Hintergrund
Themenwoche: Wir verzweifeln eine Woche lang an alter Technologie
von David Lee
Für unsere Themenwoche habe ich mir vorgenommen, eine Woche lang ausschliesslich auf alten Konsolen wie Super Nintendo, Game Boy oder Mega Drive zu spielen. Trotz Nostalgie habe ich meinen PC schneller vermisst, als mir lieb war.
Das Gefühl, ein Spiel mit einem satten Klicken in den Super Nintendo zu stecken, ist auch heute noch äusserst befriedigend. Danach schiebe ich den grossen, wuchtigen Schalter hoch und das Bild geht an – herrlich. Dieses physische Element macht alte Konsolen bodenständig. Es ist etwas, das ich an modernen Maschinen trotz aller Grafikpracht vermisse.
Das Retro-Erlebnis beginnt schon beim Auspacken. Besonders die Mega-Drive-Spiele, die in einer wuchtigen Hülle in der Grösse einer VHS-Kassette daherkommen. Enthalten ist eine ausführliche Anleitung. Sie gibt mir das Gefühl, dass ich etwas bekomme für mein Geld. Es ist das pure Gegenteil von aktuellen Spielen, die teilweise nicht mal mehr eine Disc enthalten, sondern nur noch einen Papierstreifen mit dem Downloadcode.
Auch vor rund 35 Jahren, als der SNES, Mega Drive, Game Boy und Game Gear auf den Markt kamen, zählte nicht die Verpackung, sondern, was drin war. Das werde ich in einer Woche Retro-Diät herausfinden. Um genau zu sein, handelt es sich um eine Arbeitswoche, sprich: nur fünf Tage. Mehr war mir zu ambitioniert. Warum gerade diese vier Konsolen? Ich beschränke mich für unsere Themenwoche auf Geräte aus der gleichen Zeitspanne. So schaffe ich ein einigermassen authentisches Szenario.
Jetzt muss ich mir nur noch vorstellen, dass ich ein verwöhntes Kind desinteressierter Eltern bin, das nicht eine, sondern gleich vier Konsolen geschenkt bekommen hat. Wer hat damals nicht auch so einen Freund oder eine Freundin gehabt? Ich war der Schmarotzer, ohne eigene Konsole, der sich immer selbst zu anderen einlud, um zocken zu können.
Dieses Trauma habe ich mittlerweile überwunden, respektive überkorrigiert. Neben diversen Retro-Konsolen steht in meinem «Man Cave» ein 27 Zoll grosser Röhrenbildfernseher. Darauf werde ich eine Woche lang in vergangene Zeiten abtauchen und herausfinden, ob das immer noch Spass macht. Als zusätzliche Regeln, respektive Richtlinie, nehme ich mir vor, mich voll aufs Spielen zu konzentrieren. Keine Podcasts oder Videos nebenbei laufen lassen, es wird nur gezockt. Auch Lösungen im Internet nachschlagen, möchte ich verhindern. Schliesslich konnte ich das damals auch nicht.
Also dann, Spiel ab.
Passend zum Release des neuen «The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom» für die Switch habe ich mir «The Legend of Zelda: A Link to the Past» besorgt. Zwar besitze ich schon diverse SNES-Spiele, aber ich wollte eines der ganz grossen Highlights, das ich über längere Zeit spielen kann. Gleich am Anfang bin ich schon irritiert. Ist der Sound kaputt? Was dröhnt hier so? Wenige Momente später finde ich die Antwort: Regen. Der Held Link wacht in seinem Bett auf, während es draussen aus Eimern giesst. Nicht das schönste Geräusch, aber vielleicht soll es ja auch bedrohlich klingen – unbehaglich ist mir definitiv.
Das zweite Stirnrunzeln verursacht der Controller. Eigentlich habe ich gute Erinnerungen an das graue Gerät mit den bunten Tasten. Jetzt fällt mir auf, wie klapprig er ist. Das Steuerkreuz fühlt sich auch nicht sonderlich präzise an. Aber ich spiele auch nicht «Doom», sondern ein Action-Adventure. Obwohl ich mit dem Egoshooter vielleicht besser bedient wäre. Binnen 30 Minuten will ich zweimal in einem Youtube-Video nachschauen, wo ich hin muss. Aber ich bleibe standfest. Und siehe da, hier ist er, der geheime Eingang ins Schloss. Ich klopfe mir gedanklich auf die Schulter.
Im Schloss folgt der nächste Stolperstein. Um dunkle Räume aufzuhellen, zündet Link seine Laterne an. Der Lichtkegel bewegt sich parallel zur Spielfigur und dreht sich genauso schnell, wie ich das Steuerkreuz drücke. Weil ausser dem Lichtkegel alles stockdunkel ist, empfinde ich die Richtungswechsel als sehr anstrengend. Erinnerungen an die erste Generation von VR-Brillen kommen in mir hoch. Ganz so schlimm ist es nicht und nach wenigen Momenten habe ich den Raum glücklicherweise hinter mir gelassen.
Über einen weiteren Schatten muss ich bei den Dialogen springen. Die sind nicht vertont. Damit kann ich leben. Schlimmer ist, dass ich sie wirklich lesen muss. Ich verabscheue Textboxen. Aber sonst weiss ich nicht, wohin es als Nächstes geht. Einen Questlog oder dergleichen gibt es nicht.
Die Rückschläge hören nicht auf. Ein Wahrsager gibt mir für 30 Rubine einen Tipp, den ich schon lange weiss. Ich wünschte, ich könnte zurückspulen, wie in unserem Longplay von «The Legend of Zelda».
Schon bin ich erneut nah dran, aus meiner Zeitkapsel zu springen und das Internet zu konsultieren. Dieses Mal geht es um die Steuerung. Ich finde nicht heraus, wie ich Gegenstände ausrüsten kann. Der SNES-Controller hat insgesamt acht Tasten und ein Steuerkreuz. So schwierig kann es nicht sein. Ich versuche alle Knöpfe und Kombinationen. Fehlanzeige. Liegt es am Spiel oder ist mein Controller kaputt? Tatsächlich, mit dem billigen Third-Party-Controller von Myiicco klappt es. Es war die Starttaste. Dumm nur, dass bei diesem Controller die X-Taste nicht geht. Moment, ich muss nur mehr Gewalt anwenden.
Nun gut, normalerweise sind die klapprigen Zweitcontroller für Gäste reserviert, aber da komme ich wohl nicht drumherum. Langsam kommt auch etwas Stimmung auf, aber dann ist schon Zeit fürs Bett. Nicht, weil meine Mutter sonst droht, den Strom abzustellen. Sondern weil ich 40 bin, Kinder habe und meinen Schlaf brauche.
Auch am zweiten Tag bleibe ich dem SNES treu. Statt «Zelda» gebe ich aber «Addam’s Family» den Vorzug. Das wollte ich schon immer ausprobieren. Leider passiert erstmal gar nichts, wenn ich die Konsole einschalte. Also kommt der gute alte Blastrick zum Einsatz. Es soll zwar angeblich gar nichts bringen, in die Spielmodule zu pusten und eher schädlich sein. In der geblasenen Luft hat es Feuchtigkeit und die soll Korrosion verursachen – aber wie schon vor 30 Jahren, funktioniert es eben doch.
«Addam’s Family» ist ein typischer Plattformer à la «Super Mario». Ich steuere Addam, der sich durch ein Schloss voller schwebender Teekrüge und Feuerteufel kämpft. Keine Ahnung, was das mit den Filmen zu tun haben soll. Genauso wenig, wie der Ofen, den ich deaktivieren muss.
Meine mentale Stärke ist schon nach wenigen Minuten gefordert. Das Timing, um diesen Feuerteufel auszuweichen, will gelernt sein. Als Quick-Load-verwöhnter Gamer strapaziert das meine Geduld aufs Ärgste. Es dauert nicht lange, bis ich das erste Mal den Game Over Screen sehe. Moment, ist das Schweizerdeutsch? «Dien Versuch, deine Familie zu befreien, wurde vereitlet». Das reicht mir fürs Erste. Weiter geht’s mit dadadadaaaaa dadadaaa: «Indiana Jones – Greatest Adventures».
Spiel-Adaptionen von Hollywood-Blockbustern waren in den 90ern gang und gäbe. Nicht alles ist dabei liebloser Marken-Ausverkauf, dessen einziges Highlight ein Cover mit Wiedererkennungswert ist. «Indiana Jones» ist ein solider Plattformer mit dem bekannten Soundtrack. Allerdings ist das Spiel sackschwer. Alles will mich töten, Fische, Fledermäuse, Eingeborene – ok, letzteren hat Indi vermutlich wieder irgendwelche heiligen Götzen stibitzt. Und wieso brennt alles, was ich mit der Peitsche treffe?
Das Spiel ist purer Stress. Ich bekomme keine Sekunde Verschnaufpause. Ständig fallen Steine auf mich herunter, modrige Hände aus dem Boden wollen mir tödliche Fussmassagen geben und mitten im Sprung trifft mich ein Projektil eines Blasrohrs. Zurück zum Start. Dagegen ist «Dark Souls» ein Kinderspiel. Auf dem Game-Over-Screen schüttelt Sean Connery nur enttäuscht den Kopf.
Langsam muss ich mich entscheiden, ob ich eines dieser Spiele durchspielen will und dafür die ganze Woche aufwende – oder lieber von verschiedenen Töpfen nasche. Um meine Nerven zu schonen, entscheide ich mich für letzteres.
Zur Abwechslung krame ich den Game Boy hervor. Dazu gibt es «Radar Mission». Das Spiel besteht aus zwei Modi. «Game A» ist klassisches Schiffe-Versenken – also langweilig. In «Game B» machst du als U-Boot-Kommandant aktiv Jagd auf feindliche Schiffe. Schon damals, als ich das Spiel bei meinem Cousin gezockt habe, war dieser Modus das Highlight. Bevor ich richtig ins Spiel abtauchen kann, fällt mir auf, wie schlecht das Game-Boy-Display ist. Wenn ich nicht direkt unter einer Lampe spiele, erkenne ich auf dem briefmarkengrossen Display so gut wie nichts.
Der Sound von «Radar Mission» ist dafür immer noch klasse. Meine Torpedos treffen mit einer herrlich scheppernden 8-bit-Explosion auf die schwarzgrünen Pixelschiffe. Dann taucht plötzlich das U-Boot des gegnerischen Captains vor mir auf und schickt mich innert Sekunden auf den Grund des Ozeans. Verdammt, war das schon immer so schwer? Das Spiel gleicht einem Speedrun. Wenn ich die gegnerische Flotte nicht mit einer teuflischen Effizienz zerstöre, kommt mit der Computer immer zuvor. Nach bereits 15 Minuten schwenke ich die weisse Fahne. Ich habe keinen Bock mehr.
Mit dem Sega Game Gear habe ich schon als Kind geliebäugelt. Den Traum habe ich mir vor ein paar Monaten erfüllt. Viel gespielt habe ich damit allerdings nicht. Zeit, das zu ändern. Dafür habe ich mir von Redaktionskollege Kevin Hofer «Shinobi 2» ausgeliehen. In allen Game-Gear-Spieleranglisten ist es ganz vorne mit dabei. Darin übernehme ich die Rolle nicht eines, sondern mehrerer Shinobi-Kämpfer. Erst muss ich sie allerdings freispielen.
Das Erste, das mir auffällt, ist das viel hellere, grössere und farbige Display als beim Game Boy. Es ist Balsam für meine Augen. Wieso hat sich der Game Gear nie gegen Nintendos Handheld durchgesetzt? Ich bin auch erstaunt, wie leicht das klobige Teil ist. Oh, es sind gar keine Batterien drin und davon braucht es eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs Stück. Entstand das Teil in Zusammenarbeit mit Duracell? Zum Glück habe ich ein passendes Universal-Netzteil rumliegen. Damit fläze ich mich zurück aufs Sofa und starte «Shinobi».
Ich kann aus verschiedenen Levels auswählen. Ich entscheide mich fürs erste und finde mich in einer industriell aussehenden 2D-Welt wieder. Die Frage, ob die computergesteuerten Figuren, die mir begegnen, freundlich gesinnt sein könnten, stellt sich erst gar nicht. Wie immer gilt: auf alles draufhauen, was mir in den Weg kommt. Apropos Weg. Den muss ich selber finden, denn das Spiel ist nicht linear. Doch schon nach wenigen Minuten blindem Rumgehopse stehe ich dem ersten Boss gegenüber – und Augenblicke später dem Continue-Screen.
Die verschiedenen Angriffsmuster dieser Spinnendrohne überfordern mich völlig. Ich habe gar keine Zeit zum Angreifen. Das ist völlig unfair. Immerhin habe ich mehrere Leben und kann direkt beim Bosskampf weitermachen. Die sind allerdings schnell aufgebraucht und ich muss von vorne beginnen. Wieder sage ich mir, Zähne zusammenbeissen und weitermachen. 30 gescheiterte Versuche später gebe ich auf. Mittlerweile bringe ich den Boss zwar auf die Hälfte seiner Leben runter, aber mehr liegt nicht drin.
Ich versuche ein anderes Level und siehe da: Diesen Bosskampf schaffe ich im ersten Versuch. Vielleicht muss ich meinen Job doch noch nicht an den Nagel hängen. Ich erhalte einen weiteren Shinobi mit neuen Fähigkeiten. Jetzt kann ich zwischen den Kämpfern wechseln, je nachdem, wer sich besser eignet. Das rettet mich allerdings nicht davor, im Fabrik-Level durch eine Tür zu spazieren und im nächsten Moment den ganzen Level runter zu stürzen. Typisches 90er-Jahre-Game-Design. Selbst Ninja-Reflexe hätten mich nicht vor diesem Sturz bewahrt. Hier gilt Trial and Error und es braucht einmal mehr – Geduld.
Ich bleib bei Sega, aber schalte einen Gang hoch. Der Mega Drive ist dran. Die grossen Spielehüllen und das Einstecken in die Konsole bleiben ein Highlight. Auch der Röhrenfernseher, mit seinem grossen Runden Knopf und dem typischen Womp-Geräusch beim Einschalten zaubert mir jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht.
Mein Grinsen verschwindet kurz, als das Intro von «Gunship» über den Bildschirm flimmert. Der Text wird begleitet von ohrenbetäubenden Schiessgeräuschen, die klingen, als wäre der Mega Drive abgestürzt. Dagegen klingt der Regen in «Zelda» wie entspannte Einschlafmusik.
Das eigentliche Spiel ist solide Actionkost. Zuerst steuere ich einen Kampfhubschrauber aus der Ich-Perspektive. Es ist eine willkommene Abwechslung zu den mehrheitlich zweidimensionalen Plattformern. Wie alles, das ich bisher ausprobiert habe, ist aber auch «Gunship» knackiger als ein Deutschländerwürstchen. Die Steuerung ist gewöhnungsbedürftig. Weil es damals noch keine Analog-Sticks gab, steuert sich der Hubschrauber ziemlich ruppig. Hätte ich Passagiere an Bord, hätten sie mir längst über die Armaturen gekotzt.
Mit zerlöcherter Windschutzscheibe ballere ich schliesslich den letzten feindlichen Heli vom Himmel und komme zu meinem eigentlichen Auftrag. Der besteht darin, mehrere Militärziele zu vernichten. Dabei wechselt das Spiel in eine seitliche 2D-Perspektive. Nun kommen die Feinde aus allen Richtungen. Kurz bevor ich mir vom festen Drücken Blasen am Daumen hole, geht mein geliebter Hubschrauber in Flammen auf. «Gunship» gibt sich nicht mit einem lumpigen Game-Over-Schriftzug zufrieden. Nein, hier wird mein Begräbnis mit Sarg und allem drum und dran gezeigt – damn.
Zeit, für etwas Aufmunterndes. Wie wär’s mit «Aladdin»? Das habe ich früher immer im Vilan (heute Manor) gezockt. Mehr als den ersten Level habe ich nie geschafft, bevor mich die Verkäufer weggescheucht haben. Heute vertreibt mich niemand von meinem weichen Sofa. Sound und Design sind immer noch Klasse. Das Spiel beginnt wie der Disney-Trickfilm von 1992 in der orientalischer Stadt Agrabah, wo mir säbelschwingende Wächter nach dem Leben trachten.
Aladdin steuert sich recht schwammig, aber ich gewöhne mich schnell daran. Die Animationen, wie er über die Dächer hüpft oder wenn Wachen die Hosen runterfallen, wenn ich sie mit Äpfeln bewerfe, sind herrlich. An der Hand nimmt mich aber auch dieses Spiel nicht. Jede Konfrontation überlebe ich nur um Haaresbreite – und doch schaffe ich den Level im ersten Anlauf. Das macht mich ein bisschen stolz. Der zweite Level zieht leicht an. Aber es gibt grosszügig verteilte Checkpoints, so dass ich nicht jedes mal von vorne beginnen muss. Dafür erstaunt mich, dass es kein Passwort-System gibt, um am nächsten Tag weiterspielen zu können. Früher hätte ich die Konsole über Nacht eingeschaltet gelassen. Heute gebe ich mich mit meinem Teilerfolg zufrieden und gehe gemeinsam mit dem Mega Drive schlafen.
Meine Retro-Woche nähert sich dem Ende. Zum Glück, muss ich sagen. Denn trotz grosser Sympathie für alte Konsolen würde ich lieber meinen PC anwerfen. Aber ich muss standhaft bleiben. Heute Abend gönne ich mir einen ganz grossen Klassiker: «Super Mario World». Ein weiteres Spiel, das ich früher primär an abgenutzten Maschinen in Einkaufszentren gespielt habe.
Mit dem alten Schnauzträger kann ich nicht viel falsch machen. Das bestätigt mir die superpräzise Steuerung. «Aladdin» wirkt dagegen, als hätte er zu viel Reisschnaps gesoffen. Der Soundtrack ist ebenfalls grandios wie eh und je. Warum spiele ich das nicht öfters? Ups, Plattform verfehlt und in flüssiger Schokolade ertrunken. Ich muss mich erstmal aufwärmen – nur halt nicht im Dessert. Der zweite Versuch wird auch nicht besser. Dieses Mal verarscht mich ein Hamster mit Sonnenbrille und wieder lande ich im Abgrund. Danach scheitere ich plötzlich beim ersten Hindernis. Aaaaaargh. Langsam dämmert es mir, warum ich kaum eins dieser Spiele zu Ende gespielt habe. Wo ist die Rückspulfunktion der Switch-Online, wenn man sie braucht, wo?
Irgendwie schaffe ich es schliesslich bis ans Ende des Levels. Die rettenden Torpfosten sind nur noch wenige Meter entfernt, ich will mich schon zurücklehnen. Da trifft mich doch tatsächlich so ein verfluchter Football eines Koopa-Hooligans in den Allerwertesten. Den roten Handabdruck auf meiner Stirn wird man noch tagelang sehen.
Als ich endlich Wendys Castle erreiche, habe ich noch ein einziges Leben übrig. Jetzt gilt es ernst. Skelett-Dino-Knochen ausweichen, easy. Dann mit der Sprungfeder nach oben spring… natürlich fällt just in dem Moment eine spitze Säule aus der Decke auf mich drauf. Jetzt müsste ich die beiden Level vorher auch noch mal machen. Vergiss es! Ich beende meine Retro-Diät lieber mit dem Spiel, mit dem ich angefangen habe: «The Legend of Zelda: A Link to the Past»
Bei meinem letzten Versuch ist mir aufgefallen, dass auf der Karte das sagenumwobene Masterschwert angezeigt wird. Ich wär ja blöd, wenn ich mir das nicht als erstes hole. Eine Viertelstunde später habe ich mich durch einen verworrenen Wald gekämpft, bin wiederholt auf Masterschwert-Attrappen reingefallen und wurde von unbesiegbaren Räubern überfallen. Schliesslich stehe ich vor dem echten Masterschwert. Es steckt in einem Holzstruck. Mir schwant nichts Gutes. Yep, wie könnte es anders sein. Ich kann das Schwert nicht herausziehen. Alles für die Katze. Jaja, der Weg ist das Ziel und so, aaargh.
Dann mache ich eben einen Dungeon. Ich hasse Dungeons. Sie sind mir zu klaustrophobisch, linear und kryptisch. Ich schiebe meine Vorurteile beiseite und steige hinab. Nach unzähligen falschen Abzweigungen, zufällig entdecken Bodenschaltern und Steingolems, die mir ans Heldenleder wollen – bin ich beim Boss. Oder besser gesagt, den Bossen. Denn aus einem Golem werden plötzlich sechs und mein Pfeilvorrat neigt sich dem Ende zu. Mit letzter Kraft knüpple ich auch den letzten Widersacher zu Kies und freue mich über einen neuen Herzcontainer. Ich kann es ja doch, wenn es sein muss. Mit diesem Gefühl beende ich mein Experiment.
Beim Gedanken an Super Nintendo, Game Boy und Co, wird mir warm ums Herz. Ich liebe alte Spielkonsolen und die Erinnerungen, die sie in mir wecken. Das gilt auch nach dieser Woche noch. Sie bestätigt jedoch, was ich befürchtet habe: Die meisten alten Games sind für mich kaum noch spielbar. Sie besitzen keine Speichermöglichkeiten, sind unzugänglich, unfair, zu schwierig oder schlichtweg langweilig. Mit den wenigsten Spielen halte ich es länger als zehn Minuten aus. Selbst absolute Klassiker wie «Zelda» oder «Super Mario» verleiden mir schnell.
Das Experiment hält mir vor Augen, wie enorm sich Games in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt haben. Sie bieten mehr spielerische Freiheiten, weniger Sackgassen und sind besser strukturiert, um Spielerinnen und Spielern ein möglichst tolles Erlebnis zu bieten. Heutige Spiele sind enorm vielseitig. Von Action-Abenteuern auf Hollywood-Niveau, über komplexe Rätselspiele, die alles auf den Kopf stellen bis zu absurden Ziegen-Simulatoren, die einfach unterhalten wollen, gibt es alles.
Das heisst nicht, dass ich keinen Spass bei meiner Retro-Diät hatte. Das physische Element der Spielkassetten, wenn ich sie mit einem befriedigenden Klick einstecken kann, schlägt jeden digitalen Play-Button. Auch die Einfachheit der Spiele hat Charme. Es gibt nicht tausend Ablenkungen durch Quests, Sammelaufgaben oder sonstigen Krimskrams. Bring Indi sicher ans Ende des Levels – fertig. Im besten Fall gibt es dafür ein verpixeltes Kopfnicken durch Sean Connery.
Der Verzicht auf Videos, Podcasts und andere Ablenkungen hat das Erlebnis verstärkt. Ich habe mich mehr auf die Spiele eingelassen, als ich das mit modernen Games tue. Dort ist der Griff zum Smartphone oder der Alt+Tab zu Youtube nie weit entfernt.
Ich bin froh, meinen alten Konsolen endlich etwas Zeit geschenkt zu haben. Gegen die Flut an neuen Spielen werden sie aber in Zukunft kaum eine Chance haben. Sammeln werde ich sie weiterhin. Denn auch wenn sie im Regal verstauben, ist ihnen der Platz in meinem Herzen sicher.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.