehprogramms entschieden haben. Für deine sonstige Entwicklung ist die Geburtsreihenfolge aber weit weniger prägend als gedacht. In einer US-Studie fanden Forschende keinen signifikanten Einfluss der Reihenfolge, in denen Geschwister zur Welt kommen, auf die Persönlichkeit. Anders ist das bei deinem ersten Job im Arbeitsleben: Neue Anforderungen an Leistung und Verhalten am Arbeitsplatz formen deine Persönlichkeit deutlich stärker als die Willkür der Familienposition.

6. Geschwister beeinflussen dein Wohlbefinden

Was dich durchaus ein Leben lang prägt, ist die Qualität deiner Geschwisterbeziehung. Das zeigen unterschiedliche Studien, wie im Journal «Family Relations» oder im «Journal of Youth and Adolescence. Ein warmherziger, unterstützender Umgang mit deinen Geschwistern hilft dir dabei, deine Ziele zu erreichen. Dagegen hängt aggressives und ausschließendes Verhalten untereinander mit Depression und einem niedrigen Selbstwert zusammen. Und wie positiv sich eine warme Geschwisterbeziehung auf dein Leben auswirkt, zeigen Studien an Zwillingen:

7. Zwillinge leben länger

1258 Zwillingsgeburten gab es 2022 in der Schweiz. Während sich Geschwister in der Regel zwischen 25 und 75 Prozent des Erbmaterials teilen (je nachdem, welche Anteile sie von Mutter und Vater vererbt bekommen; theoretisch ist auch eine genetische Übereinstimmung von 0 Prozent möglich), ist die DNA von eineiigen Zwillingen zu 100 Prozent ident.

Das macht ihre Verbindung besonders stark. Eine dänische Studie untersuchte 2932 eineiige Zwillingspaare und kam zu dem erstaunlichen Ergebnis: Eineiige Zwillinge leben länger als zweieiige Zwillinge oder die restliche Durchschnittsbevölkerung. Die Forschenden nennen drei Gründe:

Zwillinge geben sich emotionalen Support in schwierigen Zeiten. Weil sie sich genetisch so ähnlich sind, kennen sie den jeweils anderen besonders gut und können auf seine oder ihre Bedürfnisse ideal eingehen. Und: Zwillinge beschützen sich gegenseitig, vermeiden riskantes und fördern dagegen gesundes Verhalten beim jeweils anderen. Und diesen lebensverlängernden Effekt können alle Geschwisterpaare erreichen – er ist nicht ausschließlich in der DNA von Zwillingen festgeschrieben.

8. Jedes fünfte Kind ist ein Einzelkind

In den Genuss einer Schwester oder eines Bruders kommen nicht alle Kinder in der Schweiz. Eine durchschnittliche Frau bekommt hier 1,5 Kinder – halb so viel wie noch in Zeiten des Babybooms in den 1960er-Jahren. Darum werden auch die Haushalte mit Einzelkindern immer verbreiteter in der Schweiz: Hier ist mittlerweile jedes fünfte Kind ein Einzelkind.

Nicht unbedingt zum Nachteil des Kindes: Es erspart sich viele Gezeter und unendliche Rangeleien und ist am Ende doch durchsetzungsfähig.

Titelfoto: shutterstock

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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